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Biokraftstoffe, die umstrittenen Klimaretter

Insa Wrede11. Juni 2014

Biokraftstoffe - der Hype ist vorbei, die Politik setzt trotzdem noch auf sie. Ab 2015 soll mittels einer Treibhausgasquote für Biokraftstoffe wirklich CO2 eingespart werden. Die Branche schlägt Alarm.

Rapsblüten
Bild: DW/I. Wrede

Bis vor kurzem haben die vielen Rapsfelder in Deutschland noch weithin sichtbar in strahlendem gelb geleuchtet. Inzwischen sind sie in unscheinbares grün übergegangen. Nur noch vereinzelte Blüten lassen von der einstigen Pracht etwas ahnen. Dafür reifen jetzt in den Ähren die schwarzen Rapssamen heran. Der Urstoff für Biodiesel. Von ihm hatte man sich lange Zeit viel erhofft. Immerhin werden knapp 30 Prozent der Treibhausgase in Deutschland durch den Verkehr verursacht. Daher soll auch dieser Bereich grüner werden. Kraftstoffe aus Pflanzen, darunter auch Biodiesel, können Kraftstoff aus Erdöl ersetzten und helfen die Treibhausgase zu reduzieren.

Um die Produktion von Biokraftstoffen zu fördern, wurden sie 2002 von der Mineralölsteuer befreit. "Das führte dann zu absurden Blüten. Riesige Mengen Raps wurden in Deutschland angebaut, um daraus Agrodiesel zu gewinnen", erzählt Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND. Während 2000 in Deutschland etwa 340.000 Tonnen Biodiesel verbraucht wurden, waren es 2007 schon 3,3 Millionen Tonnen. Erst schnellte der Biodieselabsatz in die Höhe, später wurde Ethanol dem fossilen Treibstoff beigemischt. Weltweit setzten Landwirte verstärkt auf die Produktion von Soja, Mais, Getreide oder Zuckerrüben, die dann zu Ethanol verarbeitet wurden. Getrieben durch die große Nachfrage aus Europa und auch aus anderen Ländern, wie die USA oder Brasilien, die auf Biokraftstoffe im Verkehr umschwenkten. So hat sich insgesamt in den letzten zehn Jahren die globale Produktion von Biokraftstoffen verfünffacht.

Jens HilgenbergBild: Jens Hilgenberg

Treibhausquote statt Steuerbefreiung

Heute ist die Euphorie abgeklungen. Die Steuerbefreiung von Biokraftstoffen wurde schrittweise zurückgenommen, dafür mussten bestimmte Mengen an Biokraftstoffen dem herkömmlichen Benzin beigemischt werden. Außerdem müssen die Hersteller von Biokraftstoffen seit Anfang 2011 nachweisen, dass sie nachhaltig produzieren. Es dürfen also keine Regenwälder für Biokraftstoffe gerodet werden. Anfang nächsten Jahres soll nun auch die Beimischungsquote fallen.

Künftig müssen Agrarkraftstoffe tatsächlich die Klimabilanz verbessern und mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgasemissionen verursachen als fossile Treibstoffe. "Das heißt, man schaut sich den gesamten Produktionsprozess an: von der Düngung der Pflanzen, über den Transport bis zur Produktion des Biokraftstoffs. Dann werden alle Emissionen addiert. Die Summe vergleicht man dann mit einem fossilen Referenzwert und da müssen Biokraftstoffe mindestens 35 Prozent besser sein", erklärt Frank Brühning vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie. "Im Augenblick ist es so, dass Biodiesel und Bioethanol sogar schon 50 bis 60 Prozent besser sind als fossiler Kraftstoff."

Biodiesel aus Rapssamen - wie viel CO2 läßt sich wirklich einsparen?Bild: DW/I. Wrede

Absatzeinbrüche befürchtet

Trotzdem macht sich in der Biokraftstoffbranche eine gewisse Unruhe breit, da ihr Wohlergehen stark von der Politik abhängt. Außerdem sei auch noch nicht klar, wie genau dieses System mit der Treibhausquote aussehe, beklagt sich Dominik Baum, Geschäftsführer der Ölmühle Thywissen. Es ist eine der größten europäischen Ölmühlen, die auch Rapssamen zu Biodiesel verarbeitet. "Der Ölmühlenverband hat Berechnungen angestellt, dass wir einen Einbruch im Biodiesel haben werden von 50 Prozent, wenn alles so umgesetzt wird, wie es im Moment in der Diskussion ist. Und das ist natürlich ein erheblicher Anteil."

