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Politik

Biden spricht von "Beginn einer Invasion" in die Ukraine

22. Februar 2022

Russlands Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine alarmiert die USA. Präsident Joe Biden kündigt eine erste Runde von Sanktionen an. Die wichtigsten Informationen im Überblick.

Joe Biden verkündet Sanktionen gegen Russland
Bild: Chris Kleponis/CNP/picture alliance

Die jüngsten Entwicklungen im Überblick

  • US-Präsident Biden spricht von beginnender "Invasion"
  • Russisches Oberhaus genehmigt Truppeneinsatz im Donbass
  • Bundesregierung legt Nord Stream 2 auf Eis
  • G7-Staaten und EU bringen Sanktionen auf den Weg
  • Deutschland denkt über Truppenverstärkung in Litauen nach

Biden spricht von "Invasion" und kündigt Sanktionen an

US-Präsident Joe Biden reagiert mit deutlichen Worten auf die Ereignisse in der Ostukraine. Moskaus Anerkennung der selbsternannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk und die geplante Entsendung russischer Truppen in die ostukrainischen Gebiete sei der "Beginn einer Invasion" in die Ukraine. "Wir glauben nach wie vor, dass Russland bereit ist, deutlich weiterzugehen und einen massiven Militärschlag gegen die Ukraine zu starten", sagte Biden bei einer Ansprache im Weißen Haus.

Biden kündigte weitere militärische Hilfe und Truppenverlegungen an. "Die Vereinigten Staaten werden der Ukraine in der Zwischenzeit weiterhin Verteidigungshilfe leisten, und wir werden unsere NATO-Verbündeten weiterhin stärken." Er habe zusätzliche Bewegungen von US-Streitkräften und -Geräten genehmigt, die bereits in Europa stationiert seien. So sollen unter anderem bis zu acht Kampfjets vom Typ F-35 von Deutschland aus an Standorte "entlang der NATO-Ostflanke" verlegt werden. Außerdem werden 20 in Deutschland stationierte US-Kampfhubschrauber vom Typ AH-64 ins Baltikum gebracht.

Zugleich betonte der US-Präsident, sein Land und die westlichen Verbündeten seien nach wie vor bereit zur "Diplomatie". "Es ist immer noch Zeit, das Worst-Case-Szenario zu verhindern, das Millionen von Menschen unermessliches Leid bringen würde."

Zudem verkündete Biden eine erste Tranche von Sanktionen. Die russische Regierung werde von "westlicher Finanzierung" abgeschnitten. Konkrete nannte Biden Sanktionen gegen zwei große Banken, den Handel mit russischen Staatsanleihen und Unterstützer des russischen Präsidenten und deren Familien. Sollte die Moskauer Regierung ihren aggressiven Kurs fortsetzen, drohten schärfere US-Sanktionen.

Blinken sagt Treffen mit Lawrow ab

Angesichts der jüngsten Eskalationsschritte durch Moskau hat US-Außenminister Antony Blinken ein geplantes Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow abgesagt. Mit Blick auf das Vorgehen des Kremls habe es keinen Sinn, an dem ursprünglich für Donnerstag in Genf angesetzten  Gespräch festzuhalten, sagte Blinken in Washington.

Putin erkennt Anspruch von Separatisten auf gesamte Gebiete an

Nach der russischen Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine war bislang unklar, für welche Regionen das genau gilt. Nun wird deutlich, dass es um weit mehr geht als die bislang besetzten Gebiete. Denn Wladimir Putin erkennt die Separatistenregionen Luhansk und Donezk in ihren deutlich größeren ursprünglichen ukrainischen Grenzen an. Das bedeutet, dass der Territorialanspruch der Separatisten, die bislang etwa 32 Prozent der Gebiete Luhansk und Donezk kontrollieren, deutlich über ihr bisher verwaltetes Gebiet hinausgeht. Das birgt die Gefahr neuer Kämpfe mit den ukrainischen Regierungstruppen, die den übrigen Teil kontrollieren.

Wladimir Putin am Tag nach der Anerkennung der Separatistengebiete in der OstukraineBild: Sputnik/AP/picture alliance

Putin sagte auf einer Pressekonferenz, dass die Führungen in den von Russland als unabhängige Staaten anerkannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk mit der ukrainischen Regierung darüber verhandeln müssten. Auch erklärte er den Minsker Friedensplan für die Ostukraine für erledigt. Die Vereinbarungen hätten sich mit der Anerkennung der souveränen Staaten erübrigt.

EU beschließt Sanktionspaket gegen Russland 

Die EU verhängt angesichts der Eskalation im Russland-Konflikt neue Sanktionen. Die Europäische Union habe sich darauf geeinigt, 27 Personen und Körperschaften, die die territoriale Einheit der Ukraine bedrohen, mit Sanktionen zu belegen, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Auch Banken, die Einsätze in den Separatistengebieten finanzierten, seien von den Maßnahmen betroffen. Ziel sei es auch, den Zugang des russischen Staates zum EU-Finanzmarkt zu beschränken. Die Strafmaßnahmen sollen noch in dieser Woche in Kraft treten. Borrell betonte, die Sanktionen würden "Russland sehr weh tun". 

