1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Gesellschaft

Bistum Eichstätt: Kampf gegen Kontrollverlust

6. Februar 2018

Ein Betrüger-Duo hat offenbar etliche Millionen Euro des katholischen Bistums auf dem US-Kreditmarkt verzockt. Jetzt soll ein Betriebswirt die Finanzen übernehmen. Längst überfällig, sagt Kirchenrechtler Thomas Schüller.

Bistum Eichstätt - Finanzskandal
Bild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Bischof Gregor Maria Hanke trat nicht selbst vor die Presse an diesem Dienstag. Sein Stellvertreter, Generalvikar Isidor Vollnhals, sagte in Eichstätt: "Wir sind fassungslos, es ist Missbrauch des Vertrauens durch einen führenden Mitarbeiter." Erst am Montag hatte das Bistum bekannt gegeben, dass der Bischof im Sommer 2017 Anzeige gegen diesen Mitarbeiter und seinen Komplizen in den USA erstattet hatte - wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit.

Auf Betreiben der Beschuldigten - seit vergangener Woche sind sie in Untersuchungshaft - hatte das Bistum 60 Millionen Dollar (umgerechnet 48,2 Millionen Euro) gezahlt in Form von 31 Krediten "für dubiose Immobilien-Geschäfte in den Vereinigten Staaten", so formuliert es die Pressestelle des Bistums. Es ging dabei um Grundstücke, die in Texas und in Florida liegen sollen. Die Zahlungen erfolgten offenbar ohne ausreichende Sicherheiten.

Maßnahmen gegen den Verlust von Geld und Vertrauen

Der Rechtsanwalt des Bistums, Ulrich Wastl, sagte, noch lasse sich der genaue Verlust nicht beziffern. Bisher seien 21,5 Millionen Dollar fällig gewesen, davon seien aber erst knapp zwei Millionen Dollar zurückgeflossen. In den USA versuche man noch, Vermögenswerte zu sichern. Die Täter seien mit krimineller Energie und Täuschungsmanövern vorgegangen.

Man muss offenbar mit hohen Verlusten rechnen und sicher auch mit einem massiven Vertrauensverlust in das kirchliche Finanzgebaren. Die Wenigsten dürfte wohl trösten, dass Wastl anmerkte, so etwas komme auch "in der Welt da draußen vor", in der freien Wirtschaft. Die großen Kirchen sind zwar als große Arbeitgeber und auch unternehmerisch tätig, treten aber mit anderen ethisch-moralischen Ansprüchen auf und werden daran gemessen.  

"Das Bistum ist das Opfer", sagt Rechtsanwalt Ulrich Wastl (li.), er trat mit Generalvikar Isidor Vollnhals vor die PresseBild: picture-alliance/dpa/U. Wessels

Generalvikar Vollnhals sagte, jetzt helfe nur Ehrlichkeit, auch Bischof Hanke habe gesagt: "Wir vertuschen nichts, wir verheimlichen nichts, sondern wir sagen, wie es ist." Mit der Anzeige habe man sich auch den staatlichen Anforderungen gestellt. Isidor Vollnhals hatte selbst mit dem Mitarbeiter zu tun und zeigte sich persönlich enttäuscht. Er sagte: "Auch die Mitarbeiter der Kirche bestehen nicht nur aus Heiligen, weder der Klerus noch die anderen". Das ist keine neue Erkenntnis, auch nicht für die katholische Kirche:

Schon 2014 hatten sich alle katholischen Bistümer zu einer Transparenz-Initiative verpflichtet, nachdem der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst durch den extrem kostspieligen Umbau seiner Bischofsresidenz solange für Schlagzeilen gesorgt hatte, bis der Papst ihn von seinen Pflichten entband.

Zu lahme Konsequenzen aus dem Skandal im Bistum Limburg?

Auch das Bistum Eichstätt hat sich zu einer Transparenzoffensive verpflichtet, Vermögen und Bilanz sollen nach den Regelungen des Handelgesetzbuches (HBG) bewertet und erfasst werden, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde beauftragt. Der Finanzskandal flog erst auf, als unabhängige Experten die Unterlagen prüften.

