1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Bewerbersuche im Untergrund

Vladimir Esipov mo
8. Februar 2020

Auf der Suche nach IT-Spezialisten greifen Verfassungsschutz und BKA zu kreativen Mitteln: Sie bewerben offene Stellen in U-Bahnen, Bussen und Fitnessclubs - in der Hoffnung auf mehr Interessenten.

Verfassungsschutz BKA BfV
Bild: DW/V. Esipov

Die Berliner U-Bahn ist nicht nur ein Verkehrsmittel, sondern manchmal auch eine Werbefläche für ungewöhnliche Angebote. "Im Verborgenen Gutes tun!" - mit diesem Slogan wirbt das Bundesamt für Verfassungsschutz um Auszubildende, Studenten und künftige Mitarbeiter. Ähnlich klingt die Devise des Bundeskriminalamtes (BKA) "Das Richtige machen", solche Anzeigen hängen nicht nur in U-Bahnen und Bussen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), sondern auch in den Umkleiden der regionalen Fitness-Clubs.

Auch beim Bundesnachrichtendienst (BND), der für die zivile und militärische Auslandsaufklärung zuständig ist, sind mehr als drei Dutzend Stellen offen, davon rund die Hälfte im IT-Bereich. Und die Bundespolizei hat in diesem Jahr rund 2150 Stellen zu besetzen. Um ihre Reihen zu füllen, wurden die Anforderungen an die Bewerber gesenkt. Im Diktat sind mehr Fehler zugelassen und das Wort "Chrysantheme" wurde ganz gestrichen - zu viele Bewerber waren daran gescheitert. Aus dem Fitnesstest wurden Weitsprünge und Liegestützen gestrichen und durch Staffellauf ersetzt.

Dramatischer "Fight for Talents"

Fast alle Behörden und Institutionen, nicht nur die Polizei, suchen IT-Experten - nicht nur für Cyberkriminalität und Cybersicherheit, sondern auch für den Bereich Social Media, sagt Thomas-Gabriel Rüdiger, Kriminologe an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg in einem Interview mit der DW. "Die Stellen mit entsprechendem Personal zu besetzen, ist eine große Herausforderung, ob beim Bund oder bei den Ländern", so Rüdiger.

Hans-Wilhelm Dünn vom Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. meint, die Werbekampagnen von BKA und Verfassungsschutz seien ein klares Indiz dafür, wie dramatisch der "Fight for Talents" mittlerweile sei. Der in Berlin ansässige Verein bezeichnet sich selbst als politisch neutral und berät Unternehmen, Behörden und Politiker in den Bereichen Cybersicherheit und Cyberkriminalität.

Auch das Bundeskriminalamt sucht MitarbeiterBild: DW/V. Esipov

Eine Frage des Geldes und des Images

Doch warum mangelt es in den Behörden an Spezialisten? "Einerseits sind es natürlich monetäre Interessen. Ein guter IT-Experte kann in der freien Wirtschaft Gehälter erhalten, die im öffentlichen Dienst einfach nicht denkbar sind", sagt Rüdiger. Hinzu komme, dass das Image des öffentlichen Dienstes mit Start-Ups oder anderen Unternehmen nicht vergleichbar sei. "Das schreckt viele ab, die den öffentlichen Dienst weniger mit kreativer Arbeitsgestaltung verbinden", so der Experte.

Die Behörden müssten mit dem freien Markt konkurrieren, sagt Hans-Wilhelm Dünn. "Da es viel zu wenige Absolventen für viel zu viele offene Stellen gibt, entscheiden sich mehr Informatiker für einen gut bezahlten Job bei IT-Firmen." Außerdem sei die IT-Sicherheit innerhalb der möglichen Berufslaufbahn eines Informatikers nicht die attraktivste Spezialisierung.

Analoge Behörden in einem Hochtechnologieland

Den Mangel an IT-Spezialisten in Deutschland führt Thomas-Gabriel Rüdiger auch darauf zurück, dass die Gesellschaft insgesamt zu spät angefangen habe, sich auf die Digitalisierung einzustellen.

Hans-Wilhelm Dünn sieht das auch so: "Die Bürokratie in Deutschland hinkt hinterher. Wer heute in den meisten Bürgerämtern einen neuen Pass beantragen will, muss dort vorsprechen, warten und ganz analog einen Antrag in Papierform abgeben." Im aktuellen "Digital Economy and Society Index" der EU liege Deutschland bei e-Government auf Platz 26 von 28. "Nur Italien und Griechenland haben noch analogere Behörden", so Dünn. Aus seiner Sicht ist das für den Hochtechnologiestandort Deutschland ein Armutszeugnis.

Dünn warnt daher davor, dass bei den Sicherheitsbehörden und der Polizei veraltete Prozesse und fehlende Vernetzung im schlimmsten Fall Strafverfolgung und nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung behindern könnten. "Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Mit dem Programm 'Polizei 2020' sollen die Dutzenden dezentralen Datenbanken, zerklüfteten IT-Architekturen und Sonderlösungen vereinheitlicht und zentralisiert werden", erklärt der Experte. Das Projekt sei ein wichtiger Schritt, werde aber noch Jahre in Anspruch nehmen.

Die Pressestelle des BND hat eine schriftliche Anfrage der DW per E-Mail nicht beantwortet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz lehnte jegliche Stellungnahme zur Kampagne "Im Verborgenen Gutes tun!" ab.

Anzeige des Auswärtigen Amtes in der Berliner U-BahnBild: DW/V. Esipov

Inzwischen ist in der Berliner U-Bahn Werbung einer weiteren Behörde aufgetaucht, und zwar des Auswärtigen Amtes. Auch dort werden IT-Spezialisten gesucht, unter dem Motto "Diplomatie auch digital - Ihre IT-Karriere im Auswärtigen Amt!".

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen