Bitterer Wahlsieg in Malaysia
8. Mai 2013Die Barisan Nasional (BN, Nationale Front) von Ministerpräsident Najib Razak (Mitte im Artikelbild) kann in Malaysia weiterregieren, so wie sie es seit der Unabhängigkeit Malaysias 1957 ununterbrochen getan hat. Sie gewann 133 der 222 Sitze im Parlament, die Opposition 89. (Stand: 08.05.2013) Das spiegelt allerdings nicht die Verteilung der Wählerstimmen wider: Mit 46,5 Prozent der abgegebenen Stimmen erzielte die BN ihr bislang schlechtestes Ergebnis. Das oppositionelle Bündnis Pakatan Rakyat (Volksallianz) soll inoffiziell über 50 Prozent der Stimmen erhalten haben.
Oppositionsführer Anwar Ibrahim wirft der Barisan Nasional Wahlbetrug vor. Sie habe Pakatan Rakyat um den verdienten Sieg gebracht. Er kündigte eine massive Kampagne an, um das Wahlsystem zu reformieren und den Wahlbetrug der Regierung zu beweisen.
Die Vorwürfe reichen von "Phantomwählern" bis zur Manipulation der Wählerlisten. Eine Woche vor der Wahl hatten Umfragen leichte Vorteile für die Opposition festgestellt, allerdings auch, dass 22 Prozent der Wähler sich noch nicht entschieden hatten.
Hinweise auf Manipulationen
Hinweise auf mögliche Manipulationen und unfaire Bedingungen werden auch von unabhängigen Seiten erhoben. "Am Wahltag sind viele Ausländer zur Urne gegangen", sagt Fathi Aris Omar, Chefredakteur des unabhängigen Nachrichtenportals www.malaysiakini.com der Deutschen Welle. Gemeint sind Gastarbeiter aus Indonesien, Bangladesch und einigen anderen Staaten. Sie seien von der Regierung mit malaysischen Ausweisen ausgestattet worden, damit sie bei den Wahlen für die Regierungskoalition Barisan Nasional stimmen. Es sind diese Leute, die Oppositionsführer Anwar Ibrahim als "Phantomwähler" bezeichnet.
Es seien auch Namen von Personen in Wählerlisten aufgetaucht, die schon lange nicht mehr in dem betreffenden Walbezirk wohnen. Auch sei die Tinte, mit der der Zeigefinger von Wählern markiert wurde, leicht abzuwaschen.
Mehr als ein halbes Jahrhundert lang praktiziert die aus 13 Parteien bestehende Barisan Nasional ihre Politik der staatlichen Bevormundung, kombiniert mit ethnischer Klientelpolitik. Im Zentrum stehen die Malaien und ihre UMNO-Partei. Sie bildet seit Jahren eine Allianz mit den chinesischen Parteien Malaysian Chinese Association (MCA) und Partai Gerakan (Malaysische Volksbewegung). Malaysier indischer Abstammung sind im Malaysian Indian Congress (MIC) versammelt.
Chinesische Wähler zur Opposition abgewandert
Bei der jetzigen Wahl sind offenbar chinesischstämmige Malaysier in Scharen zur Opposition übergelaufen. Als zweitgrößte ethnische Gruppe in Malaysia stellen die Chinesen fast ein Viertel der Wähler. Dass viele jetzt sich von Barisan Nasional abwenden, ist ein schwerer Schlag für die Regierung. Ministerpräsident Najib Razak sprach von einem "chinesischen Tsunami", der die BN getroffen habe.
"Dies ist die Folge der Marginalisierung der Nicht-Malaien in der Regierung", sagt Abdul Ghapa Harun, Politikexperte von der Universiti Kebangsaan Malaysia, gegenüber der Deutschen Welle. Die UMNO als dominante Kraft innerhalb der BN hat stets die Malaien bevorzugt, zum Beispiel durch Sonderrechte bei Verteilung von Staatsaufträgen.
Im Gegensatz dazu verspricht das Oppositionsbündnis Pakatan Rakyat den chinesischen und indischen Gruppen Gleichbehandlung mit den Malaien. Sie sollten gleiche Chancen bekommen, vor allem in der Wirtschaft.
Städtische Mittelschicht verlangt Reformen
"Dies ist ein wichtiger Grund, warum die Nicht-Malaien, vor allem die Chinesen, zur Opposition abgewandert sind", sagt der Politologe Harun. Auch Aris Omar von Malaysiakini sieht sozio-ökonomische Faktoren hinter der politischen Neuorientierung der Chinesen und Inder in Malaysia. "Die städtische Mittelklasse rekrutiert sich zum großen Teil aus Chinesen und Indern. Sie sehen ihre Interessen von der Opposition besser vertreten." Diese Gruppen hätten einen höheren Bildungsstand und ein neues Selbstbewusstsein. "Sie verlangen jetzt mehr Freiheit, einen härteren Kampf gegen die Korruption, wirtschaftliche Reformen und eine bessere Regierungsführung", so Aris Omar.
Beide Experten sehen in dem Wahlergebnis ein hoffnungsvolles Zeichen, obwohl die Opposition den erwarteten Machtwechsel nicht geschafft hat. "Es gibt immer mehr junge Leute und Menschen aus der Mittelschicht, die die jetzige Politik der Regierung als nicht mehr relevant für ihre Zukunft erachten", so Aris Omar. Reformen könnten nicht mehr auf unabsehbare Zeit verschoben werden.