Nicht von der Stange
19. September 2010Der Topseller von Promi-Designer Daniel Fendler ist royalblau: Das Mieder ist aus Samt, der Rock aus Baumwolle, weiß-blau kariert. Die Schürze zieren Edelweiß und Hirsch. Das Dirndl-Modell "Elly" ist ein Traum für Touristen, schmunzelt Daniel Fendler. "Die springen total darauf an, vielleicht weil es so ist, wie man sich ein bayerisches Dirndl vorstellt: weiß-blau und ein bisschen kitschig".
Ob Fernost oder Ostsee, Fendlers Dirndl reisen in die ganze Welt. Aber auch viele Prominente aus Deutschland kaufen hier oder Schüler, die lange auf ein Fendler-Dirndl sparen. Dirndl und Tracht auf der Wiesn ist en vogue.
Gutes hat seinen Preis
Allerdings verwechseln vor allem Besucher des Oktoberfestes gerne gut mit günstig. Ab September werden in München aus Coffeshops oder Handy-Läden Dirndlgeschäfte. Dort gäbe es aber nur billigen Abklatsch "Made in China", schimpfen die Fachhändler. Eine Lederhose für 39 Euro könne "gar nix gscheits" sein, grantelt Schausteller und Trachtenspezialist Edmund Radlinger. Die werde - einmal mit Bier getauft oder im Regen gelaufen - hart und unnachgiebig wie eine Pressspanplatte. Eine anständige Lederhose koste mindestens 500 Euro und ist aus Hirschleder.
Ein Dirndl liegt der ähnlichen Preisklasse. Streng genommen ist das Dirndl aber keine Tracht, vielmehr das traditionelle Kleidungsstück der Städterin. Dass es so in Mode kam, hat auch mit den Olympischen Spielen 1972 in München zu tun. Die Hostessen warben damals mit Dirndl in den Stadtfarben schwarz-gelb für die bayerische Landeshauptstadt.
Münchner Szene entdeckt das Dirndl
Heutzutage kommen vor allem die jungen Leute im Dirndl zum Party-Machen ins Bierzelt. Rund um das Oktoberfest hat sich in München eine Szene junger Designerinnen mit ungewöhnlichen Dirndl-Modellen entwickelt.
Laura Kroell das Label "Heimatpunk" gegründet. Sie näht Dirndl mit Stoffen aus Geschichte: Eine alte Tischdecke wird zur Schürze oder zur Bluse. Stoffe von der Oma bekommen eine zweite Heimat als Mieder oder Rock. "Ich mag es, wenn sich Geschichten in den Kleidungsstücken wieder finden, das hat auch mit Heimat zu tun", sinniert die Modedesignerin.
Heimat - ironisch überhöht - gibt es bei "Westwärts", ebenfalls ein junges Dirndllabel. Die beiden Designerinnen haben einen besonderen Service entwickelt: "Pimp my Dirndl". Das alte Stück von Mama wird aufgehübscht mit Plastikblumen und bunten Borten. Dazu gibt es die karierte Dirndl-Schürze aus der "Westwärts"-Kollektion. Darauf röhrt der Hirsch und muht die Kuh.
Das afrikanische Dirndl
Heimat im anderen Sinne bringt Rabia Darouiche auf ihre Trachtenkollektion. Seit zwei Jahren entwirft die Designerin aus Kamerun Dirndl mit afrikanischen Stoffen: gewachste Baumwollprints mit großen Blumen, Spiralen oder Schlangen. Rabia Darouiche ist mit diesen Stoffen aufgewachsen. Frauen wie Männer tragen in Rabias Heimat die Tücher nur leger um die Hüften gebunden. In München werden sie nun gerafft und zum Dirndlkleid.
Für die oberbayerische Wirtin Aissatou Dramé mit senegalesischen Wurzel sind Darouiches Dirndl ein "Must-Have". Ihr Dirndl ist mit goldenem Paillettenmieder verziert. "Ich lebe für die Wiesn", lacht die junge Wirtin und dreht sich in dem eigens für sie angefertigten Prachtstück. "Das ganze Flair dort ist so toll, tanzen auf dem Tisch und so - also Oktoberfest ist genau meins."
Autorin: Tanja Gronde
Redaktion: Kay-Alexander Scholz