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Politik

Blaues Wunder: Frauke Petrys neue Partei

14. Oktober 2017

Kaum hat sie der "Alternative für Deutschland" den Rücken zugekehrt, bricht sie zu neuen Ufern auf. Noch ist wenig bekannt über ihre Neugründung - "Die Blaue Partei". Eine Spurensuche von Marcel Fürstenau.

Deutschland Bundestagswahl Frauke Petry verlässt die PK
Eine Frau sieht blau: Frauke Petry mit blauem Handy vor blauer Wand am Tag nach der Bundestagswahl 2017 Bild: Reuters/F. Bensch

Ihr Auftritt vor der Berliner Hauptstadtpresse am Tag nach der Wahl ist schon jetzt legendär. Im Moment des größten Triumphs, dem Einzug in den Deutschen Bundestag, steht Frauke Petry auf und verabschiedet sich von der Alternative für Deutschland (AfD). Die Journalisten, darunter viele aus dem Ausland, sind verblüfft. Und Petrys Parteifreunde - treffender ist wohl der Begriff Parteifeinde - verbergen mühevoll ihr Entsetzen. Mit dieser showreifen Einlage kehrt die inzwischen aus der Partei ausgetretene Mitbegründerin der AfD schlagartig ins Rampenlicht zurück.

Spätestens seit dem Kölner Parteitag im April stand Petry im Schatten ihrer Widersacher um Alexander Gauland. Ihr Versuch, eine Strategie-Debatte zu führen, war erfolglos. Im Wahlkampf spielte die nominelle Nummer eins der AfD nur eine untergeordnete Rolle. In Erinnerung bleiben vor allem Plakate, auf denen sie mit ihrem frisch geborenen fünften Kind posiert. Den Ton gaben allerdings andere vor: Alexander Gauland, Alice Weidel, Björn Höcke.

Geschmackssache: Frauke Petry mit ihrem Neugeborenen, als ihr Herz noch für die AfD schlug Bild: picture-alliance/dpa/M.Skolimowska

Petry erging es letztlich wie Bernd Lucke im Sommer 2015. Mit ihm hatte sie die AfD 2013 gegründet - gegen ihn setzte sie sich zwei Jahre später auf einem außerordentlichen Parteitag in Essen durch und führte die Rechtspopulisten fortan alleine. Der damalige Richtungsstreit und seine Folgen weisen Parallelen zur aktuellen Entwicklung auf. So wie Petry heute ihren ehemaligen Weggefährten einen zu starken Rechtskurs vorwirft, taten es 2015 ihre Gegner. Hans-Olaf Henkel, früher mal Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), verließ die AfD und warnte vor einer "NPD im Schafspelz".

Auf den Spuren des früheren AfD-Widersachers 

Nun wiederholt sich die Geschichte auch in anderer Hinsicht. Lucke gründete wenige Monate nach dem verlorenen Machtkampf eine neue Partei: die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa). Petrys neue politische Heimat heißt jetzt "Die Blaue Partei". Laut Medienberichten soll sie am 17. September, also exakt eine Woche vor der Bundestagswahl, gegründet worden sein. Am 26. September wurde sie von dem einer breiteren Öffentlichkeit nicht bekannten Michael Muster beim Bundeswahlleiter in Wiesbaden angemeldet. Dessen Frau Kirsten Muster ist, wie Petry, aus der sächsischen AfD-Fraktion ausgetreten.

Bernd Lucke wandte sich 2015 von der AfD ab, Frauke Petry folgte ihm zwei Jahre später Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Dass die nunmehr ehemalige AfD-Frontfrau zu neuen Ufern aufbricht, offenbarte sie jetzt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dem deutschlandweit mehr als 30 Tageszeitungen angehören. "Wir werden in den kommenden Monaten das Bürgerforum 'Blaue Wende' vorstellen", kündigt Petry in einem am Freitag veröffentlichten Interview an. Darin könne man sich mit oder ohne Parteibuch und unabhängig von der Farbe engagieren. Um aber an Landtags- oder Bundestagswahlen teilnehmen zu können, muss sich die neue Bewegung als Partei formieren.

Frei und konservativ will die neue Bewegung sein

"Ab November werden wir öffentliche Veranstaltungen anbieten, erst in Sachsen und dann bundesweit", lässt Petry wissen. Das Profil bezeichnet die 42-Jährige als "frei und konservativ". Dafür sieht sie ein großes Potenzial in Deutschland. Etwa jeder Dritte würde sich gerne für ein vernünftiges konservatives Politikangebot entscheiden. Viele davon hätten bei der Bundestagswahl "aus Verzweiflung FDP, AfD oder gar noch einmal Merkel gewählt".

Blau hat in der Politik eine lange TraditionBild: picture-alliance/dpa

Petry, so scheint es, will das Rad keinesfalls neu erfinden, sondern runderneuern. Deshalb auch die Farbe Blau, die eben für konservative, aber auch freiheitliche Politik in Deutschland und Europa stehe. Blau sei aber auch die Farbe, die zuerst die CSU in Bayern politisch populär gemacht habe. "Daran gilt es bundesweit anzuknüpfen." Und der Blick geht schon weit nach vorn: Man werde 2019 bei der Landtagswahl in Sachsen und spätestens 2021 bei der Bundestagswahl sehen, "welcher Politik die Wähler ihre Stimme geben".

Der Traum von einer "geistig-moralischen Wende"

Anknüpfungspunkte für "Die Blaue Partei" sieht Petry vor allem in den 1980er Jahren. Sie erinnert an die von Helmut Kohl "wider den 68er Zeitgeist" ausgerufene "geistig-moralische Wende", zu der es aber nie gekommen sei. Und an die friedliche Revolution in der DDR, "die Wende in Ostdeutschland, die Bürger erkämpft haben". Damals hätten sie sich in Bürgerforen und an Runden Tischen engagiert. "Diesen bürgerlichen Politikansatz möchten wir wieder aufgreifen."

Das war alles, was von Petry auf der Pressekonferenz nach der Bundestagswahl bliebBild: Reuters/W. Rattay

Den Abschied von der AfD empfindet Petry "ein bisschen wie eine Scheidung". Es sei aber auch der "Ballast der innerparteilichen und oft unsagbar kleinlichen Auseinandersetzungen von der Seele gefallen". Sie fühle sich "befreit" - und plant offenbar Großes. In einer ähnlichen Stimmungslage befand sich 2015 ihr früherer politischer Freund Bernd Lucke. Dessen erst 2015 gegründete Partei "Alfa" nennt sich seit November 2016 "Liberal-Konservative Reformer" (LKR). Klingt programmatisch wie Petrys neue politische Heimat.

Blau symbolisiert Sehnsucht - und Wanderschaft

Mit dem Namenswechsel änderte sich in der Lucke-Partei auch die Farbe: Orange statt Blau. Blau ist auch die dominierende Farbe der AfD. Und nun gibt es auch noch "Die Blaue Partei". In der romantischen Symbolik steht diese Farbe für Sehnsucht, Liebe, Unendlichkeit - und Wanderschaft. Die politische Wanderin Frauke Petry hat sich gerade auf einen neuen Weg begeben.

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