Bill Gates und der Mythos vom "guten Milliardär"
3. Februar 2025Die Entstehungsgeschichte von Microsoft ist in den Medien unzählige Male erzählt worden, seit der Gründer Bill Gates in den 1980er-Jahren erstmals ins Licht der Öffentlichkeit trat.
Gates kam im Oktober 1955 zur Welt. Sein Vater war Anwalt und Veteran des Zweiten Weltkriegs, seine Mutter Lehrerin und erfolgreiche Bürgeraktivistin, die in den Vorständen von Banken und großen Unternehmen saß. Mit gerade mal 13 Jahren programmierte Bill sein erstes Videospiel. Die Eltern schickten den begabten Sohn auf eine private Schule in Seattle, wo er sich mit dem späteren Mitbegründer von Microsoft, Paul Allen, anfreundete. Später schrieb er sich an der Elite-Universität Harvard ein, brach das Studium aber ab, um 1975 zusammen mit Allen den späteren IT-Riesen "Microsoft" zu gründen.
In seiner Autobiografie lässt Bill Gates nun die Geschichte seiner frühen Jahre Revue passieren: "Source Code: Meine Anfänge" erscheint am 4. Februar dieses Jahres. Schon im Vorfeld der Veröffentlichung verriet der Tech-Milliardär, dass es in dem Buch unter anderem um seine Außenseiterrolle als Kind geht und darum, wie er als rebellischer Teenager mit seinen Eltern aneinandergeriet. Und natürlich um die Herausforderungen, die es mit sich brachte, die Schule abzubrechen, "um auf eine Branche zu setzen, die es noch gar nicht gab".
Gates hat auch angekündigt, dass zwei weitere Bücher geplant sind. Eines wird sich seiner Zeit als Microsoft-Geschäftsführer widmen, das andere seiner späteren philanthropischen Tätigkeit als Leiter der Gates-Stiftung.
Nur eine weitere Marketing-Strategie?
Der Verlag bezeichnet die Autobiografie als ein "weises, warmherziges und aufschlussreiches" Buch, aber der US-amerikanische Enthüllungsjournalist Tim Schwab hält es für eine weitere "Marketing- und Branding-Strategie" eines Reichen und Mächtigen.
Schwab ist der Autor eines kritischen Werks über den Microsoft-Gründer. Der Titel: "Das Bill-Gates-Problem: Der Mythos vom wohltätigen Milliardär" (2023). "Während andere Milliardäre unverhohlen egoistisch sind, hat Bill Gates immer versucht, sich als selbstloser Menschenfreund und guter Milliardär zu präsentieren", so Schwab gegenüber der DW. "Es gibt nur sehr wenig, was wir nicht schon über Bill Gates' persönliche Geschichte wissen, und es gibt fast nichts in dem Buch, was neu oder aufschlussreich ist."
Ein Detail sorgte jedoch kürzlich für Schlagzeilen: Gates beschreibt sich in seinen Memoiren selbst als "kompliziertes Kind", er sei sozial wenig kompetent gewesen. "Wenn ich heute aufwachsen würde, würde bei mir Autismus diagnostiziert", vermutet der Tech-Milliardär. Diesem Thema widme Gates etwa eine halbe Seite ganz am Ende des Buches, so Tim Schwab. Aber selbst dieses eine neue Detail sei "nicht besonders durchdacht oder reflektiert" beschrieben.
"Ich spreche viel mit führenden Politikern der Welt"
Dank Microsoft wurde Gates 1995 zum reichsten Mann der Welt und hielt sich nach Schätzungen des Magazins Forbes bis 2008 an der Spitze. Dann zog er sich aus dem Unternehmen zurück, um sich seiner gemeinnützigen Stiftung "Gates Foundation" zu widmen.
Andere Tech-Milliardäre wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg haben ihn in der Forbes-Rangliste mittlerweile überholt. Doch finanzielle Sorgen muss sich Gates deswegen nicht machen. Sein Nettovermögen ist seit 2008 kontinuierlich gewachsen, selbst wenn man die Inflation berücksichtigt. Heute, im Alter von 69 Jahren, besitzt er rund 107 Milliarden Dollar (102,5 Milliarden Euro) und steht damit auf Platz 13 der reichsten lebenden Menschen.
Gates genießt in der Öffentlichkeit einen weitaus besseren Ruf als seine Mitstreiter aus der Tech-Branche. Die Kombination aus Reichtum, Beziehungen und positivem Image hat Gates einen nahezu beispiellosen Zugang zu Entscheidungsträgern weltweit verschafft, darunter 2023 ein Treffen mit Xi Jinping oder kürzlich ein dreistündiges Abendessen mit dem US-Präsidenten Donald Trump.
