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Politik

Bloß nicht auffallen: Illegal in den USA

19. Dezember 2016

Ein besseres Leben oder der Liebe wegen: Die Gründe, warum so viele Migranten illegal in die USA kommen, sind meist dieselben. Donald Trump will hart gegen sie vorgehen. Jennifer Wagner berichtet aus Washington.

Immigranten in den USA - Bloß nicht auffallen
Bild: DW/J. Wagner

US-Präsident Barack Obama gab Luis Flores einst eine Chance - doch diese könnte dem 20-Jährigen unter Donald Trump zum Verhängnis werden. Luis war einer der ersten jungen Einwanderer ohne legale Papiere, die mit dem sogenannten DACA-Programm eine zeitlich begrenzte Arbeitserlaubnis und eine Sozialversicherungsnummer erhalten haben. Seit Obama das Programm 2012 etabliert hat, arbeiten mehr als 700.000 Migranten auf diese Weise legal in den USA.

Das Problem ist jedoch jetzt: DACA (Deferred Action for Childhood Arrivals) ist die perfekte Datenquelle für Trump, der möglichst hart gegen die mehr als 11 Millionen Einwanderer vorgehen will, die sich illegal in den USA aufhalten. "Die DACA-Bezieher können sich nicht verstecken", sagt Migrationsexperte Edward Alden vom Council on Foreign Relations. "Die Regierung weiß, wo sie sind." Name, Adresse, Geburtsdatum: Es sei alles gespeichert. Für alle anderen heißt es im Moment: Bloß nicht auffallen.

Tragweite erst spät erfasst

Luis will aber bleiben - er hat sich ein Leben in den USA aufgebaut und arbeitet mittlerweile im Büro des Bürgermeisters von Los Angeles. Luis lebt seit seinem zweiten Lebensjahr in Kalifornien. Seine Eltern waren hier auf der Suche nach einem guten Leben, wollten ihrem Sohn bessere Bildungschancen als in Mexiko ermöglichen.

Was es für Konsequenzen hat, dass er und seine Eltern keine legale Aufenthaltsgenehmigung haben, war Luis lange nicht bewusst. Erst als er und seine Freunde sich während ihres letzten Highschool-Jahres um die College-Bewerbungen kümmerten, wurde ihm bewusst: Ihm fehlt etwas. "In den Formularen sollte man seine Sozialversicherungsnummer und seinen Aufenthaltsstatus angeben", sagte der heute 20-Jährige gegenüber der DW. "Erst da wurde mir klar, was es bedeutet, dass ich keine Papiere habe." Er hatte diese Unterlagen schlicht nicht. An einigen Universitäten können sich Einwanderer ohne Papiere aber trotzdem bewerben - so kam Luis an die California State University.

Mit Beginn des Colleges entschied er sich nicht mehr zu verstecken. "An der Highschool kannte ich keinen anderen Migranten ohne Papiere, man hat auch einfach nicht darüber gesprochen", sagt er heute. Am College änderte sich das. "Die Umgebung ist einfach anders, ich hatte das Gefühl, dass ich über meinen Status reden konnte und musste - und plötzlich fand ich weitere Studenten, die ebenfalls keine Papiere hatten." Seitdem engagiert Flores sich in Organisationen für die Rechte von Migranten. "Wir müssen uns einfach bemerkbar machen. Es ist ja nicht unsere Schuld, dass wir hier sind ohne legalen Status."

Seinen Eltern macht er aber auch keinen Vorwurf: "Sie kamen hierher, um mir bessere Chancen zu bieten - und das hat geklappt. Ich kann studieren, arbeiten, wir haben ein Dach über dem Kopf und genug Essen. Uns geht es gut." Doch wie lange sie noch bleiben können, ist ungewiss.

Was will Trump eigentlich?

Sollte der designierte Präsident Trump seine Ankündigungen wahr machen, könnte es schwierig werden für Luis und seine Familie. Illegale Einwanderung war für Trump seit Beginn seines Wahlkampfs eines der bedeutendsten Themen. Abgesehen von einer Mauer zu Mexiko, sagte Trump jüngst in einem Interview, will er zügig bis zu drei Millionen Migranten ohne Papiere abschieben. Zunächst gehe es ihm vor allem um Kriminelle, doch sobald die Grenze sicher sei, müsse entschieden werden, was mit den anderen Einwanderern ohne Papiere geschehe.

Flores setzt sich in Kalifornien für die Rechte von Einwanderern ohne Papiere einBild: privat

Dass Trump direkt nach Amtsantritt Millionen Menschen ausweisen kann, bezweifelt Migrationsexperte Edward Alden allerdings. "Dafür müsste erheblich mehr Personal eingestellt werden, maximal 500.000 Abschiebungen in einem Jahr sind derzeit realistisch", sagte er der DW. Dennoch: Trump hat bereits vor seiner Wahl angekündigt: Jeder, der die USA illegal betreten hat, ist potenziell von einer Abschiebung betroffen.

Wegen der Liebe

Diese Warnung hat auch Madai Ledezma Dominguez gehört. Ihre Geschichte, wie sie in die USA kam, klingt schon fast romantisch, wenn sie nicht so tragisch wäre: Vor 11 Jahren folgte die Mexikanerin ihrer großen Liebe in die USA: Sie ließ ihre Eltern und Geschwister zurück, überquerte in Texas illegal die Grenze und begann ein neues Leben mit ihrem Mann in einem Vorort von Washington, DC.

Tochter Heather kam vor acht Jahren zur Welt - in den Vereinigten Staaten. Heather hat dadurch die amerikanische Staatsbürgerschaft, sie ist ein sogenanntes Anker-Baby. Madai und ihr Mann leben weiter ohne legale Papiere in den USA. Die Geschichte der kleinen Familie ist bei weitem kein Einzelfall in Amerika. "Por el amor", wie Dominguez auf Spanisch sagt, "wegen der Liebe" kämen die meisten Mexikanerinnen. Die Männer seien meist voraus gegangen auf der Suche nach einem besseren Job.

In einem Schulprojekt hat die achtjährige Heather beschrieben, was sie an ihrer Kultur liebtBild: DW/J. Wagner

Seit der Wahl macht sich Madai vor allem um Tochter Heather große Sorgen. Vielleicht steht bald eine gewichtige Entscheidung an. "Wenn mein Mann und ich abgeschoben werden, muss ich sie eventuell hier zurücklassen und sie kommt in ein Heim", sagt sie. Sie würde ihre Tochter lieber in den USA lassen. Ihre Zukunftschancen seien hier einfach besser. Die diffuse Angst vor der Abschiebung begleitet Madai schon länger - immerhin wurden unter Obama rund 2,5 Millionen Migranten ohne Papiere ausgewiesen, Medien nannten den Demokraten gar "deporter-in-chief" - den Chef-Abschieber. Doch mit Trumps Ankündigungen, viele Einwanderer schnell abzuschieben, wird die Angst noch realer.

Bis klar ist, was der neue Präsident wirklich umsetzt, werden Luis und Madai weiter in der Ungewissheit leben müssen. Beide haben sich entschieden, sich öffentlich für die Rechte von Migranten einzusetzen. Sie wollen ihre Chance in den USA nutzen. "Ich hoffe zwar, dass es ein gutes Ende nehmen wird", sagt Luis, "aber unsere Gemeinschaft hat Angst."