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Die Kunst-Biennale in Venedig und der Krieg

20. April 2022

Bei der 59. Kunst-Biennale in Venedig wird in diesem Jahr einiges anders sein: Der Krieg hinterlässt in der Kunstwelt seine Spuren - das zeigt sich nicht nur im Pavillon der Ukraine.

Pavlo Makov vor der "Fountain of Exhaustion" im Pavillon der Ukraine
Pavlo Makov vor der "Fountain of Exhaustion" im Pavillon der UkraineBild: Vincento Pinto/AFP/Getty Images

"Sky", "Serenity" oder "Audiction" heißen die großen Motoryachten, die jedes Jahr an der Riva Sette Martiri festmachten, der Hauptverkehrsader der Kunstpilger zwischen den Treffpunkten Arsenale und Serra dei Giardini. Niemand störte sich an den schwimmenden Villen, dem schamlos zur Schau gestellten Reichtum. Bis jetzt: Seit Putins Bomben auf ukrainische Städte fallen, müssen Russlands kunstinteressierte Oligarchen um ihre Luxusyachten bangen. Es wird also diesmal leerer sein am Lido. Und das ist längst nicht der einzige Tribut des Kunstfestivals an den Ukraine-Krieg.

Krieg in der Kornkammer der Welt

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Leer bleibt auch Russlands Pavillon auf der Biennale. Kirill Savchenkov und Alexandra Sukhareva, die ihn bespielen sollten, haben ihre Venedig-Teilnahme abgesagt. Die gebürtige Russin Alexandra Sukhareva schrieb auf Facebook: "Es gibt keinen Platz für Kunst, wenn Zivilisten unter dem Beschuss von Raketen sterben, wenn sich die Bürger der Ukraine in Bunkern verstecken, wenn russische Demonstranten zum Schweigen gebracht werden." Der litauische Kurator Raimundas Malasauskas erklärte, angesichts der russischen Invasion und der Bombardierung der Ukraine könne er das Projekt nicht fortführen. Russland hat, wie 27 andere Nationen, einen eigenen Pavillon in den Giardini, dem Hauptausstellungsort der Biennale.

Pavlo Makov im ukrainischen Pavillon 

Sie fehlen in diesem Jahr: die protzigen Yachten der russischen OligarchenBild: DW/S. Dege

Ob der ukrainische Pavillon öffnen würde, war lange Zeit ungewiss. Doch der Kuratorin Kateryna Chueva und dem aus Charkiw stammenden ukrainischen Künstler Pavlo Makov ist es gelungen, das Werk aus der Ukraine nach Venedig zu transportieren. Makov schaffte es, gemeinsam mit seiner 92jährigen Mutter, die Lagunenstadt zu erreichen. Chueva transportierte das Kunstwerk von Charkiw nach Italien - in einer sechstägigen Autofahrt über Rumänien. Seit dem 16. April befindet sich das Team in Venedig. 

Makov verstehe sich "nicht als Künstler, sondern als Bürger", sagte er in einen Interview mit dem Schweizer Fernsehen. Er repräsentiere nicht ein Land im Krieg, sondern setze ein Zeichen für die Lebendigkeit der Kultur der Ukraine. Seine Installation sei ein Zeichen für die Erschöpfung der Gesellschaft, so Makov.

Italienerin kuratierte Hauptausstellung der Biennale

Und auch das ist neu: Mit Cecilia Alemani kuratiert erstmals eine Italienerin die Hauptausstellung der Kunst-Biennale. Wegen der coronabedingten Verschiebung um ein Jahr blieb der in New York lebenden Kunstextpertin deutlich mehr Zeit. Warum auf ihrer Künstlerliste dennoch kaum Ukrainer und Russen stehen? Ganz einfach: Weil man auch bei einer so großen Schau wie der Biennale unmöglich jede Nation bedenken kann. Lediglich drei historische ukrainische Positionen hat Alemani ausgewählt und dazu noch die russische Gegenwartskünstlerin Zhenya Machneva. "Zum Glück", sagt Alemani, "ist niemand auf die Idee gekommen, Machneva auszuschließen, weil sie Russin ist!"

