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Biden entschuldigt sich für Gräuel gegen indigene Kinder

26. Oktober 2024

US-Präsident Joe Biden hat für die Zwangsunterbringung indigener Kinder in Internaten weit weg von ihren Familien um Verzeihung gebeten. In einem Reservat sagte er, die Internate seien "Orte des Terrors" gewesen.

Joe Biden steht an einem Rednerpult in einer Halle der Gila River Indian Community
Joe Biden spricht zur Gila River Indian CommunityBild: Gage Skidmore/ZUMA Press Wire/picture alliance

Im Namen der Regierung hat sich Präsident Joe Biden bei den indigenen Völkern für das vielfache Unrecht entschuldigt, das ihren Kindern einst in staatlichen Internaten angetan wurde. Die Regierung habe 150 Jahre lang Generationen indigener Kinder aus ihren Familien gestohlen, sagte Biden in einer indigenen Gemeinde nahe der Stadt Phoenix im US-Bundesstaat Arizona. In Internaten seien sie geschlagen und missbraucht worden, man habe ihnen ihre Haare abgeschnitten, sie umbenannt und ihnen verboten, ihre eigene Sprache zu sprechen, sagte Biden. Manche seien zur Adoption freigegeben worden, andere seien gestorben. Und jene, die heimgekehrt seien, hätten Trauma und Scham mitgebracht. 

"Als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika bitte ich in aller Form um Entschuldigung für das, was wir getan haben", sagte Biden in der Gila River Indian Reservation. Es handle sich um eines der düstersten Kapitel in der US-Geschichte, und noch dazu um eines, von dem viele Amerikaner nichts wüssten. Nach 150 Jahren habe die Regierung das Internats-Programm in den 1970er-Jahren eingestellt, sich aber nie für das Geschehene entschuldigt. Dies sei längst überfällig. 

Mitglieder der Gila River Indian Community haben sich zu Joe Bidens Auftritt versammeltBild: ANDREW CABALLERO-REYNOLDS/AFP/Getty Images

Zehntausende Kinder von Ureinwohnern waren seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts ihren Eltern entrissen und zur Umerziehung in staatliche Internate gesteckt worden, wo sie ihre eigene Kultur vergessen sollten. Ziel der Einrichtungen war es, die Kultur, Sprache und Identität der Kinder auszulöschen und sie zu assimilieren. In den Einrichtungen erlitten viele der Kinder physische, seelische und auch sexuelle Gewalt. Zahlreiche Kinder kehrten nie wieder nach Hause zurück.

Mindestens 973 Todesopfer

Nach einem Bericht des US-Innenministeriums aus dem Jahr 2022 existierten von 1819 bis 1969 mehr als 400 staatliche Internate. Dort kamen demnach mindestens 973 Kinder um Leben. Die endgültige Zahl sei "viel, viel höher", sagte Biden. Die brutale Umerziehungspolitik erfolgte unter dem Schlagwort "Töte den Indianer, rette den Menschen".

Nach Angaben des Ministeriums wurden viele Internate in Kooperation mit religiösen Institutionen betrieben. 87 katholische Internate seien namentlich bekannt. Im Juni hatte sich die römisch-katholische Bischofskonferenz für ihr "Versagen" entschuldigt. Die Internate hätten ein "gemeinschaftliches und individuelles Trauma" hinterlassen, das bis zum heutigen Tag Auswirkungen habe, erklärten die Bischöfe.

In Edmonton in Kanada hatte Papst Franziskus 2022 bei indigenen Völkern um Entschuldigung für kirchliche Gewalt gegen ihre Kinder gebeten Bild: Eric Gay/AP Photo/picture alliance

In Kanada hatte es ein ähnliches System katholischer Internate gegeben, für das Papst Franziskus bei einem Besuch vor zwei Jahren um Vergebung gebeten hatte. Im Jahr 2023 hatte Kanada angekündigt, den indigenen Völker einen Entschädigung in Milliardenhöhe für den Schaden sowie den Verlust von Sprache und Kultur zu zahlen.

Haaland: Schritt von großer historischer Bedeutung

Biden wurde von Innenministerin Deb Haaland begleitet, der ersten indigenen Ministerin der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Regierung habe den Kindern bewusst ihre Sprache, Kultur und Traditionen gestohlen, erklärte Haaland. "Ihr habt es nicht geschafft, unsere Sprachen, unsere Traditionen und unsere Lebensweise auszulöschen", sagte sie. "Trotz allem, was geschehen ist, sind wir immer noch hier." Auch ihre Großmutter und ihre Mutter seien in solchen Internaten gewesen. Das habe ihr eigenes Leben betroffen. "Es war traumatisch", sagte sie.

US-Innenministerin Deb Haaland begleitete Biden zu dem Auftritt in Arizona Bild: Elizabeth Frantz/REUTERS

Die Ministerin betonte, der Schritt des Präsidenten sei von größter historischer Bedeutung. In Bidens Amtszeit gab es Investitionen zur Unterstützung indigener Gemeinschaften, etwa zur Erweiterung ihrer Autonomie oder zum Schutz von Denkmälern an heiligen Stätten ihrer Vorfahren.

Zeitpunkt geschickt gewählt

Der Besuch Bidens in Arizona erfolgte eineinhalb Wochen vor der Präsidentschaftswahl, bei der Vizepräsidentin Kamala Harris am 5. November gegen den republikanischen Kandidaten Donald Trump antritt. Arizona gehört zu den bei der Wahl besonders umkämpften Bundesstaaten und hat eine der größten indigenen Bevölkerungsgruppen des Landes.

kle/AR (epd, afp, dpa, kna)

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