Lichter Moment in der Krise
21. September 2009Kurz vor Toresschluss zeigte die Regierungskoalition aus CDU/CSU und Sozialdemokraten noch einmal Geschlossenheit. Trotz Wahlkampf brachte man ein schwieriges Gesetz auf den Weg, das nach Vorgaben des Bundesverfassungsgericht Deutschlands Verhandlungsfähigkeit in der EU sichern soll. Und im Haushaltsausschuss des Parlaments ließ man eiskalt die Opposition auflaufen. Die wollte der SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die missbräuchliche Nutzung ihres Dienstwagens und dem CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Verschwendung von Steuermitteln für externe Berater anlasten.
Politik des "Wie Du mir, so ich Dir"
Resigniert musste der liberale Oppositionsabgeordnete Jürgen Koppelin feststellen, dass die Koalition geschlossen "mauere". Es scheine zu gelten: "Haust Du nicht auf meinen Minister Guttenberg, dann hau´ ich auch nicht mehr auf Deine Ministerin Schmidt".
Überhaupt war nicht unbedingt zu erwarten, daß die schwarz-rote Koalition aus Union und SPD die gesamte Legislaturperiode überstehen würde. Sie könne doch nicht im Ernst annehmen, dass die Sozialdemokraten eine Regierung unter ihrer - Angela Merkels - Führung akzeptieren würden. Das rief Gerhard Schröder seiner Nachfolgerin noch am Wahlabend im September 2005 zu. Doch die Vernunftehe kam zustande.
Ihre härteste Bewährungsprobe bestand sie während der Bankenkrise, zu deren Zustandekommen deutsche Regierungen mit der Zulassung von sogenannten "innovativen" Finanzprodukten allerdings selbst ihr Scherflein beigetragen hatten.
Lob vom Bundespräsidenten
Anerkennung für das Krisenmanagement gab es von einem Finanzfachmann, dem früheren IWF-Chef und heutigen Bundespräsidenten Horst Köhler: "Die Regierung hat richtig, schnell und in der Dimension angemessen gehandelt hat."
Notgedrungen stellten die Koalitionäre ihre ideologischen Vorbehalte zurück, die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag erwies sich als vorteilhaft: So wurden Konjunkturpakete, Bankenrettungsschirm, Begrenzung der Managergehälter, sogar die Verstaatlichung einer systemrelevanten Immobilienbank auf den Weg gebracht.
Ansonsten litt das Regierungsbündnis darunter, dass sich jeder Partner vor allem für die nächsten Wahlen in Stellung bringen wollte. Angela Merkels publikumswirksame Auftritte auf den roten Teppichen dieser Welt ärgerten die Sozialdemokraten, die auch ihre Zuständigkeit für die Außenpolitik in Gefahr sahen.
Grauschleier über der Koalition
Neid auf Erfolge des anderen, ideologische Scharmützel, Gerangel um Kompetenzen und personelle Fehlgriffe - wie der unglückliche Wirtschaftsminister Michael Glos - legten sich wie ein Grauschleier über die Koalition. Das einzige wirklich großes Reformprojekt der Koalition, nämlich die Gesundheitsreform, ist zwar pro forma abgeschlossen. Doch der Versuch, die gesetzliche Krankenversicherung und damit das Gesundheitswesen auf solide finanzielle Grundlagen zu stellen, scheiterte. Eine dringend notwendige Steuerreform wurde weiter verschoben, was besonders den Chef der oppositionellen Liberalen, Guido Westerwelle, ärgert. Der erklärte im Bundestag spöttisch, von der Regierung bleibe vielleicht die 5 Milliarden schwere Abwrackprämie für schrottreife Autos übrig, mehr sei nicht zustande gekommen.
Eine oppositionstypische Übertreibung, denn Schwarz-Rot setzte einige Zeichen für die Zukunft: In der Familienpolitik mit der Einführung eines 14-monatigen Elterngeldes als Lohnersatz, und mit dem Ausbau der Kinderbetreuung. Die bessere Integration von Zuwanderern und der Dialog mit muslimischem Mitbürgern trägt die Handschrift der Union, ebenso wie die härtere Gangart in der inneren Sicherheit. Die umstrittene Einführung der Rente mit 67 geht vor allem auf das Konto der SPD, auch die Festsetzung von Mindestlöhnen für einige Branchen.
Die Gewinnerin heißt Angela Merkel
Die Bilanz der Großen Koalition ist besser als ihr Ruf. Doch weitere vier Jahre Vernunftehe will keine der beiden großen Parteien. Sie wolle Deutschland am liebsten mit der FDP aus der Krise herausführen, erklärt die Kanzlerin: " Wir sollten einen Regierungswechsel schaffen, ohne dass ich sage, dass die Große Koalition nicht gut gearbeitet hätte."
Für die Christdemokratin Angela Merkel haben sich die vier Jahre gemeinsamen Regierens mit den Sozialdemokraten auf jeden Fall gelohnt. In allen Umfragen liegt sie weit vor ihrem sozialdemokratischen Herausforderer, es winken vier weitere Jahre Kanzlerschaft, mit welchem Koalitionspartner auch immer.