Bleibt wegen des Ukraine-Krieges geschlossen: der russische Pavillon auf der Kunstbiennale in VenedigBild: Photoshot/picture alliance

59. Kunst-Biennale: überwiegend weiblich

Selten genug ist, dass die am 23. April beginnende 59. Biennale dank der Verschiebung wieder mit der documenta zusammenfällt. Diese findet alle fünf Jahre in Kassel statt. In der Lagunenstadt verteilt sich die Kunst auf 79 Länderpavillons, den Zentralen Pavillon in den Giardini und natürlich auf die historischen Gemäuer des Arsenale, wo einst die Seilerei der mächtigen venezianischen Flotte residierte. Auf reichlich Frauenpower darf sich das Kunstpublikum 2022 freuen: Erstmals in der 127-jährigen Biennale-Geschichte ist das Gros der Künstlerschaft weiblich.

Das diesjährige Biennale-Motto heißt "The Milk of Dreams" (dt. "Die Milch der Träume"). Der Titel ist einem Buch über fantastische Wesen der englischen Surrealistin Leonora Carrington (1917-2011) entliehen. Die Malerin, Bildhauerin und Schriftstellerin emigrierte während des Zweiten Weltkriegs von Europa nach Mexiko. Poesie, Technik, Ökologie und Feminismus, das sind, wie Alemani ankündigte, die "Leitthemen" ihrer Hauptausstellung. Dazu zeigt die Kuratorin, die auch studierte Philosophin ist, Werke von 213 Kunstschaffenden aus 58 Ländern. Einige afrikanische Neulinge wie Kamerun, Namibia und Uganda sind dabei, aber auch so unbekannte wie Nepal und Oman. Überhaupt nehmen mehr als zwei Drittel der Künstlerinnen und Künstler zum ersten Mal an der Weltkunstschau in Venedig teil. Ihre Begegnung mit etablierten künstlerischen Positionen könnte spannend werden und aktuelle Diskurse beflügeln.

Auf den Namenslisten stehen bekanntere weibliche Positionen wie Nan Goldin, Rosemarie Trockel oder Barbara Kruger ebenso wie etwa die junge Skulpteurin und Multimediakünstlerin Monira Al Qadiri, eine im Senegal geborene, in Japan ausgebildete und inzwischen in Berlin lebende Kuwaiterin. Auch die junge Sandra Mujinga kann ihre Arbeit in Venedig vorstellen. Die Kongolesin konfrontiert ihr Publikum mit einer sehr weiblich anmutenden, amorphen Bildsprache, was gut in das Künstlerumfeld der Biennale passt. Erst im September erhielt sie den Preis der Nationalgalerie Berlin.

Goldener Löwe für die Deutsche Katharina Fritsch

Bringt ihr Kunstpublikum zum Nachdenken - die Künstlerin Maria Eichhorn bespielt dieses Jahr den Deutschen Biennale-PavillonBild: Jens Ziehe

Neu sind in diesem Jahr die Auftritte der zentralasiatischen Länder Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan. Im deutschen Pavillon, kuratiert von dem Kölner Museumschef Yilmaz Dziewior,

gibt die Berliner Konzeptkünstlerin Maria Eichhorn ein Gastspiel. Ihre Kunst gilt als etwas sperrig, was an der Denkfaulheit des Publikums liegen mag. Denn bei Eichhorn, Jahrgang 1962, besteht ein Werk aus Idee, Recherche und Visualisierung: jedes Kunstwerk enthält die Aufforderung "Denk mal." Ihre Themen: das Kunstmarktgebaren in der Nazizeit und die Enteignung jüdischer Kunstsammler. Überhaupt durchzieht die Frage nach Eigentum und Besitz Eichhorns künstlerische Arbeit wie ein roter Faden, ebenso die Begriffe Arbeit, Wert und Zeit. Auch hier könnte die Biennale einen Bogen zum Krieg in der Ukraine spannen, wo russische Militärs sich ukrainischer Kulturschätze bemächtigen. Man darf gespannt sein auf Eichhorns Biennale-Beitrag im Deutschen Pavillon, einem ehemaligen Repräsentationsbau der Nazis.

Für ihr Lebenswerk werden die deutsche Künstlerin Katharina Fritsch und die Chilenin Cecilia Vicuña mit dem Goldenen Löwen bedacht. "Fritschs Beitrag im Bereich zeitgenössische Kunst, besonders bei Skulpturen, ist unvergleichlich", sagte Biennale-Cheffin Alemani, die die Auszeichnung am Eröffnungstag der Kunst-Biennale überreichen will. Fritsch hat unter anderem mit ihrem "Rattenkönig" (1993) für Aufsehen gesorgt, eine gigantische Skulptur aus sechzehn schwarzen Ratten, deren Schwänze sich zu einem Knoten treffen. Die 59. Kunst-Biennale in Venedig läuft vom 23. April bis 27. November 2022.

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