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24. Juli 2007Butidma ist 7 Jahre alt. Ihre schwarzen Augen blitzen in dem runden Gesicht, die langen Zöpfe sind mit weißen Schleifen geschmückt. Sie wohnt noch nicht lange in Ulaan-Batar. Ihre Eltern sind Nomaden, die in der Westmongolei durch die Steppe ziehen. Um ihr eine gute Schulbildung zu garantieren, haben sie die Tochter zu Verwandten in die Hauptstadt geschickt. „Wir sind so weit weg vom nächsten Dorf und können unsere Kinder nicht zur Schule schicken, im Winter ist tiefer Schnee, kein Auto kommt zu uns durch.“ So wie Butimas Eltern lebt ein Großteil der Bevölkerung. Mit ihrer ganzen Habe ziehen sie durch die Steppe, ohne festen Wohnsitz, in einem ständigen Kampf mit der rauen Natur Zentralasiens, bei Temperaturen zwischen 25 Grad minus im Winter und 25 Grad plus im Sommer.
Mobile Lehrer in der Steppe
Die Mongolei ist eines der am dünnsten besiedelten Länder der Welt: 1,6 Menschen leben hier durchschnittlich auf einem Quadratkilometer Land. In Westeuropa sind es oft mehr als 200 Menschen. Mit dem Einzug des Kommunismus in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, kam die Bildung für alle. Heute können 97 Prozent aller Mongolen lesen und schreiben. Fast alle Kinder werden eingeschult, und die Mongolen sind sich einig: Bildung ist wichtig. Denn je schlechter die Ausbildung, desto weniger kann man vom Leben erwarten. Trotzdem brechen viele Schüler die Schule ab. Nur ein Teil der Kinder beendet die 10jährige Grundschule. Der Grund ist häufig die Armut vieler Nomadenfamilien. Zwar ist der Besuch der staatlichen Schulen in der Mongolei kostenlos, aber die Schulkleidung, Bücher und Hefte verschlingen trotzdem eine Menge Geld.
Außerdem brauchen die Familien oft Hilfe bei der Viehaufzucht. Viele Kinder hören mit der Schule auf, um zum kargen Lebensunterhalt beizutragen. „Drop-outs“ werden sie genannt. Rechnen, Lesen, Schreiben und Malen bringen ihnen so genannte „mobile“ Lehrerinnen bei, wie Batmaa in der Provinz Urhangai. Ihre Schule ist die Steppe und jede Jurte – das traditionelle Zelt der Nomaden – ein potentieller Klassenraum. Den meisten Schülern mache das Lernen Spaß, erzählt sie. Aber es sei nicht immer leicht, die Kinder zusammenzubringen. „Wenn sie ihre Aufgaben gut gemacht haben, kommen sie lächelnd zum Unterricht, aber wenn sie ihre Aufgaben nicht gemacht haben, verstecken sie sich, besonders die Jungs. Dann muss ich hinterher gehen und sie holen.“
Unterricht per Radio
Ein beliebter Bildungsweg bei den Nomaden ist auch das Radio, das in fast jeder Jurte läuft. Für ihren Strombedarf nutzen viele die Kraft der Sonne. Vor den Jurten liegen deshalb oft kleine Sonnenkollektoren auf dem Boden. Radio und Fernsehen sind oft die einzige Verbindung zur Außenwelt, besonders in den kalten Monaten der Winterlager.
Internationale Hilfsorganisationen wie UNESCO und UNICEF haben Kurs-Programme zu verschiedenen Themen entwickelt, die über das Radio verbreitet wurden. Davon müsste es noch viel mehr geben, sagt Enkhjargal, die Leiterin des Zentrums für Alternative Bildung in der Provinzhauptstadt Arvaiheer. „Die Leute fragen uns, wann es weitergeht. Aber wir haben kein Geld dafür. Deshalb können wir das nicht fortführen.“ Dabei werden Schulabgänger in der Mongolei dringend gebraucht.
Aber bitte praktisch
Zurzeit muss die Mongolei einen Großteil ihrer Konsumgüter importieren – aus China, Korea oder Russland. Dorther kommen auch die meisten Facharbeiter. Hätte das Land mehr eigene ausgebildete Kräfte, könnte einen Teil der benötigten Waren selbst hergestellt werden und die Mongolei wäre ein Stück selbstständiger.
Kostenlose Berufsschulen mit angeschlossenem Internat versprechen die Lösung. Doch sind sie nicht bei allen Mongolen beliebt, da hauptsächlich Kinder ärmerer Familien aus der Provinz angemeldet werden. Für sie sind die Schulen ein Segen. In der Berufsschule in Arvaiheer beispielweise studieren 850 Schüler, der Schwerpunkt liegt auf praktischem Unterricht. Der Leiter der Schule Sosorbaram ist stolz auf seine Schule, da seine Schüler nicht nur eine allgemeine Schulausbildung bekommen, sondern außerdem auch einen Beruf lernen. Sie würden so gut ausgebildet, dass sie sogar im Ausland arbeiten könnten, sagt er. Doch noch haben die Absolventen der Berufsschulen im eigenen Land genug zu tun.
Autorinnen: Bayarmaa Tudevrenchin und Nicola Reyk
Redaktion: Peter Koppen