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"Bis wir nicht mehr können!"

Dan Hirschfeld5. September 2015

Sie haben Angst, sie misstrauen den Behörden und sie hoffen auf ein sicheres Leben irgendwo in Europa. Eindrücke und Stimmen der Flüchtlinge in Ungarn, notiert von Dan Hirschfeld.

Ungarn: Flüchtlinge im Bahnhof Keleti in Budapest
Bild: DW/A. Martin/N.S. Marton

"Wir laufen weiter! So lange, bis wir nicht mehr können", sagt Mustafa. Er ist 24 Jahre alt, kommt aus Syrien und hat seine hochschwangere Freundin dabei. Die beiden sind zu diesem Zeitpunkt bereits 25 Kilometer zu Fuß gelaufen, vom Budapester Bahnhof Keleti bis zu einer Raststätte an der Autobahn in Richtung österreichischer Grenze. Bis dahin sind es noch fast zweihundert Kilometer. Mustafa und seine Freundin sind nicht allein. Mehr als 300 Flüchtlinge sind am Nachmittag im Budapester Zentrum aufgebrochen. Zuvor hatten viele von ihnen tagelang in der so genannten Transitzone des Bahnhofs gewartet. Auf dem harten Steinboden. Matratzen oder Decken hatten die wenigsten dort.

Die Polizei ist dort Streife gelaufen, aber keiner der Polizisten habe die Absicht gehabt, zu helfen. Sagen die Flüchtlinge. Mustafa hat von dem Zug gehört, mit dem mehrere hundert Menschen in Richtung Österreich und weiter nach Deutschland fahren wollten. Der wurde dann von der ungarischen Polizei angehalten. Auf freier Strecke. Stundenlang blieben die Menschen im Zug ohne Nahrung, ohne Wasser und ohne jede Information, wie es weiter geht.

In Ungarn bleiben und dort Asyl beantragen wollen Mustafa und seine Freundin auf keinen Fall. Er schüttelt nur mit dem Kopf. Den Behörden hier traue niemand mehr. Deshalb lehnt der Mann aus Syrien auch das Angebot des Roten Kreuzes ab, an der Raststätte zu übernachten. Und läuft weiter.

Das Misstrauen gegenüber den ungarischen Behörden sitzt auch in der Transitzone am Bahnhof Keleti tief. "I am a human being!" Dies hat eine Frau auf ein Pappschild geschrieben. "Ich bin ein Mensch!" Sie erzählt, dass ungarische Polizisten die Flüchtlinge anschreien, in der Sprache, die sie doch nicht verstehen. Dass auch die Flugblätter mit Informationen der Behörden nur in Ungarisch verteilt werden.

Das Rote Kreuz versucht an der Raststätte, den Menschen zu helfenBild: DW/D. Hirschfeld

Die Ungewissheit ist schlimm

Hunger und Durst, sagt die Frau, sind zu ertragen. Aber die Ungewissheit sei schlimm. Nicht zu wissen, ob und wann sie hier wegkommt. In das Land ihrer Träume, Deutschland. Und dann läuft sie mir, dem Reporter aus Deutschland, nach. Ich soll Frau Merkel grüßen, die Frau aus dem Fernsehen, die den Flüchtlingen helfen wolle. Und danach geht sie zurück zu ihrer kleinen Tochter, die auf einer Decke sitzt und malt.

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