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"Blogger attackieren nicht mit Macheten"

Arafatul Islam/ tko10. September 2015

Nach dem Mord an vier Bloggern in diesem Jahr fürchtet Shammi Haque um ihr Leben. Im Interview mit der DW erklärt die Bloggerin, warum die Meinungsfreiheit in Bangladesch auf dem Spiel steht.

Bangladesch Bloggerin Shammi Haque
Bild: DW/G. Ketels

Shammi Haques Name steht noch nicht auf den Mordlisten, die von religiösen Fundamentalisten in Bangladesch veröffentlicht wurden. Gefährdet ist sie trotzdem. Nach dem Mord an Blogger Niladri Chattopadhyay, besser bekannt unter dem Namen Niloy Neel, ist den Bloggern in Bangladesch klar geworden, dass jeder von ihnen das nächste Opfer sein kann. Bis zu seinem Tod nahm Shammi Haque als enge Weggefährtin häufig mit Niloy an Protestaktionen gegen religiösen Fundamentalismus in der Hauptstadt Dhaka teil.

Shammi Haque, in diesem Jahr für die Bobs, den Blogger-Preis der DW nominiert, hat erreicht, dass sie unter Polizeischutz gestellt wird. Drei Polizisten begleiten sie jetzt jedesmal, wenn sie ihre Wohnung in Dhaka verlässt. Im DW-Interview spricht die 23-Jährige über die Bedrohung durch Islamisten und deren Wut auf Blogger in Bangladesch.

DW: Wieso glauben Sie, dass religiöse Fundamentalisten Sie angreifen könnten?

Shammi Haque: Diese Serie von Angriffen auf Blogger und Aktivisten hat mich erschreckt. Seit dem Mord an Niloy im August bin ich untergetaucht. Als ich am Abend des 27. August meine Wohnung in Dhaka verlassen habe, um spazierenzugehen, wurde ich von zwei jungen Leuten verfolgt. Sie benahmen sich sehr verdächtig.
Zum Glück konnte ich sie mit der Hilfe zweier Freunde abschütteln. Uns ist es gelungen, sie zu fotografieren, und wir haben die Polizei verständigt. In der Zwischenzeit habe ich am Telefon wegen meiner Aktivitäten mehrere Todesdrohungen erhalten.

"Wer Fragen über Mohammed stellt, diffamiert nicht den Islam'": Bloggerin Shammi HaqueBild: DW/G. Ketels

Es gibt viel Misstrauen zwischen der Polizei und Bloggern in Bangladesch. Einige Blogger haben sogar gesagt, dass das Risko, ermordet zu werden, steigt, wenn man sich um Polizeischutz bemüht. Warum trauen Sie der Polizei?

Es stimmt, dass es viele Kontroversen über unsere Polizeikräfte gibt. Der Atheist, Blogger und Schriftsteller Avijit Roy wurde am 26. Februar vor den Augen der Polizei in Dhaka regelrecht abgeschlachtet. Bis jetzt ist es der Polizei nicht gelungen, die wahren Schuldigen zu verhaften.
Und die Polizei kann ganz leicht für die Täter wichtige Informationen durchsickern lassen - das ist mir klar. Trotzdem habe ich mich sehr gefürchtet, seit ich verfolgt wurde, und habe gedacht, dass die Fotos der Verdächtigen der Polizei helfen könnten, sie zu identifizieren.

Man geht davon aus, dass religiöse Fundamentalisten für die Angriffe auf Blogger verantwortlich sind. Warum sind sie Bloggern gegenüber so feindselig eingestellt?

Bangladesch ist ein säkulares Land - so steht es in der Verfassung. Doch dieses Prinzip ist in unserer Gesellschaft nicht verwurzelt. Direkt nach den Shahbag-Protesten 2003 - einer Bewegung, die zum Ausdruck brachte, dass wir in diesem Land eine säkulare Gesellschaft brauchen - machte sich die Fehleinschätzung breit, dass nur Atheisten Blogs schreiben. Und religiöse Fanatiker glauben, dass Atheisten die Feinde des Islam sind und getötet werden sollten. Sie behaupten sogar, dass man durch den Mord an einem Atheisten ganz einfach in den Himmel kommen kann.
Allerdings hätte sich die Situation nicht so verschlimmert, wenn die Regierung früher gegen religiöse Fanatiker durchgegriffen hätte. Jetzt wird wegen der Untätigkeit der Regierung ein Blogger nach dem anderen umgebracht.

Monirul Islam, ein hoher Polizeiverteter in Dhaka, hat gesagt, dass Blogger absichtlich " Hass verbreiten und reliöse Gefühle verletzen". Wie sehen Sie das?

Ich kann mit dem Ausdruck "Verletzung religiöser Gefühle" nichts anfangen. Die Religion ist nicht so schwach, dass sie durch das Schreiben eines Blogs herabgewürdigt werden kann. Zum Beispiel hat jemand ein Foto der Kaaba auf Facebook gepostet und behauptet, das Bild sei vor 2000 Jahren aufgenommen worden. Ich könnte das infrage stellen, weil es damals keine Kameras gab. Falls es Leute gibt, die glauben, dass Fragen nach der Authentizität des Fotos ihre Religion herabwürdigt, dann ist es deren Problem.

Ich denke überhaupt nicht, dass Blogger irgendeine Religion verunglimpfen. Sie sind freie Denker und das wichtigste ist: Sie attackieren niemanden mit Macheten.

Von Fanatikern ermordet: Blogger Avijit RoyBild: Privat

Einige Blogger haben in Bangladesch Berichten zufolge eine "satirische Woche über Mohammed" auf Facebook veranstaltet - kurz nach den Attentaten auf die Redaktion von Charlie Hebdo im Januar. Glauben Sie, das war ein absichtlicher Versuch, eine Religion herabzuwürdigen?

Ich denke nicht. Sagen wir, der Prophet Mohammed hat ein fünfjähriges Mädchen geheiratet, als er 50 war. In Anbetracht von Wissenschaft und Natur könnte ich sagen, das war eine Kinderheirat und könnte Fragen stellen: Wie kann ein Anführer dieses Niveaus ein fünf Jahre altes Mädchen heiraten? Ich denke nicht, das das Stellen einer solchen Frage oder das Organisieren eines Facebook-Events den Islam diffamiert.

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