FIFA-Chef Joseph Blatter darf für vorerst 90 Tage keine Funktion im Fußball ausüben. Mit ihm sperrt die Ethikkommission des Verbandes den Vizepräsidenten und UEFA-Vorsitzenden Michel Platini.
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Nun also doch: FIFA-Präsident Joseph S. Blatter ist von der Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes für vorläufig 90 Tage suspendiert worden. Das gab die rechtsprechende Kammer des Gremiums am Donnerstag bekannt. Auch FIFA-Vizepräsident Michel Platini aus Frankreich, in Personalunion Chef der Europäischen Fußball-Union (UEFA), darf zunächst 90 Tage keine Funktionen im Fußball ausüben. Eine Verlängerung des Banns um bis zu weitere 45 Tage sei dabei möglich, heißt es in einer FIFA-Erklärung.
Der bereits von der FIFA suspendierte Generalsekretär Jerome Valcke wurde für 90 Tage aus dem Verkehr gezogen, der ehemalige FIFA-Vize-Präsident Chung Mong-Joon für sechs Jahre gesperrt. Der Südkoreaner muss überdies 100.000 Schweizer Franken Strafe zahlen. Blatter und Platini haben haben jetzt zwei Tage Zeit, um Einspruch einzulegen.
Vage Begründung
Die Kammer begründete ihre Entscheidung mit dem Verdacht auf Verstöße des 79-jährigen Blatter gegen den FIFA-Ethikcode. Detaillierte Gründe darf die Kommission nicht veröffentlichen. Bereits Ende September hatte die Schweizer Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren gegen den Schweizer, der seit 1998 an der FIFA-Spitze gestanden hatte, eingeleitet. Blatter wird "ungetreue Geschäftsbesorgung" vorgeworfen. Es soll Fernsehrechte weit unter Marktpreis verkauft haben.
Platini hingegen werden zwei Millionen Schweizer Franken zum Verhängnis, die er von der FIFA im Jahre 2011 bekommen hat - angeblich für seine Dienste, die er im Verband in den Jahren 1998 bis 2002 geleistet hat.
Den FIFA-Statuten gemäß übernimmt Issa Hayatou aus Kamerun interimsweise Blatters Amtsgeschäfte. Er ist dienstälteter Vizepräsident des Weltverbandes und würde auch an der Spitze bleiben, wenn die Sperre gegen Blatter fortbestehen sollte. Beim nächsten Wahlkongress am 26. Februar 2016 in Zürich wird in jedem Fall ein neuer Präsident gewählt. Blatter hatte im Juni seinen Rückzug bekannt gegeben, nachdem er wenige Tage zuvor im Amt bestätigt worden war. Als möglicher Nachfolger wurde Platini genannt, dessen Aussichten mit der Suspenierung auf ein Minimum gesunken sein dürften. Auch Platini muss seinen Posten als UEFA-Boss vorerst ruhen lassen. Für ihn übernimmt satzungsgemäß vorläufig der Spanier Ángel María Villar.
Blatter wirft Ermittlern Formfehler vor
In einer ersten Stellungsnahme sieht Blatter-Berater Klaus J. Stöhlker keine wirklichen Probleme auf seinen Klienten zukommen: "Er freut sich auf drei Monate Ferien, die er sich auch redlich verdient hat", sagte Stöhlker der "Bild"-Zeitung. Danach werde sich der Walliser bei der FIFA wieder zurückmelden. "Blatter ist rechtzeitig zurück, um am 26. Februar den Kongress zu führen", betonte Stöhlker. "Ausgerechnet die von Blatter initiierte Ethikkommission hat ihn jetzt an die Seitenlinie gestellt. Er will aber zurück ins Spiel!
Blatters Anwälte teilten mit: "Präsident Blatter ist enttäuscht, dass die Ethikkommission nicht dem Ethik- und Disziplinarcode gefolgt ist, die beide die Möglichkeit schaffen, angehört zu werden". Die Entscheidung der Ethikkommission basiere auf einem Missverständnis der Aktionen der Schweizer Bundesanwaltschaft, hieß es in der Stellungnahme der Rechtsvertreter Lorenz Erni, Erni Brun Forrer und Richard Cullen weiter. "Die Ermittler sind vom Gesetz verpflichtet, den Fall einzustellen, wenn ihre Untersuchung, die gerade einmal zwei Wochen alt ist, keinen hinreichenden Beweis erbringt", schrieben die Anwälte.