Dominik BaumBild: DW/I. Wrede

Teller gegen Tank

Der Weg vom Klimaretter zum Buhmann begann 2007. Damals brachen in verschiedenen Teilen der Welt Hungerepidemien aus. Die Übeltäter waren schnell gefunden: Biokraftstoffe. Statt als Lebensmittel auf dem Teller zu landen, würden Getreide, Mais und andere Pflanzen im Tank verfeuert und so auch noch die globalen Preise für Nahrung in die Höhe treiben, so der Vorwurf. Zudem sei die Klimabilanz der Agrarkraftstoffe auch nicht so gut wie ursprünglich gedacht, unter anderem weil im landwirtschaftlichen Anbau Düngemittel auf Erdölbasis benutzt werden.

Die Biokraftstoffbranche hält dagegen. Weltweit würden nur bis zu 3,5 Prozent der Agrarfläche für Biokraftstoffe benötigt, argumentiert die Agentur für Erneuerbare Energien. Außerdem würden Preise kaum durch Energiepflanzen beeinflusst und der Hunger in der Welt würde vor allem durch eine fehlende oder schlechte Infrastruktur verursacht, was dazu führe, dass Nahrungsmittel nicht beim Verbraucher ankommen, sondern unterwegs vergammeln. Bei der Klimabilanz der Biokraftstoffe müsse man auch mitberücksichtigen, dass der Abbau von fossilen Rohstoffen unter immer schwereren Bedingungen stattfinde und immer mehr Energie benötige, sagt Brüning vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie. Vor allem aber sei die Herkunft der Agrotreibstoffe als nachhaltig zertifiziert.

Zertifizierung reicht nicht

Hilgenberg vom BUND gibt zu bedenken: "Die Zertifizierung besagt, dass dieser Treibstoff nur auf Flächen angebaut werden darf, die vorher landwirtschaftlich genutzt wurden." Es dürfe also kein Wald gerodet und kein Moor trockengelegt werden, um dort Energiepflanzen anzubauen. "Wenn aber Flächen, auf denen vorher Lebensmittel angebaut wurden, umgewidmet werden und dort dann Agrospritpflanzen angebaut werden, dann werden Lebensmittel und Futtermittel auf neuen Flächen angebaut, die vorher nicht landwirtschaftlich genutzt wurden." Und dann würden eben Moore oder Wälder zerstört. "Genau diese indirekte Landnutzungsänderung wird nach wie vor nicht ausreichend berücksichtig", sagt Hilgenberg. "Man muss nach wie vor davon ausgehen, dass es gar keine CO2 Einsparungen bringt."

Regenwald muss oft für Ackerflächen weichenBild: Reuters

Durch diese indirekte Landnutzungsänderung ergebe sich bei vielen Agrotreibstoffen sogar eine negative CO2 Bilanz, meint Hilgenberg und nicht - wie die Biokraftstoffbranche behauptet - CO2 Einsparungen von 50 bis 60 Prozent. Überhaupt hält er es für wichtiger, dass Autos effizienter werden, weniger Kraftstoffe verbrauchen und weniger Treibhausgase verursachen und dass weniger Autos überhaupt fahren, also der öffentliche Verkehr stärker gefördert wird. Darauf solle die Politik einen Schwerpunkt legen und nicht mit Biokraftstoffen das auszubügeln versuchen, was sie an andere Stelle versäumt habe.

Während die Biokraftstoffverbände weiter eifrig Lobbyarbeit betreiben, blickt Landwirt Christian Gladbach entspannter in die Zukunft. Er fürchtet vorerst keine Einbrüche beim Biodiesel. "Solange der Markt das nicht signalisiert, dass der Preis dadurch einbricht, werden wir weiter Raps anbauen. Für uns ist Raps eine hochwirtschaftliche Kultur. Und auch in unserer Fruchtfolge passt er vom System her hervorragend. Deswegen werden wir im Moment aus heutiger Sicht nicht die Fruchtfolge umstellen." Seine Feldfahrzeuge befährt er allerdings nicht mit Biodiesel, obwohl die Motoren darauf ausgelegt sind. Biodiesel sei eben einfach zu teuer, im Vergleich zu normalem Diesel.

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