NATO warnt vor "groß angelegtem Angriff" auf Ukraine

Die NATO rechnet mit einer weiteren Eskalation der Lage. Generalsekretär Jens Stoltenberg hat vor einem "groß angelegten Angriff" Russlands auf die Ukraine gewarnt. Das Militärbündnis beobachte einen fortgesetzten russischen Truppenaufmarsch und Vorbereitungen für einen solchen Angriff, sagte Stoltenberg nach einer Sitzung des NATO-Ukraine-Komitees in Brüssel. Er sprach von der gefährlichsten Lage für Europa innerhalb einer Generation. Die Moskauer Regierung werde weiterhin zur Deeskalation aufgefordert. "Es ist nie zu spät, nicht anzugreifen."

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnt RusslandBild: Francisco Seco/Pool/AP/picture alliance

G7-Staaten und EU bringen Sanktionen auf den Weg

Die sieben einflussreichsten westlichen Industrieländer haben sich nach britischen Angaben auf ein Paket harter Sanktionen verständigt. "Die G7-Außenminister verurteilen Russlands Verletzung internationaler Abmachungen scharf", schreibt die britische Außenministerin Liz Truss auf Twitter. Als Reaktion darauf seien koordinierte Strafmaßnahmen mit  steigender Schärfe vereinbart worden. 

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock kündigte ein "klares Stoppschild" an. Die G7-Staaten und die Europäische Union seien sich einig im weiteren Umgang mit Russland. Sie habe "eine große Geschlossenheit" gesehen, sagte Baerbock in Paris nach Beratungen der Außenminister der G7-Staaten und der EU. "Wir wollten diese Situation verhindern", aber Russland habe jetzt das Gegenteil beschlossen.

Russisches Oberhaus genehmigt Truppeneinsatz im Donbass

Das Oberhaus des russischen Parlaments hat den Einsatz von Truppen in der Ostukraine genehmigt. Die Mitglieder des Föderationsrats votierten auf einer Sondersitzung einstimmig für einen entsprechenden Antrag von Präsident Wladimir Putin. Der Kremlchef bestimme die Zahl der Soldaten und die Dauer der Stationierung "im Ausland", hieß es.

Zuvor hatte das Unterhaus des Parlaments, die Staatsduma, die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der Ostukraine als unabhängige Staaten ratifiziert. Die Abgeordneten unterstützten einstimmig die Verträge über "Freundschaft und Beistand" mit den prorussischen Separatistengebieten.

Steinmeier befürchtet weitere Eskalation 

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine weitere Eskalation des Russland-Konflikts für möglich. Ob man mit der Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken schon die Spitze der Eskalation erreicht habe, könne er nicht beurteilen. "Zu befürchten ist, dass wir das Ende jedenfalls noch nicht erlebt haben", sagte Steinmeier auf einer Auslandsreise im Senegal. Kremlchef Wladimir Putin warf er einen Bruch des Völkerrechts und eine "Vernichtung des Minsker Abkommens" vor. Damit sei die einzige Grundlage für Gespräche über eine friedliche Konfliktlösung weggefallen. Dies schaffe eine hochgefährliche Lage.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im SenegalBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Wegen der Zuspitzung der Situation wollte Steinmeier seinen offiziellen Besuch im Senegal vorzeitig beenden. Statt wie geplant am Mittwochmittag wollte er bereits am Dienstagabend nach Deutschland zurückfliegen.  

Deutschland erwägt Truppenverstärkung in Litauen   

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht  hat am Dienstag die in Litauen stationierten deutschen Soldaten der NATO-Streitkräfte besucht und eine weitere Aufstockung der Truppen in Aussicht gestellt. Deutschland sei "bereit, weitere Kräfte zu Lande, zu Wasser und in der Luft zur Verstärkung bereitzustellen", sagte sie. Es werde zwar auf eine diplomatische Lösung der Russland-Krise gesetzt. "Doch dazu Bedarf es einer glaubwürdigen militärischen Abschreckung." Russland trete als "Aggressor" auf - "und es ist ungewiss, wie weit die russische Seite ihre Aggressionen treiben wird". 

Erst kürzlich hatte Deutschland seine Truppen in Litauen wegen der Spannungen mit Russland von 550 Soldaten auf rund 900 aufgestockt.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht in LitauenBild: Mindaugas Kulbis/AP/picture alliance

Widersprüchliche Angaben zu russischen Truppen

Nach der russischen Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine ist unklar, wie es nun weitergeht. Das russische Außenministerium behauptet, man plane "im Moment" keine Entsendung von Soldaten in die Ostukraine. "Im Moment bereitet man sich nicht darauf vor, irgendjemanden irgendwohin zu entsenden", sagte der stellvertretende Außenminister Andrej Rudenko. Auch die Separatisten in Donezk behaupten, dass in dem Konfliktgebiet bislang keine russischen Soldaten seien. "Wir wollen uns auf unsere eigenen Kräfte verlassen", sagte der Chef der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Denis Puschilin. Man wolle nur dann auf die Möglichkeit militärischer Hilfe zurückgreifen, wenn dies nötig sei.

