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Politik

Bitte anschnallen - G7 am Start

Barbara Wesel
24. August 2019

Das Gipfeltreffen in Biarritz kann eine neue Zerreißprobe für die internationale Gemeinschaft werden. Im Zentrum steht erneut US-Präsident Trump. Ist er ein Verhandlungspartner oder doch - wieder einmal - Störer?

Frankreich G7-Gipfel in Biarritz | Donald Trump im Gespräch mit Emmanuel Macron
Bild: Reuters/L. Marin

Was könnte schöner sein, als ein Mittagessen bei strahlender Sommersonne auf der Terrasse eines Luxushotels am Strand im Badeort Biarritz? Der Gastgeber, der französische Präsident Emmanuel Macron, schob diesen Programmpunkt in letzter Minute ein, um sein erstes bilaterales Treffen mit dem US-Präsidenten in bester Atmosphäre hinter sich zu bringen. Immer wieder übt er seine diplomatischen Künste an Donald Trump, versucht dem Amerikaner zu schmeicheln und ihn abzulenken, damit er nicht wie früher in einem Anfall schlechter Laune das ganze Gipfeltreffen sprengt. 

Reden wir über das Wetter

"Wir sind schon lange Freunde", sagte Trump auf der Sonnenterrasse zu seinem Gastgeber. Diese Beteuerung aber erscheint zweifelhaft angesichts der Tatsache, dass der US-Präsident vor seinem Abflug nach Biarritz erneut gedroht hatte, er werde Zölle auf französischen Wein erheben "wie man sie noch nie gesehen hat". Hintergrund ist eine neue Steuer für große Internetunternehmen wie Google, Amazon und andere, die Macron eingeführt hat. "Das sind große amerikanische Unternehmen", twitterte Trump, "ich will nicht, dass Frankreich sie besteuert. Sehr unfair". Wohlgemerkt geht es hier um Steuern auf Gewinne in Frankreich.

Der Austragungsort des G7-Gipfels in Biarritz: das Hôtel de PalaisBild: picture-alliance/NurPhoto/J. Gilles

Die Winzer in den großen Weinbauregionen um Bordeaux, 200 Kilometer nördlich vom Ort des Gipfels, hoffen, dass ihr Präsident das Unheil noch von ihnen abwenden kann. Sie exportieren für 3,6 Milliarden Dollar französischen Wein in die USA, und besonders mittelgroße Produzenten würden von solchen Zöllen schwer getroffen. Wein ist Frankreichs zweitgrößter Export-Artikel.

Willkommen in der Welt des Donald Trump, der erst seinem Gastgeber droht und ein paar Stunden später von langer Freundschaft redet. Emmanuel Macron erwähnte beim Essen alle Krisenthemen auf der Agenda. Syrien, die Ukraine, die Krise mit Iran, den Welthandel und die Brände am Amazonas. Der US-Präsident sprach über das "perfekte Wetter" in Biarritz. "Die Gäste sind phantastisch, alle kommen miteinander aus, wir werden eine Menge schaffen an diesem Wochenende". 

Dabei ist der einzige Punkt auf Trumps Agenda eine Sitzung, bei der er die G7-Partner zu Maßnahmen zur Ankurbelung der Weltwirtschaft überreden will. Deren Antwort darauf ist allerdings bereits bekannt: Präsident Macron erklärte, er wolle die Partner davon überzeugen, dass "Spannungen beim Handel für alle schlecht sind". Das zielt direkt auf Trump und die letzte Runde im sich verschärfenden Handelskrieg mit China.

Warnungen von den Europäern

In düsterer Stimmung: EU-Ratspräsident Donald TuskBild: Reuters/C. Hartmann

"Der Biarritz-Gipfel wird eine schwierige Probe für die Einigkeit und die Solidarität der freien Welt und ihrer Führer", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk zu Beginn des Treffens in einer ungewöhnlich düsteren Botschaft. Es sei unsicher, ob die Gruppe überhaupt zu gemeinsamen Ergebnissen kommen könne oder es nur sinnlose Streitereien untereinander geben werde. Die letzten Jahre hätten gezeigt, das es zunehmend schwierig geworden sei, eine gemeinsame Sprache zu sprechen und zu kooperieren. "Dieses könnte einer der letzten Augenblicke sein, in denen wir unsere politische Gemeinschaft reparieren können." Donald Tusk schien in fast apokalyptischer Stimmung.

