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Gesellschaft

Was steckt hinter den Produkt-Siegeln?

8. Februar 2019

Ob besonders umweltfreundlich, sicher oder nachhaltig- eine Vielzahl von Siegeln soll Verbrauchern zeigen, warum die Produkte oder Dienstleistungen, die sie zieren, eine gute Wahl sind. Ein Überblick.

Umweltsiegel "Blauer Engel"
Bild: picture-alliance/dpa/J.-P. Kasper

Am Mittwoch präsentierte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) Zahlen, nach denen 81 Prozent der Deutschen wissen wollen, ob es dem Tier, dessen Fleisch sie im Supermarkt kaufen, im Stall gut ging. Deshalb, so Klöckner, werde es ab 2020 ein Tierwohllabel geben. Das Zeichen soll Produkte auszeichnen, die aus Tieren entstanden sind, die es gut hatten, zum Beispiel mit mehr Auslauf als andere.

Es ist ein weiteres Label, an dem sich Konsumenten orientieren sollen. Von solchen Kennzeichen gibt es Deutschland-, Europa- und weltweit mittlerweile schier Unmengen. Einige zeichnen angeblich besonders umweltfreundliche Produkte aus, andere sollen für Sicherheit stehen. Dabei ist es wichtig im Blick zu haben, wer die Label vergibt und wie die Zertifizierung funktioniert. Nicht alle Siegel halten, was sie versprechen. Wir haben uns vier von ihnen einmal genauer angeschaut. 

Blauer Engel

Der Blaue Engel feierte im vergangenen Jahr sein 40-jähriges Bestehen. "Im heute alltäglichen Dschungel der Label, Siegel und Zeichen ist der Blaue Engel die Orientierung beim nachhaltigen Einkauf", lobte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei der Jubiläumsfeier in Berlin. Dazu muss man wissen: Die Rechte an dem Siegel hält Schulzes Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nuklearer Sicherheit. Die RAL GmbH, eine Tochter des RAL Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung, vergibt den Blauen Engel.

Seit 1978 wird das Siegel an umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen vergeben. Es gibt eine breite Palette von Siegelträgern, von Bettwäsche über Kleidung und Putzmittel bis hin zu Elektronikgeräten. Blauer-Engel-Träger müssen Kriterien erfüllen, die das Umweltbundesamt unter Umweltschutz- und Gesundheitsaspekten für die Herstellung und Nutzung erarbeitet hat. Beim unabhängigen Tester "Siegelklarheit" wird der Blaue Engel in allen Bereichen als gute oder sogar sehr gute Wahl ausgezeichnet – ein Siegel, an dem sich Verbraucher orientieren können. 

Der TÜV

Bild: picture-alliance/dpa/O. Spata

Die meisten Deutschen verbinden den Begriff TÜV mit ihrem Auto und der wiederkehrenden Inspektion, zu der sie ihren Wagen alle zwei Jahre bringen müssen. Aber Technische Überwachungsvereine (TÜV) überprüfen weitaus mehr als nur Kraftfahrzeuge. Ihr Ursprung liegt im Dampfkessel-Revisions-Verein, der 1866 gegründet wurde. Heute vergeben TÜV Nord, TÜV Rheinland und TÜV Süd Label für Spielzeuge, Möbel, Online-Shopping Seiten und Baugeräte auf der ganzen Welt, die besonders sicher sein sollen.

Die verschiedenen TÜVs sind Aktiengesellschaften, die miteinander konkurrieren. Sie werden von den Unternehmen, die sie überprüfen, für ihre Tätigkeit bezahlt – ein Milliardengeschäft. Kritiker sagen, dass deswegen Siegel an Produkte vergeben werden, die alles andere als sicher sind. Der Damm einer Eisenerzmine in Brasilien, der Ende Januar gebrochen war, wurde nur wenige Monate vorher vom TÜV Süd überprüft und für gut befunden. Als er brach, ergossen sich 12 Millionen Kubikmeter Schlamm über Wohnsiedlungen, mindestens 150 Menschen starben. Das Vertrauen ins TÜV-Siegel hatte bereits 2010 gelitten, als der TÜV Rheinland mit Billigsilikon gefüllte Brustimplantate zertifizierte, die leicht reißen konnten und so das Leben von Tausenden Frauen gefährdeten.

EU-Bio-Siegel

Bild: picture-alliance/dpa/EU

Siegel für Bio-Produkte gibt es mittlerweile wie Sand am Mehr. Seit 2010 hat auch die Europäische Union ihr eigenes Siegel für Fleisch-, Milch-, und Getreideprodukte, Gemüse, Obst und Gewürze aus kontrolliert biologischem Anbau. In Deutschland prüfen staatlich zugelassene Kontrollstellen, wer das Siegel bekommt. Die Landwirtschaftsunternehmen müssen sich dafür an die Öko-Verordnung der EU halten. Diese schränkt beispielsweise den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel stark ein und verbietet die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen. Außerdem macht sie Tierhaltern wesentlich strengere Vorgaben zur Haltung von Tieren als in der konventionellen Landwirtschaft.

Aber alles bio heißt noch lange nicht alles gut. Organisationen wie Foodwatch kritisieren, dass problematische Zusatzstoffe wie Nitrit, aus dem sich im menschlichen Magen krebserregende Stoffe bilden können, unter dem Bio-Siegel erlaubt sind. Auch Produkte von Landwirtschaftsunternehmen, die männliche Küken schreddern, dürfen das Label tragen. 

Rainforest Alliance und UTZ

Seit Januar 2018 laufen das UTZ-Siegel, dass nachhaltig angebauten Kaffee, Tee und Kakao auszeichnete, und das Siegel der Rainforest Alliance gemeinsam unter dem Label Rainforest Alliance. Das Zeichen mit dem grünen Frosch wird von der Nichtregierungsorganisation Rainforest Alliance an nachhaltige Forstbetriebe und Landwirtschaftsprodukte von Avocados bis Zimt vergeben. "Ausbeuterische Kinderarbeit" gehört zu den Ausschlusskriterien. Seit 2000 gibt es außerdem ein Siegel für nachhaltige Tourismusbetriebe.

Landwirtschaftsunternehmen, deren Produkte das Label tragen, müssen sich an Bestimmungen aus den Bereichen Erhalt der Artenvielfalt, verbesserte Lebensbedingungen und Wohlergehen der Menschen, Schutz natürlicher Ressourcen sowie Steigerung der Effizienz und Produktivität des Farmbetriebes halten. Auf die Erfüllung von weiteren Kann-Kriterien sollen sie hinarbeiten. Kritiker monieren, dass den Bauern keine Mindestpreise garantiert werden und Vorschriften nicht anspruchsvoll genug seien.

Kritik wurde auch laut, als Oxfam 2016 gemeinsam mit anderen NGOs einen Bericht über Besuche auf Ananas- und Bananenplantagen in Südamerika veröffentlichte, von denen einige das Siegel mit dem grünen Frosch trugen. Die Gehälter dort reichten den Arbeitern laut Bericht nicht zum Überleben, außerdem gäbe es viele Berichte über Pestizidvergiftungen. Die Rainforest Alliance ließ die Plantagen überprüfen und konnte keine Verstöße feststellen, so dass die Betriebe ihre Siegel behalten durften.

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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