Dies steht allerdings im Widerspruch zu den Ereignissen am Montagabend. Denn da hatte der russische Präsident Wladimir Putin per Dekret festgelegt, dass in die Regionen Truppen verlegt werden sollen. Kremlnahe Medien berichteten, dass im Donbass bereits russische Truppen seien. Auch im Internet wurden Videos verbreitet, die angeblich russische gepanzerte Fahrzeuge im Donbass zeigen sollen.

London verhängt erste Sanktionen

Großbritannien reagiert nach der gestrigen Eskalation mit Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Premierminister Boris Johnson verkündete im Unterhaus, dass fünf russische Banken sowie drei russische Oligarchen mit gezielten Sanktionen belegt werden. Deren Vermögen in Großbritannien werde eingefroren und Reisen nach Großbritannien unterbunden. Weitere Sanktionen könnten im Fall einer zunehmenden Eskalation folgen.

Premierminister Boris Johnson im britischen Parlament (Archivbild)Bild: PRU/AFP

Johnson warf Russlands Staatschef Wladimir Putin nach dessen Anerkennung der Separatisten-Gebiete in der Ostukraine vor, einen Vorwand für eine umfassende Offensive zu schaffen. "Indem er der Ukraine die Legitimität als Staat abspricht und ihre Existenz als tödliche Bedrohung für Russland darstellt, schafft Putin den Vorwand für eine groß angelegte Offensive", sagte er. Man müsse sich auf eine "langwierige Krise" einstellen.

Selenskyj erwägt Abbruch der Beziehungen mit Russland

Nach der Anerkennung der ostukrainischen Separatisten-Gebiete Luhansk und Donezk durch Kremlchef Wladimir Putin erwägt der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj einen Abbruch der Beziehungen zu Russland. Er habe ein entsprechendes Ersuchen seines Außenministeriums erhalten und werde dieses nun "prüfen", sagte Selenskyj am Dienstag in Kiew. Kurz darauf berief das ukrainische Außenministerium seinen Geschäftsträger in Moskau zu Konsultationen nach Kiew zurück. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warnte, ein Abbruch der bilateralen Beziehungen würde die Lage nur weiter verschärfen.

Bundesregierung legt Nord Stream 2 auf Eis

Die Bundesregierung stoppt vorerst das Genehmigungsverfahren für das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Er habe das Bundeswirtschaftsministerium gebeten, die nötigen verwaltungsrechtlichen Schritte zu unternehmen, damit vorerst keine Zertifizierung der Gas-Pipeline erfolgen kann, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag in Berlin. "Und ohne diese Zertifizierung kann Nord Stream 2 ja nicht in Betrieb gehen." Der SPD-Politiker betonte, die erfolgten russischen Schritte in Bezug auf die Ostukraine hätten die Lage verändert. Die Situation müsse daher neu bewertet werden - "auch im Hinblick auf Nord Stream 2". 

Bundeskanzler Scholz warnt vor Krieg in Osteuropa

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Montagabend die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt. Der Kremlchef ordnete auch eine Entsendung russischer Soldaten in die Ostukraine an. Dies sei "ein schwerwiegender Bruch des Völkerrechts", sagte Scholz. Putin breche damit nicht nur das Minsker Abkommen, sondern auch Grundprinzipien der Vereinten Nationen und "alle völkerrechtlichen Vereinbarungen", die Russland in den vergangenen Jahrzehnten eingegangen sei. Der russische Präsident wolle "möglicherweise die gesamte Ukraine" besetzen, sagte Scholz.

Die internationale Gemeinschaft werde auf das russische Vorgehen "eng abgestimmt, gut koordiniert und zielgerichtet" reagieren, kündigte er an. Gleichzeitig mahnte Scholz, die diplomatischen Kanäle offen zu halten. "In dieser Phase ist es jetzt wichtig, neben ersten Sanktionen eine weitere Eskalation und damit eine Katastrophe zu verhindern", sagte er. "Darauf zielen alle unsere diplomatischen Anstrengungen." 

Es seien aktuell sehr schwere Tage und Stunden für Europa, so Scholz weiter. "Knapp 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges droht ein Krieg im Osten Europas. Es ist unsere Aufgabe, eine solche Katastrophe abzuwenden und ich appelliere erneut an Russland dabei zu helfen." Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Der Westen befürchtet, dass Russland in die gesamte Ukraine einmarschieren könnte.

ww/qu/cwo/uh (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert. 

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