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Pakistan Politik

Shamil Shams18. Januar 2013

Eine Revolution hat der Kleriker Tahir-ul Qadri in Pakistan nicht erreicht. Dennoch könnte die von ihm angeführte kurzlebige Massenrevolte eine positive Langzeitwirkung haben, meinen Beobachter.

Kleriker Tahir ul Qadri und Justizminister Farooq Naek. (Foto: EPA/W. KHAN)
Einigung zwischen Regierung und religiöser Bewegung in PakistanBild: picture alliance / dpa

Er kam, sah, marschierte, und verschwand wieder. Vier Tage lang hatte der pakistanisch-kanadische Kleriker Tahir-ul Qadri, Chef der weltweit operierenden religiösen Organisation "Weg des Korans", das öffentliche Leben in Pakistans Hauptstadt Islamabad lahmgelegt. Qadir hatte Zehntausende mit dem Versprechen mobilisiert, eine "Revolution" nach Pakistan zu bringen und die "korrupten" Politiker und Abgeordneten von ihren Posten zu verjagen. Konkret verlangten die Demonstranten den Rücktritt der von der Pakistanischen Volkspartei (PPP) gestellten Regierung und die Einsetzung einer "unparteiischen" Übergangsregierung, gestützt von der Armee und der Justiz. Qadri forderte auch Wahlrechtsreformen mit Blick auf die für Frühjahr geplanten Parlamentswahlen. Der Prediger untermauerte seine Forderungen mit der Drohung, das Parlament von seinen Anhängern stürmen zu lassen.

Die "Revolution" fand nicht statt

Am Montag (14.01.2013) begann die Belagerung des Parlaments in Islamabad, sie dauerte vier Tage. Viele der Pakistaner, die sich dem Protest anschlossen, erhofften sich so etwas wie einen arabischen Frühling in ihrem Land. Am Donnerstag (17.01.2013) verkündete der Prediger dann das Ende der Protestaktion, nachdem er fünf Stunden lang mit einem aus zehn Mitgliedern bestehenden Ausschuss verhandelt hatte, der von Ministerpräsident Raja Pervez Ashraf eingesetzt worden war.

Nach Ansicht von Beobachtern hat Qadri die meisten seiner Forderungen zurückgezogen - zur Enttäuschung seiner Anhänger, die drei Nächte lang in Kälte und Regen auf die "Revolution" gewartet hatten. Qadri habe mit seiner aufsehenerregenden Protestaktion nur wenig erreicht, hieß es.

Die Regierung machte keine Zugeständnisse. Sie sagte lediglich zu, das Parlament zu einem unbestimmten Zeitpunkt vor dem 16. März 2013 aufzulösen, so dass dann binnen 90 Tagen Neuwahlen abgehalten werden können. Die fünfjährige Legislaturperiode endet in diesem Jahr. Qadris Forderungen nach der Bildung einer Übergangsregierung in Absprache mit dem Militär und nach der Auflösung der Wahlkommission erfüllte die Regierung nicht.

Die Anhänger von Qadri freuen sich auf die EinigungBild: Reuters

"Tag des Sieges für das pakistanische Volk"

Dessen ungeachtet pries Qadri die Abmachung als Sieg für die Demonstranten. "Ich beglückwünsche euch. Heute ist ein Tag des Sieges für das pakistanische Volk. Geht ebenso friedlich nach Hause, wie ihr hierhergekommen seid", rief Qadri seinen Mitstreitern zu, nachdem er die Abmachung mit Premier Ashraf unterzeichnet hatte.

Beobachter hatten zunächst, als die Protestbewegung Qadris Fahrt aufnahm, die Möglichkeit eines Militärputsches nicht ausgeschlossen. Zusätzliche Nahrung erhielten diese Spekulationen am Montag (14.01.) durch den Strafbefehl des Obersten Gerichts gegen Premier Ashraf wegen Korruptionsvorwürfen. Im Lager der Pakistanischen Volkspartei (PPP) von Präsident Asif Ali Zardari herrscht die Meinung vor, dass die Justiz im Verbund mit der Armee und dem militärischen Geheimdienst ISI versuche, die Oberhoheit von Parlament und Zivilregierung zu untergraben. Im vergangenen Juni hatte das Oberste Gericht bereits Ashrafs Vorgänger, Yousuf Raza Gilani, des Amtes enthoben. Zuvor war Gilani der Missachtung des Gerichts für schuldig befunden worden.

Qadris Forderungen "nicht verfassungsgemäß"

Am Donnerstagmorgen (17.01.) setzte Qadri der Regierung die endgültige Deadline: bis zum frühen Nachmittag solle sie auf seine Forderungen reagieren. Er hatte zunächst darauf bestanden, nur mit Präsident Asif Ali Zardari zu verhandeln. Später willigte er jedoch ein, mit dem Ausschuss aus Mitgliedern der Regierung und der Opposition zu sprechen.

Viele Menschen in Pakistan haben sich dem Protest von Qadri angeschlossenBild: DW/ S. Raheem

Beobachter erklären Qadris Abrücken von seinen Forderungen damit, dass sich die wichtigsten Oppositionsparteien geweigert hatten, seine Protestaktion zu unterstützen und seine Forderungen als "nicht verfassungsgemäß" zurückgewiesen hatten. Die Oppositionsparteien ihrerseits forderten, die Regierung solle unverzüglich den Termin für die anstehenden Parlamentswahlen verkünden und bis dahin eine Übergangsregierung einsetzen. Diese solle mit allen politischen Parteien Konsultationen aufnehmen.

Wichtige Lektion für Pakistans Parteien

Manche Experten bewerten das Ergebnis nicht als komplette Niederlage Qadris. Immerhin sei es ihm gelungen, die Aufmerksam der Medien drei Wochen lang auf sich zu lenken.

" "Sein 'Marsch' hat den Kleriker zu einem maßgeblichen und sichtbaren politischen Akteur im Land gemacht", so die Aktivistin Nazish Brohi gegenüber der Deutschen Welle. "Er hat bewiesen, dass er eine ziemlich breite Basis an Unterstützern im Land hat. Das ist ein Zeichen dafür, dass es einen großen Willen zur Veränderung gibt. Manche Dinge, die Qadri sagte, haben vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen." Sie glaubt, dass dies eine wichtige Lektion für Pakistans politische Parteien sei. Diese hätten den Forderungen der Menschen bisher nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt.

Pakistans Machtverhältnisse in Bewegung

Wie viele andere Experten glaubt auch Nazish Brohi nicht an ein baldiges Ende der politischen Instabilität in Pakistan. "Die Machtbalance in Pakistan ist in den vergangenen fünf Jahren aus den Fugen geraten. Das aktuelle Chaos ist das Ergebnis eines Machtkampfs, an dem sich inzwischen alte und neue Akteure beteiligen. Das ist im Grunde nicht schlecht, weil das alte Machtgleichgewicht in Pakistan irrelevant geworden ist", kommentiert die Aktivistin.

Doch der demokratische Prozess werde noch einige Zeit brauchen, und er könne nur durch Wahlen ermöglicht werden, betont die Menschenrechtsaktivistin Tahira Abdullah. "Wir wissen, dass die politischen Führer korrupt sind, aber die Menschen können sie abwählen. Nur reguläre Wahlen können eine gute Regierungsführung sicherstellen."

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