Er erwähnte die Bedrohungen der demokratischen Ordnung durch autoritäre Regime und den neuen Nationalismus. Außerdem sei die Klimakrise die größte gegenwärtige Herausforderung: "Der brennende Regenwald am Amazonas ist zu einem weiteren deprimierenden Zeichen unserer Zeit geworden". Wie schon der französische Präsident und die irische Regierung stellt auch der EU-Rats-Chef das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen, zu dem Brasilien gehört, infrage. "Hier geht es um Sein oder nicht Sein", er könne sich einen harmonischen Ratifizierungsprozess für das Abkommen angesichts des Verhaltens der Regierung des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro nicht vorstellen. 

Eine knallharte Position vertritt Tusk auch gegenüber Russland. Donald Trump hatte gefordert, Präsident Wladimir Putin wieder zu den G7-Treffen einzuladen. "Unter keinen Umständen können wir diese Logik hinnehmen", hält der EU-Vertreter dem entgegen. Die Gründe für den Ausschluss Russland, die Annexion der Krim und andere Provokationen, seien immer noch gültig. Außerdem habe Putin nicht den Pfad der Demokratie beschritten und auch deshalb bei den G7 nichts verloren. Man solle im nächsten Jahr lieber die Ukraine als Gast einladen.

Nur am Rande: der Brexit

Boris Johnson mit seinen europäischen Brexit-Verhandlungspartnern - oder doch Gegnern?Bild: Reuters/C. Hartmann

Donald Tusk wird sich am Sonntag zum ersten Mal mit dem neuen britischen Premierminister Boris Johnson treffen. Er sei bereit zu ernsthaften Gesprächen, sagte er, wolle aber nicht zum Zustandekommen eines No-Deal beitragen. Und er hoffe, dass Johnson nicht "als Mr. No-Deal in die Geschichte eingehen" wolle. Das Thema Brexit spielt hier in Biarritz eine Nebenrolle, wird aber unvermeidlich zur allgemeinen Klimavergiftung beitragen.

Und Boris Johnson schlug sofort zurück, noch im Anflug auf den Gipfel. Das Schwarze-Peter-Spiel beim Bexit ist von Seiten Londons voll im Gange.  "Ich habe absolut klar gemacht, dass ich einen No-Deal nicht will und dass wir den Backstop aus dem Vertrag los werden müssen. Und wenn Mr. Tusk nicht als Mr. No-Deal in die Geschichte eingehen will, muss er das berücksichtigen". Die Schuld liegt nach dieser Darstellung bei der EU, wenn die Briten nicht zufrieden sind mit den Ergebnissen der zweijährigen Verhandlungen. Die Botschaft aus London könnte klarer nicht sein.

Zu erwarten ist, dass Johnson begeisterte Zustimmung von Donald Trump bekommen wird. Das Treffen zwischen den beiden ist für den Sonntag angesetzt. Der US-Präsident hat den Briten schon vor seinem Amtsantritt kräftig unterstützt und ist ein begeisterter Anhänger des Brexit, weil der die EU schwächt. Und ein schwaches Europa macht Donald Trump das Leben leichter, weil er einzelne Mitgliedsländer beim Handel und allen anderen Fragen nach Belieben erpressen kann.

Die Messlatte von Biarritz

Die Stimmung ist in Biarritz sorgenvoll und wenig optimistisch, und Emmanuel Macron versucht alles, um das Treffen nicht in Streit und Irrelevanz untergehen zu lassen. Aber der französische Präsident betreibt Erwartungsmanagment: "Wir werden vielleicht nicht alles schaffen, was wir wollen, aber werden unser Bestes tun, um unsere Sicherheit zu garantieren, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und die Ungleichheit zu bekämpfen, unter der ihr leidet", sagte er in einer Botschaft an seine Nation. Man darf die Messlatte von Biarritz nicht zu hoch hängen. 

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