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Politik

Hayton: "Die Südostasiaten wollen China kontrollieren"

29. März 2018

Die ASEAN und China kündigten für März 2018 Verhandlungen über einen Verhaltenskodex für das Südchinesische Meer zu beginnen. Die DW fragte den Asienexperten Bill Hayton, warum die Verhandlungen nicht vorankommen.

China Konflikt im Südchinesischen Meer Spratly Inseln
Bild: Reuters/U.S. Navy

Auf dem 31. ASEAN-Gipfel in Manila kündigten die Volksrepublik China und der Verband Südostasiatischer Staaten an, Anfang März 2018 mit den Verhandlungen über das "Kleingedruckte" eines Verhaltenskodex für das Südchinesische Meer zu beginnen. Beobachter waren vorsichtig optimistisch, denn die Geschichte des Verhaltenskodex ist eine Geschichte der Verzögerungen. Erste Verhandlungen begannen vor 23 Jahren. Auch der Termin im März 2018 haben die Konfliktparteien ungenutzt verstreichen lassen.

Deutsche Welle: Wie ist die aktuelle Lage im Südchinesischen Meer?

Bill Hayton: Die derzeitige Situation im Südchinesischen Meer ist verhältnismäßig stabil, und zwar in dem Sinne, dass es eine Reihe von Inseln, Riffen und Felsen gibt, die von verschiedenen Konfliktparteien besetzt sind, ohne dass eine Partei versucht, irgendeine andere von diesen besetzten Inseln zu vertreiben. In einem Satz: Aktuell gibt es keine handfesten Auseinandersetzungen.

Der Konflikt konzentriert sich aktuell auf Regionen, in denen es möglicherweise Öl- oder Gasreserven gibt. China versucht, diese Areale unter Kontrolle zu bringen bzw. die südostasiatischen Länder davon abzuhalten, die Rohstoffe auszubeuten. Keine Bohrungen, kein Prospektieren, keine Ausbeutung der Fischbestände.

China hat dazu künstliche Inseln und Militärbasen auf den Spratly-Inseln gebaut. So kann es seinen Einfluss geltend machen: Schiffe und Helikopter und möglicherweise Flugzeuge sind dazu da, um die genannten Areale zu kontrollieren. Aber, wie gesagt, momentan gibt es keine physischen Zusammenstöße, allerdings gibt es eine wachsende Dominanz Chinas durch Präsenz.

Wenn die Situation mehr oder weniger stabil ist, stellt sich die Frage, wozu man überhaupt einen Verhaltenskodex braucht.

Die Länder Südostasiens sind überzeugt, dass China sehr langfristig denkt. Die ersten Bemühungen um einen Verhaltenskodex gehen zurück auf das Jahr 1995. Damals - vor 23 Jahren - besetzte China das Mischief Reef, ein Riff, das relativ nah an den Philippinen liegt. Anfangs bauten sie dort ein paar Bambushütten auf Pfählen. Heute ist das Mischief Reef eine künstliche Insel mit einem drei Kilometer langen Rollfeld, Bunkern, Radartürmen usw. Das zeigt, dass China sehr langfristig plant. Die Sorge der Südostasiaten ist, dass China nicht aufhört, bis es jeden Felsen im Südchinesischen Meer unter Kontrolle hat, um den alleinigen Zugriff auf die Ressourcen zu haben.

Deswegen bemühen sich die Staaten darum, Chinas Verhalten mithilfe eines Verhaltenskodexes zu kontrollieren. China soll den status quo akzeptieren und von weiteren Vorstößen absehen. Aber natürlich möchte China sich keine Fesseln anlegen lassen. Und das ist der Grund, warum die Verhandlungen über einen Verhaltenskodex sich schon so lange hinziehen.

Aus Sicht eines Beobachters: Wie sähe ein praktikabler Verhaltenskodex aus?

Der Schlüssel aus meiner Sicht ist, dass alle Seiten die Gewissheit haben müssen, dass es keine weiteren Besetzungen von Inseln gibt. Es gibt immer noch eine Reihe von unbesetzten Felsen und Sandbänken. Am bekanntesten ist wahrscheinlich Scarborough Shoal vor der Küste der Philippinen. Der Verdacht, dass China hier eine weitere Militärbasis bauen will, wodurch es den ganzen östlichen Teil des Südchinesischen Meeres kontrollieren könnte, ist weit verbreitet. Also, das erste wäre: Keine weiteren Besetzungen und jeder akzeptiert den status quo.

