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"Blamiert bis auf die Knochen"

17. Februar 2011

Abkupfern für den Doktortitel? Der gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erhobene Vorwurf sorgt für Wirbel in Deutschland - und in den Kommentarspalten. Hier eine Auswahl aus den Donnerstags-Zeitungen.

Themenbild Presseschau (Grafik: DW)
Bild: DW

LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:

"Der Plagiatsvorwurf kratzt nicht nur am Lack des schneidigen Bundesverteidigungsministers, er beschädigt seine Glaubwürdigkeit. Denn für seine Dissertation ist Guttenberg ganz allein verantwortlich und kann nicht wie bei der Kundus- oder der Gorch-Fock-Affäre Informationspannen im eigenen Ministerium dafür haftbar machen und andere vorschieben. Guttenberg, der wie ein Feldherr die größte Reform der Bundeswehr durchziehen will und der es geschafft hat, die lang gehegte Wehrpflicht ad acta zu legen, muss nun eine Schlacht in eigener Sache schlagen, und zwar ohne Truppen. Er braucht gute Gründe dafür, warum er Zitate, etwa aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in seiner Doktorarbeit nicht als solche gekennzeichnet hat. Mit Äußerungen anderer zu arbeiten, ist schließlich nicht ehrenrührig, dies nicht anzugeben, aber schon."

NÜRNBERGER ZEITUNG:

"Kein Zweifel: Guttenberg hat geschlampert, was bei einem Werk von 475 Seiten - nein; nicht entschuldbar, aber vielleicht doch nachvollziehbar ist. Zumal in unserer Gesellschaft allmählich das Bewusstsein für geistiges Eigentum verschwindet. Durch die Einführung des Internets und den Zugriff auf ein sich ständig erweiterndes Datenreservoir sind wir alle versucht, über die Markier- und Kopierfunktion des Computers fremde Passagen in den eigenen Text einfließen zu lassen. Häufig fehlt schlichtweg das Problembewusstsein. Aber darf das einem Minister passieren?"

WESTFALEN-BLATT (Bielefeld):

"Das ist weit mehr als ein Sturm im Wasserglas. Sollten sich die massiven Plagiatsvorwürfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg bestätigen, steht nicht weniger als seine Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Auch kann der Verteidigungsminister in keiner Weise auf mildernde Umstände hoffen, weil er selbst zuletzt in Personalfragen nicht vor schnellen und einschneidenden Maßnahmen zurückgeschreckt ist. Auch ist der CSU-Politiker selten verlegen, Aufrichtigkeit und Anstand einzufordern. Nun hat er guten Grund, diese Maßstäbe an sein eigenes Handeln anzulegen. Zu Guttenberg muss quasi eine Entscheidung in eigener Sache treffen."

NEUE PRESSE (Hannover):

"Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein Meister der Selbstinszenierung. Doch jetzt ist herausgekommen: Der Mann hat Teile seiner Doktorarbeit abgekupfert. Der Verteidigungsminister geht zur Selbstverteidigung über, spricht von einem abstrusen Vorwurf. Doch das Plagiat ist offenbar erwiesen, ganze Absätze hat Guttenberg ohne Quellenangabe übernommen. Die Glaubwürdigkeit des Ministers, bisher eine seiner wichtigsten politischen Waffen, wird dadurch schwer beschädigt. Trotzdem mag es noch zu weit gehen, jetzt Guttenbergs Rücktritt zu fordern. Doch er ist blamiert bis auf die Knochen­ und den Doktortitel hoffentlich bald los."

SAARBRÜCKER ZEITUNG:

"Nein, Dr. zu Guttenberg ist sicherlich kein Hochstapler, der in betrügerischer Absicht geistiges Eigentum stehlen wollte. Dafür ist er viel zu klug. Doch die Vorwürfe gegen den smarten Minister sind gewichtig - und peinlich für den Superstar der deutschen Politik. (...) Ob und wieweit er gegen den akademischen Kodex verstoßen hat, müssen andere beurteilen. Doch bereits jetzt dürfte der Image-Schaden beträchtlich sein. Guttenberg wird einiges erklären müssen, schon im Interesse seiner Glaubwürdigkeit. Und er wäre gut beraten, seinen Hang zur medialen Selbst-Inszenierung künftig zu zähmen. Wenn er nicht weiß, wie das geht - kann er ja abkupfern."

MITTELDEUTSCHE ZEITUNG (Halle):

"Die Belege sind eindeutig. Ob sie für eine Aberkennung des Doktortitels reichen, ist eine andere Frage. Die plagiierten Stellen sind aber bereits so zahlreich, dass es für den CSU-Mann eng werden dürfte. Der Imageschaden ist längst eingetreten. Denn Guttenbergs Reden sind oft moralisch durchtränkt. Hier gibt einer Maßstäbe vor, für sich, für andere, ja für alle. Diesen Maßstäben wird er einmal mehr nicht gerecht. Vielmehr fällt einem das Bonmot ein, wonach das Erhabene und das Lächerliche meist nah beieinander liegen."

NORDSEE-ZEITUNG (Bremerhaven):

"Hochnotpeinlich ist die Causa "Schummelminister". Gleichwohl ist sie nur ein Nebenkriegsschauplatz. Denn ob ein Dr. jur. zu Guttenberg die deutschen Soldaten aus dem Schlamassel in Afghanistan holt und die Wehr-Reform schultert oder ob es der Hofrat, der Baron von und zu oder einfach nur der Herr K.T. tut, dürfte den meisten Bürgern schnurzpiepegal sein. Der Doktor ist vielleicht weg, seine Arbeit kann zu Guttenberg aber auch ohne akademischen Grad erledigen. Muss ja nicht summa cum laude, also mit höchstem Lob geschehen. Einigermaßen passabel würde angesichts der Herkules-Aufgaben schon genügen."

MAIN-POST (Würzburg):

"Den Vertretern der Opposition ist Karl-Theodor zu Guttenberg schon lange ein Dorn im Auge. Doch nun, da eine Attacke gegen den Edelmann aus Oberfranken die nächste jagt, sollte er daran denken, dass die größten Feinde oft in den eigenen Reihen lauern. Allen Schwierigkeiten zum Trotz macht der schneidige Adelige auf dem Schleudersitz des Verteidigungsministers bisher eine gute Figur. Und Erfolg macht neidisch."

RHEIN-NECKAR-ZEITUNG (Heidelberg):

"Karl-Theodor zu Guttenberg ist Politiker und kein Wissenschaftler. Insofern ist es eher unwahrscheinlich, dass die Wähler ihm sein womöglich nachlässiges Zitieren wirklich verübeln. Ein Minister stürzt eigentlich nicht über Vorfälle, die vom Gros der Bevölkerung als Petitessen wahrgenommen werden."


Redaktion: Christian Walz