Kirchenrechtler Thomas Schüller (Universität Münster): Kontrolle nur noch durch Rechts- und Finanzexperten Bild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

"In Eichstätt existierten offenbar keine ordentlichen Kontrollmechanismen" - so analysiert Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Universität Münster die Ereignisse in Eichstätt. Bei Finanztransaktionen in dieser Höhe müssten in einem Bistum in der Regel zwei Gremien zustimmen: der Diözesan-Vermögensverwaltungsrat und das Domkapitel. In Eichstätt sei der leitende Finanz- und Baudirektor zugleich der Vorsitzende des Domkapitels gewesen und "in wirtschaftlichen Fragen völlig unerfahren". Im DW-Interview fasst der Experte für Kirchenfinanzen zusammen: "Hier ist an Gesetz und Recht vorbei jemand ins Amt gekommen, der in der Sache keine Ahnung hat, zugleich in beiden Kontrollorganen den Vorsitz hat und damit sich selbst kontrollierte."

"Je südlicher, umso verschwiegener"

Er sei überrascht, dass das in Eichstätt noch passieren konnte. In vielen Diözesen und auch in evangelischen Landeskirchen sei das mittlerweile ganz anders: "Hier sitzen unabhängige Externe. Dann passieren diese Dinge nicht mehr." 

Insgesamt habe es aber bei der Transparenz-Initiative deutliche Fortschritte gegeben, in norddeutschen, ostdeutschen und westdeutschen Diözesen - vorbildlich etwa im Erzbistum Köln. "Je südlicher man kommt", sagt Schüller, "umso verschwiegener werden die Bistümer, mit Ausnahme München-Freisings. Aber die kleinen, alten, sehr wohlhabenden süddeutschen Diözesen sind noch nicht so weit vorangegangen."

Deutsche Besonderheit: Einnahmen durch die Kirchensteuer

Die beiden großen Kirchen in Deutschland, die katholische wie die evangelische, dürften zu den wohlhabendsten Kirchen weltweit zählen, sagt Kirchenrechtler Thomas Schüller. Das liegt daran, dass sie von allen Mitgliedern Kirchensteuer bekommen, die angedockt an die normale Einkommens- und Lohnsteuer "sichere Einnahmen generiert". In Eichstätt dürfte es um Rücklagen und Gewinne aus eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten gegangen sein.

Als wohlhabend darf bisher wohl auch Eichstätt gelten. Die gut 48 Millionen Euro, die in windige Immobilienprojekte geflossen sind, entsprechen etwa einem Sechstel der Finanzanlagen des Bistums, das sei aber nicht gleichbedeutend mit dem Vermögen, sagte Rechtsanwalt Ulrich Wastl. Generalvikar Vollnhals versicherte aber, dieses Jahr gebe es keine Probleme im Haushalt. Weder Stellen und Löhne der Mitarbeiter noch Projekte der Pfarrgemeinden seien gefährdet. Irgendwann könne aber auch das Vermögen betroffen sein und dann "in 10 oder 20 Jahren" Geld für wichtige Aufgaben fehlen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Aufklärung ist angesagt: Der Eichstätter Bischof Georg Maria Hanke hat selbst gegen den Mitarbeiter geklagtBild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

In Eichstätt soll ab 1. April 2018 der Betriebswirt Florian Bohn die Leitung der bischöflichen Finanzkammer übernehmen, also praktisch der neue Finanzminister von Bischof Gregor Maria Hanke werden. Künftig wolle man bei den Finanzen nicht mehr allein auf Vertrauen setzen, sagte dessen Stellvertreter Generalvikar Isidor Vollnhals und klingt, als müsse er sich selbst noch überzeugen: "Kontrolle ist kein Gegensatz zu Vertrauen."

"In die Kontrollorgane dürfen nur Frauen und Männer rein, die nicht im kirchlichen Dienst stehen", fordert Kirchenrechtler Schüller: "Es kann nicht mehr angehen, dass in Wirtschaftsfragen unbedarfte hohe Kleriker wie jetzt in Eichstätt, einfach nur, weil sie Kleriker sind, dieses Amt innehaben. Dann glaube ich, kann die Kirche Vertrauen zurückgewinnen. Aber das wird ein schmerzhafter und langer Prozess werden."

In Eichstätt will man diesen Weg jetzt gehen, heißt es. Schmerzhaft sind sicher manche Rückmeldungen aus dem Kirchenvolk. Der Generalvikar berichtete von zahlreichen E-Mails. Einige zeigten Mitgefühl, die meisten Schreiber würden aber über die Kirche schimpfen oder mit dem Austritt drohen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen