So, die Nobelpreise 2014 sind vergeben. Die Auszeichnung in Chemie geht an den Deutschen Stefan Hell und die beiden Amerikaner Eric Betzig und William Moerner. Der ganze Tag chronologisch in diesem Blog.
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Wir schließen jetzt diesen Live-Blog. Unseren ausführlichen Artikel zum Nobelpreis für Chemie mit exklusiven Reaktionen, Einordnungen und Erklärungen finden Sie in Kürze bei uns auf dw.de/wissenschaft. Es waren drei spannende Tage!
Dieses Video wurde uns heute von BAYER zur Verfügung gestellt. Es erklärt schön verständlich, wie die Fluoreszenzmikroskopie funktioniert und weshalb die Arbeiten der Nobelpreisträger so bedeutend sind.
Dieser Satz von Michael Boersch (Physikochemiker, Uni Jena) über seinen Kollegen und Freund William Moerner gefällt uns besonders gut:
"Unser WE (damit meint er Moerner) ist sehr normal. Was ihn aus meiner Sicht auszeichnet: dass er hellwach ist und sich sehr genau um alle seine Doktoranden und Postdocs kümmert und auch sehr genau Fragen stellt. Er ist kein Managertyp, der nur noch einmal die Woche da ist."
Wir diskutieren hier gerade, warum Physiker den Chemie-Nobelpreis bekommen. Stefan Hell ist Physiker, Eric Betzig ist Physiker und auch William Moerner ist Physiker (und Chemiker). Die Grenzen zwischen den Wissenschaften scheinen zu verschwinden.
Wir haben darüber auch mit einem engen Kollegen von William Moerner gesprochen, mit Michael Boersch vom Universitätsklinikum in Jena und er sag dazu folgendes:
""In der Physik gibt es fünf große Themen. Und alles, was in diese Themen nicht genau reinpasst, kriegt auch keinen Nobelpreis." Aha.
Wir müssen noch das Alter der drei ausgezeichneten Forscher nachreichen:
Stefan Hell: 51 Jahre
Eric Betzig: 54 Jahre
William Moerner: 61 Jahre
Die erste Reaktion von Eric Betzig gegenüber der Nachrichtenagentur dpa:
"Ich gucke seit einer halben Stunde auf meinen Computer, aber könnte genau so gut ins Nichts gucken. Ich bin wie gelähmt. Ich freue mich natürlich. Aber das vorherrschende Gefühl ist eigentlich Überraschung. Totale Überraschung."
Komisch, irgendwie versammeln sich einige der diesjährigen Nobelpreisträger gerade in München - Edvard Moser, der den Medizin-Nobelpreis erhält, ist seit Montag am MPI für Neurobiologie in Martinsried bei München - ihm wurde bei seiner Ankunft am Flughafen der Blumenstrauß in die Hand gedrückt und jetzt erfahren wir: auch Chemie-Nobelpreisträger Eric Betzig ist in München, um dort (heute um 14:00 Uhr!) einen Vortrag zu halten. Sachen gibt's ...
Stefan Hells erste Reaktion heute Morgen, als er vom Ständigen Sekretär der schwedischen Wissenschaftsakademie noch vor der offiziellen Verkündung angerufen wurde:
"Im ersten Moment habe ich gedacht, das ist vielleicht ein Scherz. Ich konnte es nicht glauben! Glücklicherweise habe ich die Stimme von Staffan Normark wiedererkannt, deshalb habe ich realisiert, dass es wahr ist. Aber ich habe eine Weile gebraucht, das zu realisieren."
Sogar das Auswärtige Amt hat schon gratuliert
So sehen Zellen unter dem Fluoreszenzmikroskop aus. Hell, Betzig und Moerne revolutionierten diese Technik.
So, wir müssen doch korrekt bleiben, trotz Euphorie: Stefan Hell ist in Rumänien geboren. Also auch dorthin Glückwünsche. Here he is ...
Alle drei Forscher erhalten die Auszeichnung für die Entwicklung der superauflösenden Fluoreszenzmikroskopie. Mit Hilfe von fluoreszierenden Molekülen haben es Hell, Moerner und Betzig geschafft, so hoch auflösende Mikroskope zu schaffen, mit denen man nicht nur kleinste Zellstrukturen deutlich erkennen kann sondern sogar Vorgänge innerhalb einer Zelle.
Die Königlich-Schwedische Akademie meint dazu: "Dadurch wurde die Mikroskopie zur Nanoskopie".
Stefan Hell wurde schon mit Auszeichnungen überhäuft! 2006 erhielt er zum Beispiel den Deutschen Zukunftspreis, 2011 den Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft und im Mai 2014 den renommierten Kavli-Preis, darüber haben wir auch bei der DW berichtet.
Herzlichen Glückwunsch nach Göttingen ans Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Wir hängen am Telefon und versuchen den Direktor und frischgebackenen Nobelpreisträger Stefan Hell zu erwischen.
Der Nobelpreis für Chemie wird seit 1901 verliehen. Oft heißt es, die prämierten Entdeckungen seien für Laien nur schwer verständlich. Aber unsere Bildergalerie zeigt: Das stimmt gar nicht!
Nobelpreis für Chemie: Gar nicht abgehoben
Der Nobelpreis für Chemie wird seit 1901 verliehen. Oft heißt es, die prämierten Entdeckungen seien für Laien nur schwer verständlich. Aber unsere Bildergalerie zeigt: Das stimmt gar nicht!
Bild: Imago/Science Photo Library
1902: Zuckersüße Chemie
Süß ging es zu Beginn des letzten Jahrhundert zu: Als erster Deutscher durfte sich Hermann Emil Fischer über einen Chemie-Nobelpreis freuen. Die Auszeichnung erhielt er für seine Arbeiten über Zucker. Unter anderem entwickelte er eine Methode, die komplizierten dreidimensionalen Strukturen von Zuckermolekülen zu Papier zu bringen.
Bild: picture-alliance/dpa
1904: Der Inhalt von Heliumballons
Der Schotte Sir William Ramsay entdeckte die reaktionsträgen Edelgase. Sie sind Bestandteile der Luft um uns herum und reagieren nur sehr selten mit anderen Verbindungen. Zu den Edelgasen zählt das Helium, das Kinderballons Richtung Himmel streben lässt. Auch Neon aus den nach ihm benannten Lampen ist ein Edelgas.
Bild: picture-alliance/Bildagentur Huber
1907: Bierherstellung auch ohne Leben
Der Deutsche Eduard Buchner entdeckte, dass es für Gärprozesse nicht zwingend lebende Zellen braucht. Bei der Gärung zersetzen beispielsweise Hefezellen Zuckermoleküle zu Alkohol, etwa in der Bierherstellung. Buchner zeigte, dass dieser Vorgang auch mit toten, zerkleinerten Hefezellen funktioniert. Das war zur damaligen Zeit unvorstellbar.
Bild: Fotolia/ExQuisine
1911: Strahlende Bekanntschaft
Marie Curie erhielt sogar gleich zwei Nobelpreise: 1903 in Physik und acht Jahre später in Chemie. Sie entdeckte die radioaktiven Elemente Radium und Polonium. Sie zersetzen sich spontan und senden dabei Strahlung aus. Das giftige Polonium kommt natürlicherweise in Uranerzen vor. Größere Konzentrationen finden sich in Tabakrauch.
Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library
1915: Schöne bunte Pflanzen
Der deutsche Chemiker Richard Willstätter erhielt den Nobelpreis für seine Untersuchungen zu Farbstoffen im Pflanzenreich. Vor allem das Chlorophyll war eine Auszeichnung wert: Es gibt den Pflanzen ihre grüne Farbe und ermöglicht es ihnen, aus Sonnenlicht, Wasser und Kohlendioxid Zucker herzustellen.
Bild: picture-alliance/dpa
1918: Dünger für die Welt
Der Deutsche Fritz Haber erforschte, wie sich Ammoniak aus den Elementen Wasserstoff und Stickstoff herstellen lässt. So wurde es möglich, Kunstdünger herzustellen und die wachsende Weltbevölkerung besser zu ernähren. Andererseits war die Ammoniaksynthese auch die Geburtsstunde der Sprengstoffherstellung.
Bild: Getty Images
1927: Natürliche Verdauungshilfen
Heinrich Otto Wieland, ebenfalls Deutscher, wurde mit dem Nobelpreis geehrt, weil er die Zusammensetzung der Gallensäure herausfand. Die Gallensäuren als Bestandteil der Galle werden in der Leber hergestellt. Sie helfen dem Körper dabei, Fett zu verdauen und aufzunehmen.
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1939: Warum Frauen Frauen sind und Männer Männer
Der Deutsche Adolf Butenandt erhielt den Nobelpreis für seine Arbeiten an menschlichen Sexualhormonen. Hitler verbot ihm aber, den Preis anzunehmen. Butenandt isolierte erstmals viele der Hormone, die unsere Sexualfunktionen steuern. Die Substanzen sind dafür verantwortlich, dass weibliche und männliche Embryonen zu Frauen bzw. Männern werden.
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1944: Atomkerne spalten - für Strom oder Bomben
Otto Hahn entdeckte die Kernspaltung von Atomen. Schießt man ein kleines Teilchen, das Neutron, auf einen schweren Atomkern, zerlegt sich dieser in zwei kleinere Atomkerne. Dabei wird viel Energie frei - und weitere Neutronen. Es entsteht eine Kettenreaktion. Hahn machte so Kernkraftwerke, aber auch die Entwicklung der Atombombe möglich.
Bild: picture alliance / dpa
1958: Stoff für Diabetiker
Der Brite Frederick Sanger klärte die Struktur des Hormons Insulin auf. Diabetiker können kein oder nicht genug Insulin produzieren und müssen die Verbindung daher regelmäßig spritzen, um am Leben zu bleiben. Insulin wird inzwischen problemlos in großen Mengen mit Gentechnik hergestellt.
Bild: Fotolia/Dmitry Lobanov
1963: Endlich Plastiktüten!
Der Deutsche Karl Waldemar Ziegler teilte sich 1963 den Preis mit dem italienischen Chemiker Guilio Natta. Die beiden entwickelten ein Verfahren, um den Kunststoff Polyethylen herzustellen. Aus dem bestehen beispielsweise Plastiktüten.
Bild: picture alliance/WILDLIFE
1995: Wie Ozonlöcher entstehen
Paul Crutzen, Mario Molina und Frank Rowland erforschten die Chemie der Erdatmosphäre, insbesondere die Bildung und den Abbau von Ozon. Die drei Forscher zeigten auch, wie empfindlich die Ozonschicht auf menschengemachte Emissionen reagiert und erklärten damit das Ozonloch. Das war dem Nobelpreiskomitee eine Auszeichnung wert.
Bild: picture-alliance/dpa
2008: Grün leuchtende Mäuse
Etwas abgehoben wird es doch noch: Wenn es um das grün fluoreszierende Protein geht. Das erforschten Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien. Das Eiweiß kommt natürlicherweise in einigen Quallenarten vor. Mit der Gentechnik stellen es auch Mäuse her. So lassen sich Stoffwechselprozesse im lebenden Organismus beobachten.
Bild: picture-alliance/dpa
2013: Chemie im Cyberspace
Computerprogrammen analysieren komplexe chemische Strukturen, zerpflücken sie und kombinieren sie kreativ wieder neu. So lassen sich ihre Reaktionen voraussagen. Die drei Nobelpreisträger Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel legten den Grundstein dafür. Und bereiteten damit auch den Weg für die Entwicklung von Medikamenten am Computer.
Bild: picture-alliance/dpa
2014: Helden der Mikroskopie
Der deutsche Physiker Stefan Hell und die beiden US-Amerikaner Eric Betzig und William Moerner entwickelten eine neue Mikroskopie-Methode. Diese verschiebt die Grenzen der Lichtmikroskopie in den Nanobereich - und selbst lebendes Gewebe, etwa Krebszellen, lassen sich damit eingehend untersuchen.
2018: Revolution der Evolution
Frances H. Arnold sowie George P. Smith und Gregory P. Winter haben in die Evolution eingegriffen und dadurch im Labor etwas erschaffen, das die Natur selbst nicht hervorgebracht hat. Claes Gustafsson vom Nobelpreiskomitee sagte: "Sie haben die Prinzipien von Charles Darwin im Reagenzglas angewendet." Mit ihren Methoden produzieren Medikamentenhersteller heute zum beispiel Insulin für Diabetiker.
Noch knapp zweieinhalb Stunden bis der diesjährige Nobelpreis für Chemie verliehen wird. Zur Einstimmung, hier die bisher wohl bekanntesten Preisträger: