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Biden drückt bei E-Autos auf die Bremse

23. Februar 2024

Um sich die Unterstützung der Wähler im US-Autobauer-Staat Michigan zu sichern, stellt Präsident Joe Biden den Fahrplan zur Elektromobilität auf den Prüfstand. Auch China setzt länger auf Verbrenner als die EU.

USA Detroit | Joe Biden in GM Fabrik
Bild: Dominick Sokotoff/ZUMA Wire/IMAGO

Offiziell gilt er noch, der ehrgeizige Fahrplan von US-Präsident Joe Biden zur Elektromobilität: Bis zum Jahr 2032 soll der Elektro-Anteil bei allen verkauften Autos und leichten Trucks auf 67 Prozent hochgeschraubt werden - von aktuell bescheidenen sieben bis acht Prozent. Denn nur so können die US-Hersteller die Abgas-Grenzwerte für ihre Flotten in den nächsten acht Jahren einhalten. Aber dazu wird es nicht kommen, berichtet die New York Times. Denn, um sich die Stimmen der Beschäftigten in der Automobilindustrie im wichtigen Bundesstaat Michigan bei den Präsidentschaftswahlen im November zu sichern, tritt Joe Biden mächtig aufs Bremspedal.

Nach einem halben Jahr zäher Verhandlungen mit der einflussreichen US-Autobauergewerkschaft UAW (United Auto Workers) haben sich die Entscheider im Weißen Haus rund um Bidens klimapolitischen Berater Ali Zaidi dazu durchgerungen, der Industrie mehr Zeit beim Abschied vom Verbrenner zu geben, so der Bericht der US-Zeitung.

Und prompt gab im Januar der mächtige UAW-Chef Shawn Fain die Unterstützung seiner Gewerkschaft für Biden bei den Präsidentschaftswahlen bekannt.

Im Gegenzug winken deutliche Erleichterungen bei der Wende zur Elektromobilität: Die US-Autobauer sollen mehr Zeit für die E-Mobilitätswende und weniger strenge Vorgaben bei den Abgas-Grenzwerten für ihre Flotten bekommen. Klar, dass das bei den Mitarbeitern von Ford, GM, Stellantis und Co. für großes Aufatmen sorgt.

Genau wie in anderen Ländern geht bei den Arbeiterinnen und Arbeitern der US-Autoindustrie die Angst vor einem Job-Kahlschlag um. Denn für den Bau eines E-Autos werden nicht nur weniger Teile und Komponenten, sondern auch weniger Frauen und Männer an den Fließbändern gebraucht.

Rückenwind für Biden: UAW-Gewerkschaftsboss Shawn Fain stellt sich nach langen Verhandlungen am 24. Januar offiziell auf die Seite des Amtsinhabers Bild: Leah Millis/REUTERS

Trump droht mit "Roll-back"

Das Thema ist zentral im US-Wahlkampf. Die großen Hersteller haben vor der Vernichtung von Arbeitsplätzen bei einer zu schnellen gesetzlichen Verpflichtung zu E-Autos gewarnt. Für Biden, der im November eine zweite Amtszeit anstrebt, ist das ein Dilemma. Denn der Bundesstaat Michigan ist als so genannter Swing State wichtig beim Kampf um das Weiße Haus. Zehntausende Mitglieder der Autogewerkschaft UAW können hier mitentscheiden, ob Biden wiedergewählt wird oder sein absehbarer Herausforderer Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt.

Trump macht keinen Hehl aus seiner Ablehnung von E-Autos. Sie würden schlichtweg "nicht funktionieren", die US-Verbraucher wollten sie nicht kaufen und am Ende würde der Markt ohnehin mit E-Autos aus China überschwemmt werden. UAW-Gewerkschaftsboss Fain, der Bidens Wiederwahl unterstützt, geißelte Trump als "Trottel". Auf seiner Social Media-Plattform Truth Social nannte Trump Bidens Klimapolitik einen "Irrsinn", den er "an seinem ersten Tag" im Weißen Haus "auslöschen" würde.

Es geht um Wählerstimmen, es geht um zehntausende Jobs - und es geht um riesige Summen, die von der Autobranche aufgebracht werden müssen. Nach Berechnungen der Forscher des Center for Automotive Research haben die amerikanischen Autohersteller allein in den vergangenen drei Jahren 146 Milliarden US-Dollar (135 Milliarden Euro) in die Forschung und Entwicklung von Elektroautos investiert. Das sind Summen, die sogar für die profitablen US-Autokonzerne auf Dauer nur schwer zu stemmen sind. Wiederholt hatten die großen US-Hersteller General Motors, Ford und Stellantis (zu dem u.a. die Marken Chrysler, Dodge und Jeep gehören) davor gewarnt, sie könnten ihre Flotten nicht schnell genug rentabel umstellen.

Ford F-150 Lightning – der elektrische Pick-up

05:42

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Warnung vor Überforderung

Auch der Branchenverband AAI (Alliance for Automotive Innovation) hatte die Biden-Regierung aufgefordert, beim Tempo für die Vorgaben beim Verkauf von Elektroautos den Fuß vom Gas zu nehmen. Noch seien E-Fahrzeuge für viele US-Verbraucher zu teuer und der Ausbau der Ladeinfrastruktur brauche mehr Zeit.  

AAI-Präsident John Bozzella, der für 42 Mitgliedsunternehmen spricht, die nach eigenen Angaben rund 97 Prozent aller in den USA verkauften E-Autos produzieren, fordert wie die Gewerkschaften längere Übergangsfristen. "Das Tempo ist wichtig", so Bozzella in einem Interview, aus dem die New York Times zitiert. "Geben Sie dem Markt und den Lieferketten die Chance, aufzuholen. Erhalten Sie den Kunden die Freiheit auszuwählen und lassen Sie mehr öffentliche Ladestationen ans Netz gehen."

Nach Informationen eines Sprechers der federführenden US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) werde die endgültige Regelung noch überarbeitet. Aber man setze auf eine Lösung, die "leicht erreichbar ist, eine Reduzierung der Luft- und Klimaverschmutzung sicherstellt und wirtschaftliche Vorteile für Familien bietet", berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Einflussreich und schlagkräftig: die US-Autobauergewerkschaft UAWBild: Bill Pugliano/Getty Images

Die Hersteller unterstützen demnach eine frühere Idee, den Anteil von E-Autos an Neuwagenverkäufen bis 2030 auf 50 Prozent zu erhöhen - deutlich weniger als die bisherige Zielmarke von 67 Prozent, die zwei Jahre später erreicht werden soll. Der Lobbyverband AAI warnte, es könne die US-Autobauer rund 14 Milliarden Dollar Geldstrafe kosten, wenn sie die CO2-Ziele nicht erreichten. Dem E-Auto-Pionier Tesla, der nur E-Autos baut, kann es dagegen nicht schnell genug gehen und fordert einen Marktanteil für E-Autos bis 2032 von 69 Prozent und bis 2035 von 100 Prozent. Unterstützung bekommt der Elon Musk-Konzern von US-Umweltgruppen.

Bei GM etwa entfallen derzeit nur drei Prozent der Gesamtverkäufe auf E-Autos, bei Ford sind es vier Prozent. Beim Hoffnungsträger, dem elektrischen Ford-Pickup F-150 Lightning sind die Zahlen besonders ernüchternd: Statt der erwarteten 150.000 wurden im vergangenen Jahr nur 24.000 Stück des Elektro-Pickups verkauft.

Das Problem für diese Marken ist ihre Abhängigkeit von den größten und am wenigsten effizienten Fahrzeugen, also großen Pickups und SUVs. Diese stehen für 46 Prozent der GM-Verkäufe und 59 Prozent bei Ford, so die Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Zahlen zeigen, wie stark die USA bei Elektrofahrzeugen China hinterher hinken, wo im Januar knapp 30 Prozent der verkauften Fahrzeuge Elektroautos oder Plug-in-Hybride waren.