Der zweite Punkt wäre die Anerkennung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UNCLOS) und die Anwendung auf das gesamte Südchinesische Meer. Das würde auch bedeuten, dass die Staaten Südostasiens das Recht hätten, das Öl, das Gas und den Fisch vor ihrer Küste auszubeuten. Allerdings wird China sich dem entgegenstellen.

Bill Hayton, Asienexperte bei Chatham HouseBild: Nick Strugnell

Wie kann sich das Vertrauen, das Sie gerade erwähnt haben, unter diesen Umständen entwickeln?

Es gibt durchaus Dinge, die man tun kann. Zum Beispiel könnte man um bestimmte Regionen des Meeres eine Linie ziehen und sich innerhalb dieser Bereiche auf eine Zusammenarbeit einigen. Es wäre möglich, die Gruppe der Spratly-Inseln so zusammenzufassen und sich darauf zu einigen, dass die Fischbestände hier im höchsten Maße bedroht sind und diese deshalb geschützt werden müssen. Alle Parteien könnten sich auf ein Fischereiverbot während der Paarungszeit einigen. Davon unberührt wären Fragen nach den Rechten an den Öl- und Gasvorkommen. Man könnte das später getrennt diskutieren. Auf Basis dieser Kooperation könnten dann weitere Felder der Zusammenarbeit erschlossen werden.

Das Problem ist natürlich, dass eine Einigung zum Schutz der Fischbestände vergleichsweise leicht ist, denn diese erholen sich mit der Zeit. Wenn wir aber über Öl und Gas sprechen, ist es so, dass jedes Land diese Ressourcen nur einmal ausbeuten kann und dann sind sie verloren.

China ist in der Region ohne Zweifel der mächtigste Akteur. Was könnte ein Anreiz für China sein, seinen Machtanspruch zu beschränken?

Das führt uns zur Fragen der globalen Ordnung. Man könnte auf die Präsenz der USA und Japans verweisen. Deren Position lautet: Wir lassen China in Ruhe, wenn es die Regeln akzeptiert; und wenn China die Regeln nicht akzeptiert, werden wir es nicht in Ruhe lassen. Und als Präsident Donald Trump ins Amt kam, sah es so aus, dass dies der Ansatz der USA gegenüber Chinas sein könnte, also, dass die USA China tatsächlich Ärger bereiten würde, wenn es den status quo im Südchinesischen Meer nicht respektiert. Ich weiß nicht, ob diese Diskussionen tatsächlich in der Trump-Regierung geführt wurden, aber das waren die Zeichen, die sie gesendet hat.

Wenn China den Territorialkonflikt mit den südostasiatischen Nachbarn lösen würde, gäbe es auch einen Grund weniger für die USA, sich in der Region zu engagieren. Die Argumentationen aufgrund der Bedrohung der Freiheit der Schifffahrt und der regelbasierte Weltordnung fielen weg. Vielleicht würden die USA ihre Präsenz in der Region reduzieren, was Chinas Sicherheitsbedürfnis entgegenkäme.

Die entscheidende Frage ist, ob die chinesische Regierung erkennt, dass ihr die Akzeptanz der aktuell geltenden Regeln langfristig zugutekommt, ob China begreift, dass es mit der Anerkennung die Spannungen reduzieren und seinen Nachbarn signalisieren würde, dass es keine Bedrohung ist. Meiner Ansicht nach wäre das für China ein echter Gewinn. Aber die chinesische Führung sieht das anders. Sie ist überzeugt: Das Südchinesische Meer ist unser Territorium und niemand darf uns das wegnehmen. China denkt in territorialen Kategorien. Das ist das eigentliche Problem.

Das Interview führte Rodion Ebbighausen.

Bill Hayton ist Asienexperte der britischen Denkfabrik Chatham House. 2014 veröffentlichte er ein Buch über die Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer. Bill Hayton: The South China Sea. The Struggle for Power in Asia.