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Billige Arbeitskräfte für Deutschland?

Dirk Kaufmann21. Februar 2013

Leiharbeit ist in Deutschland nach wie vor ein höchst umstrittenes Arbeitsmarktmodell. Die Massenarbeitslosigkeit in Süd- und Osteuropa könnte diesen Konflikt hierzulande noch verschärfen.

Eine Mitarbeiterin der Versandabteilung des Amazon Logistikzentrums in Pforzheim (Baden-Württemberg) verpackt am 11.12.2012 Waren in ein Paket. Das Weihnachtsgeschäft von Amazon läuft auf Hochtouren, auch das neue Logistikzentrum in Pforzheim mischt kräftig mit. Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa
Deutschland Wirtschaft Versandhandel Amazon Logistikzentrum in PforzheimBild: picture-alliance/dpa

Zeit- oder Leiharbeit gibt es schon lange. In der Landwirtschaft etwa, wo Saisonarbeiter helfen, die Ernte einzubringen – für die es aber zehn Monate im Jahr keine Arbeit gibt. Johannes Jakob, Experte für Arbeitsmarktpolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hat deshalb gegen das Arbeitsmodell "Leih- oder Zeitarbeit" keine prinzipiellen Einwände. Für ihn gibt es auch eine "sinnvolle Leiharbeit, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn kurzfristig Personal benötigt wird." Ein Problem sei Leiharbeit vor allem dann nicht, "wenn Menschen in Leiharbeit langfristig beschäftigt sind", sagte er im Gespräch mit der DW.

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Das sei aber längst nicht immer der Fall. Immer häufiger diene Leiharbeit den Arbeitgebern nur dazu, über Arbeitskräfte leichter verfügen und nach dem Hire-and-Fire-Prinzip vorgehen zu können. Leiharbeiter würden dann nur kurzfristig angeheuert und so schnell wie möglich wieder entlassen: "Das ist eigentlich nicht der Sinn der Sache."

Das europäische Wohlstandsgefälle

Besonders im Fall des Online-Kaufhauses Amazon, der zu hitzigen Diskussionen und Boykott-Aufrufen gegen den Versandhändler geführt hat, ist das zu beobachten. In diesem Fall waren hauptsächlich ausländische Arbeiter, zum Beispiel aus Spanien, betroffen. Dennoch könne man, so Johannes Jakob vom DGB, nicht pauschal sagen, dass ausländische Arbeitnehmer stärker betroffen seien als einheimische. Denn Anwerbungen im Ausland seien relativ teuer für die Arbeitgeber und daher für sie nicht attraktiv. Das gebe es nur in Ausnahmefällen, "die besonders bei Saisonspitzen wie dem Weihnachtsgeschäft auftreten."

Werner Eichhorst, Arbeitsmarktforscher am Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn, sieht aber als Folge der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU eine Tendenz, dass immer mehr Nicht-Deutsche auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen. Freizügigkeit bedeutet, dass seit zwei Jahren jeder EU-Bürger in jedem EU-Land arbeiten darf. Der DW gegenüber sagte er, dass es seit 2011 zu einer stärkeren Zuwanderung gekommen sei.

Leih- oder Zeitarbeit sei besonders für ungelernte Arbeiter oder für Jobsuchende ohne Sprachkenntnisse attraktiv, sagt Werner Eichhorst. Auf diesem Arbeitsmarkt hätten sie eher ein Chance, eine Anstellung zu finden und hier seien sie überdurchschnittlich häufig vertreten.

Schätzungen statt Zahlen

Genaue Zahlen aus dem Bereich Leiharbeit, weiß Gewerkschafter Jakob, sind aber nicht leicht zu bekommen. Der DGB schätzt die Zahl der Zeitarbeiter deutschlandweit auf etwa 900.000. Und davon, so Jakob, "dürften nach unseren Schätzungen weniger als 100.000 ausländische Arbeitskräfte sein." Dabei sei der DGB auf Schätzungen angewiesen, weil Arbeiter, die aus einem EU-Land stammen, im Zuge der Freizügigkeit wie deutsche Arbeitnehmer angesehen und nicht extra gezählt würden.

Obwohl es keine genauen Zahlen gibt, die Tendenz ist nicht zu übersehen: Je schlechter es den Menschen in den Staaten am Süd- oder Ostrand der Europäischen Union geht, desto eher kommen sie ins aus ihrer Sicht reiche Deutschland, um hier zu arbeiten. Und finden hier, wie Arbeitsforscher Eichhorst beobachtet hat, am ehestens als Leih- und Zeitarbeiter einen Job.

Macht und Ohnmacht der Gewerkschaften

Die deutschen Gewerkschaften würden, so Jakob, auch die Interessen dieser ausländischen Arbeitnehmer vertreten wollen, aber das sei nicht einfach. Das liege zum einen daran, dass die ausländischen Leiharbeiter immer nur kurze Zeit in Deutschland sind – in der Regel nicht länger als drei Monate. Und zum anderen daran, dass sie in der Regel nicht Deutsch sprechen. Sprachschwierigkeiten führten dazu, dass sich "eine ausländische Arbeitskraft nicht an die deutsche Gewerkschaft wendet."

Arbeitsmarktexperte Werner EichhorstBild: IZA

Außerdem seien den Gewerkschaften oft die Hände gebunden, weil es ihnen an der nötigen Infrastruktur fehlt. Jakobs beklagt das Fehlen von Betriebsräten und gewerkschaftlichen Vertrauensleuten in den Betrieben, die in großer Zahl Leiharbeiter beschäftigen.

Arbeitsmarktforscher Eichhorst ist ebenso wie Gewerkschafter Jakob der Ansicht, dass Leiharbeit unter Umständen sinnvoll sein kann. Den Arbeitgebern, die das Modell nur nutzen um Löhne drücken und Arbeiter ausbeuten zu können, könne man nämlich relativ leicht das Wasser abgraben. Die Leiharbeit würde für Arbeitgeber an Attraktivität verlieren, wenn Leih- und Zeitarbeiter in etwa gleich gut bezahlt würden wie festangestellte Mitarbeiter.

Das sieht der DGB ganz genauso. Johannes Jakob bestätigt, dass die Gewerkschaften bereits daran arbeiten: "Insbesondere versuchen wir, dass die Löhne angeglichen werden." Wenn Leiharbeiter genauso viel kosten wie Festangestellte, "dann geht auf Dauer auch die Leiharbeit zurück."

Gesellschaftliche Herausforderung

Trotz aller Anstrengungen: Die Lage von Leiharbeitern kann nicht von heute auf morgen verbessert werden, räumt Johannes Jakob vom DGB ein. Vor allem aber könnten die Gewerkschaften allein das Problem nicht lösen. Es müsste ein allgemeines Bewusstsein geschaffen werden, das sagt: "Wir als Gesellschaft können nicht akzeptieren, dass so mit Menschen umgegangen wird."

Auch Werner Eichhorst vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit sieht die Gesellschaft in der Pflicht. Jeder könne etwas dazu beitragen, dass Ausbeutung und unwürdige Behandlung von Arbeitnehmern nicht mehr vorkommen. Denn: Jeder ist auch Konsument und hat als solcher eine gewisse Macht. Wenn der Kunde sich fragen würde, warum dieses oder jenes so billig ist, und erfährt, dass es auch daran liegt, dass Arbeitnehmer ausgebeutet und unwürdig behandelt werden, könnte er sich ja "einen anderen Anbieter suchen". So könnte jeder durch seine Konsumentscheidungen dazu beitragen, dass auch in der Leih- und Zeitarbeit faire Löhne gezahlt werden.

Der DGB kämpft für Mindestlöhne in allen BranchenBild: dapd
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