China setzt auf E-Autos und synthetische Kraftstoffe

Trotzdem wird die chinesische Regierung den Verbrenner nicht mit einem Verbot - wie bislang in der EU für das Jahr 2035 geplant - zu Grabe tragen. Die Volksrepublik, seit dem vergangenem Jahr zum größten Auto-Exporteur der Welt aufgestiegen, denkt nicht daran, nur auf ein Pferd zu setzen.

In einer Anfang Dezember vorgelegten Strategie für die Automobilindustrie, die bis ins Jahr 2026 reicht, ist von einem Verbrenner-Verbot à la EU keine Rede. Im Gegenteil: Die Staats- und Parteiführung in Peking setzt auf eine mehrgleisige Strategie. "Die chinesische Regierung macht damit klar, dass sie ein Interesse an der Weiterentwicklung der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor hat", erklärt Jochen Siebert die Kernaussage des Papiers gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus. Der Wirtschaftsingenieur ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens JSC Automotive, das an seinen Standorten Stuttgart und Shanghai vor allem die Entwicklung der Autobranche in China beobachtet und analysiert.

Die Palette der Antriebsstoffe für moderne Verbrenner reiche dabei bei Chinas Wirtschaftsstrategen von Biosprit bis zu synthetischen Kraftstoffen, den so genannten E-Fuels. Die sollen künftig aus Wasserstoff und Kohlenstoff, der in der Industrie oder in Kohlekraftwerken anfällt, synthetisiert werden.

Möglicherweise liefern dann chinesische Autobauer günstige Verbrenner nach Europa, wenn sich herausstellen sollte, dass die ambitionierten Ziele der EU-Kommission für die Elektrifizierung der Mobilität nicht aufgehen. Und, falls die europäischen Autobauer und ihre Zulieferer, die allein auf E-Autos gesetzt haben, gar nicht mehr über das Know-how verfügen, moderne Verbrenner zu bauen. .

Industrial Deal: zentrales Projekt von Belgiens Regierungschef Alexander de Croo während der belgischen EU-Rats-Präsidentschaft Bild: European Union

Mittlerweile deutet sich aber bei einzelnen europäischen Auto-Konzernen ein Umdenken an. So ließ Mercedes am 22. Februar nach Vorlage seiner aktuellen Bilanzzahlen aufhorchen: Wegen der schlechten Verkaufszahlen von E-Autos kündigte Vorstands-Chef Ole Källenius an, nach dem bisher vom Konzern angekündigten Aus im Jahr 2030 auch danach noch Verbrenner zu verkaufen.

Bewegung in der EU

Auch in der EU ist Bewegung in die Debatte gekommen. Der belgische Regierungs-Chef Alexander De Croo will unter der seit Januar laufenden belgischen EU-Ratspräsidentschaft zusätzlich zum Green Deal von Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen einen Industrial Deal auf Weg bringen. Unterstützung erhält er dabei von mehr als 70 Unternehmens-Chefs aus der EU und einzelnen Gewerkschaften. Sie fordern in einer Erklärung vom 20. Februar einen solchen EU-Industriepakt. In ihrer "Antwerpener Erklärung" werden zehn dringende Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und zum Erhalt guter Arbeitsplätze in Europa gefordert.

Möglicherweise wird dann auch noch einmal darüber nachgedacht, wie Europas und damit auch Deutschlands Autobranche ihre Technologieführerschaft in der Verbrenner-Technologie erhalten kann. Unterstützung erhält sie dabei von Manfred Weber, dem Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, der das kategorische Verbrenner-Aus nach einem Wahlsieg bei den Europawahlen kippen will. Auch er räumt der Entwicklung sauberer Verbrenner mit Biosprit oder E-Fuels durchaus Chancen ein.

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.