Am frühen Freitagmorgen sagte Cullen der Nachrichtenagentur dpa, ein Einspruch gegen das Urteil sei eingereicht worden. Über diesen muss die FIFA-Berufungskommission entscheiden. Auch UEFA-Präsident Platini hat Berufung angekündigt.
Ethikkommission seit 2009 im Dienst
Die Ethikkommission der FIFA, die die Sperren nur ausgesprochen hat, ist formal unabhängig. Das Gremium existiert seit der Verabschiedung des FIFA-Ethikcodes 2009. Im Zuge einer Reform aufgrund der Auswüchse bei der Vergabe der WM-Endrunden 2018 an Russland und 2022 an Katar wurde die Kommission, dem Prinzip der Gewaltenteilung folgend, in die ermittelnde Kammer einerseits und die rechtsprechende Kammer andererseits unterteilt.
Ausgeblattert: Das Ende einer FIFA-Karriere
Die FIFA-Ethikkommission beendet vorzeitig die Ära Joseph Blatter im Fußball-Weltverband. Vier Jahrzehnte lang hat der Schweizer die FIFA geprägt - und alle Krisen ausgesessen. Am Ende aber stolpert er doch.
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Scherbenhaufen
Die FIFA-Ethikkommission suspendiert nicht nur seinen Präsidenten Joseph Blatter, sondern auch dessen designierten Nachfolger, UEFA-Chef Platini. Für den Franzosen dürften damit seine Ambitionen auf den Posten des höchsten Fußballfunktionärs erledigt sein. Blatter jedoch steht vor den Scherben seines Lebenswerks.
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Steile Karriere
Als Blatter 1975 zur FIFA kommt, hat er bereits einige interessante Posten in seinem Lebenslauf. Zentralsekretär des Schweizerischen Eishockeyverbandes, Pressechef der Schweizer Sportverbände und Direktor für Öffentlichkeitsarbeit bei einem führenden Schweizer Uhrenhersteller. Auf Betreiben von Adidas-Chef Adolf Dassler landet er bei der FIFA und wird dort 1981 Generalsekretär.
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Ganz nach oben
Nach 17 Jahren als Generalsekretär unter FIFA-Präsident Joao Havelange sieht der ehrgeizige gelernte Diplom-Volkswirt seine Chance gekommen, selbst das Präsidentenamt zu übernehmen. 1998 gewinnt er gegen den eigentlich favorisierten damaligen UEFA-Präsidenten Lennart Johansson (l.) und wird Nachfolger Havelanges. Direkt danach gibt es Gerüchte, er habe sich seine Stimmenmehrheit erkauft.
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Riesige Verluste
Regelmäßig wird Blatter finanzielles Missmanagement vorgeworfen. Ein Jahr nach seiner Wahl geht sein eigener Generalsekretär Michel Zen-Ruffinen (r.) in die Offensive und beschuldigt Blatter, im Bereich Marketing 100 Millionen US-Dollar Verlust gemacht zu haben. Blatter verhindert eine interne Untersuchung, übersteht eine Klage vor einem Schweizer Gericht und schmeißt Zen-Ruffinen hochkant raus.
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And the winner is… Deutschland!
Im Sommer 2000 wird der Schweizer auch für den deutschen Fußball zum entscheidenden Mann. Alles hängt an seinen Lippen, als er verkündet, dass die WM 2006 nach Deutschland geht. Die deutschen Fans freuen sich auf das Sommermärchen - Blatter arbeitet derweil daran, seine Hausmacht innerhalb der FIFA zu zementieren. 2002 gelingt die Wiederwahl - wieder begleitet von Gerüchten über Stimmenkauf.
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Stimmenbeschaffer aus Nah-Ost
Enger Vertrauter Blatters ist in dieser Zeit Mohammed bin-Hammam, FIFA-Exekutivmitglied aus Katar. Als Blatter 2007 beginnt, in ihm einen Konkurrenten zu sehen, entzweien sich die beiden. 2011 tritt Bin-Hammam bei der Präsidentenwahl gegen Blatter an - und sieht sich plötzlich mit Bestechungsvorwürfen konfrontiert. Er zieht seine Kandidatur zurück und wird später von der FIFA lebenslang gesperrt.
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Zwei Lichtgestalten
Eng ist damals Blatters Verhältnis zu WM-Botschafter Franz Beckenbauer. Beckenbauer gibt sich auch Jahre später, als sich Korruptionsvorwürfe häufen, stets diplomatisch in Bezug auf den FIFA-Präsidenten. Auch als Blatter 2012 behauptet, die WM 2006 sei "gekauft" und als Beckenbauer 2014 kurzzeitig von der FIFA suspendiert wird, sagt der Kaiser: "Zwischen uns bleibt nichts hängen."
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Im Kreise der Mächtigen
Gerne umgibt sich Blatter mit den Großen und Mächtigen der Welt. UN-Generalsekretäre, der eine oder andere Staatspräsident, der Papst - mit allen trifft sich der mächtigste Mann im Fußball früher oder später. 2004 geht er bei Südafrikas Volksheld Nelson Mandela fast ein und aus - schließlich hat Blatter versprochen, die nächste WM nach Afrika zu bringen und das Land am Kap erhält den Zuschlag.
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Die Hauptperson bin ich
Blatter genießt seine Macht. Er reist durch die Welt, lässt sich hofieren und empfangen wie ein Staatsgast. Besonders gerne ist er bei den kleineren Verbänden in Afrika und Asien zu Gast, die in ihm eine Mischung aus dem Messias und Mutter Theresa sehen. Blatter ist großzügig, spendiert hohe Geldsummen und lässt es zu, dass man ihm huldigt wie einem Halbgott.
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Europa als Quertreiber
Vor allem in Europa gibt es dagegen Gegenwind für Blatter: Spätestens als der entgegen seiner Ankündigung erklärt erneut zu kandieren, würden UEFA-Präsident Platini (2.v.r.) und DFB-Präsident Niersbach (r.) Blatter lieber heute als morgen loswerden. Eine echte Handhabe oder Beweise gegen ihn haben sie nicht. Zudem scheuen sie eine eigene Kandidatur.
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Gegen alle Widerstände
Auch der Versuch, einen anderen geeigneten Gegenkandidaten aufzubauen scheitert. Die Verhaftungen mehrerer FIFA-Funktionäre unmittelbar vor dem Kongress in Zürich, verhindern die Wahl ebenfalls nicht. Am Ende siegt wieder Blatter, weil alle anderen Kandidaten sich zurückgezogen haben. Direkt nach der Bestätigung im Amt, teilt Blatter kräftig gegen seine Kritiker aus.
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Rücktritt ja, aber nicht sofort
Vier Tage nach seiner umstrittenen Wiederwahl schmeißt FIFA-Präsident Sepp Blatter die Brocken hin. Er kündigt seinen Rücktritt für Anfang 2016 an. 17 Jahre lang ist der eitle Schweizer nun schon erster Mann der FIFA. Das will er unbedingt auch noch so lange bleiben, bis sein Nachfolger feststeht. Allen Forderungen nach einem sofortigen Rücktritt erteilt er eine Absage.
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Abgang
Dann aber ermittelt die Schweizer Justiz gegen ihn persönlich. Der Vorwurf: Verkauf von WM-Fernsehrechten zu Dumpingpreisen an seinen ehemaligen Vize Jack Warner, dazu eine dubiose Millionenzahlung an Michel Platini. Das Faß läuft über, die FIFA-Ethikkommission zieht Blatter aus der Verkehr - und auch Platini.
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Die ermittelnde Kammer geht Hinweisen auf Verstöße von FIFA-Funktionären und anderen mit dem Fußball verbundenen Personen gegen den Ethikcode nach. In Verdachtsfällen legt die ermittelnde Kammer der rechtsprechenden Kammer ihre Untersuchungsergebnisse zur Bewertung vor. Daraufhin können Sanktionen wie Suspendierungen oder Sperren für Tätigkeiten im Fußball erfolgen.
Die Kommission darf zu ihren Untersuchungen und Ergebnissen öffentlich keine Auskunft erteilen. Lediglich die rechtsprechende Kammer kann ihre Entscheidungen begründen. Zuletzt hatte die Kommission vorerst noch vergeblich beantragt, im Sinne höherer Transparenz Einzelheiten über laufende Verfahren kommunizieren zu können.