Während des Dinners, so Gates, habe er mit Trump über mögliche Heilmittel für Aids und Kinderlähmung gesprochen. "Ich glaube, wir waren beide ziemlich begeistert", sagte er dem "Wall Street Journal".
"Da die Stiftung in diesen globalen Gesundheitsfragen so engagiert ist, spreche ich viel mit führenden Politikern der Welt. In den letzten Monaten habe ich mit (Frankreichs) Präsident Macron und Ursula von der Leyen (Präsidentin der Europäischen Kommission) gesprochen", so Gates weiter.
Ernährungsprogramm in Afrika gescheitert
Die Gates-Stiftung hat diese Kontakte genutzt, um in verschiedenen Teilen der Welt umfangreiche Mittel in die Bekämpfung von Krankheiten und Hunger zu stecken. Tim Schwab schreibt in seinem Buch jedoch, dass die Ergebnisse oft weit hinter den verkündeten Zielen zurückblieben.
Besonders umstritten ist die Arbeit der Stiftung in Afrika, wo Gates' Organisation Berichten zufolge fast eine Milliarde Dollar in das 2006 gestartete AGRA-Programm ("Allianz für eine grüne Revolution in Afrika") gesteckt hat. Ziel war es, die landwirtschaftlichen Erträge mit chemischem Dünger und Hybrid-Saatgut zu verdoppeln und bis 2020 sowohl den Hunger als auch die Armut in 13 afrikanischen Ländern zu halbieren. Diese Frist ist nicht eingehalten worden. Nach einer im Juni 2020 veröffentlichten Studie ist die Zahl der Hungernden in den Schwerpunktländern sogar um 30 Prozent gestiegen.
Im August 2024 forderten mehrere afrikanische Glaubens-, Landwirtschafts- und Umweltorganisationen öffentlich Wiedergutmachung von der Gates-Stiftung. In einem offenen Brief riefen sie die Stiftung und ihre Verbündeten dazu auf einzugestehen, dass ihre Bemühungen "gescheitert sind". "Ihre Interventionen treiben Afrikas Nahrungsmittelsystem weiter in Richtung eines im Sinne großer Konzerne organisierten Modells industrieller Landwirtschaft, was das Recht unserer Menschen auf Ernährungssouveränität schmälert und die ökologische und menschliche Gesundheit bedroht", so die Unterzeichner des Briefes.
Die afrikanischen Staatsoberhäupter beschuldigen die Organisatoren hinter AGRA, "teure synthetische Mittel" zu fördern, die den Boden vergiften und verhärten, lokale Ökosysteme destabilisieren und "Kleinbauern der Gnade schwankender Weltmarktpreise ausliefern, um ihre Erträge zu sichern".
Da die Gates-Stiftung jedoch auch Forscher und Interessengruppen finanziert und eng mit Entscheidungsträgern in Afrika zusammenarbeitet, haben Kritiker einen schweren Stand.
Wegbereiter für Musk
Tim Schwab erinnert daran, dass Gates immer noch ein "privater Investor ist, der ein großes Interesse daran hat, sein Vermögen zu vergrößern". "Wenn er mit jemandem wie Donald Trump oder einer anderen gewählten Führungspersönlichkeit spricht, denkt er auch an sein Privatvermögen, an seine eigenen privaten Interessen. Und dann muss er auch an die Interessen der Gates-Stiftung denken, die vom Steuerzahler stark subventioniert wird", fügt der Journalist und Autor hinzu.
Gates ist durch Regierungsaufträge für Unternehmen, die mit seinem Imperium in Verbindung stehen, und durch Spenden an Politiker oder Politikerinnen - wie die 50-Millionen-Dollar-Spende an Trumps Konkurrentin Kamala Harris -, eng mit Entscheidungsträgern verbandelt.
"Jahrelang hat Gates die Machtstellung extremen Reichtums in der Demokratie normalisiert und legitimiert, zumindest in der US-amerikanischen Politik. Jemand wie Elon Musk könnte einen weiteren Schritt tun und eine neue Entwicklung in dieser Art von Oligarchie einleiten. Aber meiner Meinung nach sind sie Teil derselben Geschichte", sagt Schwab und ergänzt: "Ich glaube, dass Bill Gates der Wegbereiter für Männer wie Elon Musk ist."
Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords