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Blogger in Deutschland auf Todesliste

1. Oktober 2015

Auf brutalste Weise wurden in diesem Jahr vier Blogger in Bangladesch ermordet. Jetzt nimmt der Kampf gegen die Meinungsfreiheit neue Dimensionen an: Auf den Todeslisten stehen auch Blogger in Deutschland.

Protest nach dem Mord an Blogger Niloy Chakrabarty (Archivbild: AP Photo/Rajib Dhar)
Flammender Protest nach dem Mord an Blogger Niloy Chakrabarty (August 2015)Bild: picture-alliance/AP Photo/Rajib Dhar

Die Verbrechen schockierten wegen ihrer Brutalität: Weil sie sich kritisch mit dem Islam auseinandergesetzt hatten, wurden innerhalb weniger Monate vier Blogger in Bangladesch mit Messern und Macheten zerstückelt. Den Autor Avijit Roy hatte es im Februar getroffen. Einen Monat später wurde sein Kollege Washiqur Rahman in der Hauptstadt Dhaka angegriffen und tödlich verletzt.

Ananta Bijoy Das, der hauptberuflich bei einer Bank arbeitete, lauerten im Mai mehrere Maskierte in der Regionalhauptstadt Sylhet auf und erstachen ihn. Im August schließlich drangen mehrere Unbekannte nach dem Freitagsgebet in die Wohnung von Niloy Chakrabarty in Dhaka ein und töteten den 40-Jährigen.

Jetzt nimmt der Kampf gegen die Meinungsfreiheit ein bislang ungekanntes Ausmaß an: Auf einer Todesliste stehen 21 Blogger, Autoren und Aktivisten, die aus dem Land stammen, heute aber im Exil leben. Die Verfasser rufen die Regierung Bangladeschs dazu auf, diesen "Feinden des Islams" die Staatsbürgerschaft zu entziehen; andernfalls werde man sie auch im Exil verfolgen und töten.

Zur Selbstzensur aufgerufen

Die Todesliste sei ein Angriff auf die Pressefreiheit, erklärte der Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen" (ROG), Christian Mihr. Die Regierung Bangladeschs forderte er auf, Journalisten besser zu schützen, Religions- und Meinungsfreiheit zu garantieren und die Mörder der Blogger zu bestrafen.

Zwar seien bereits mehrere Islamisten als Verdächtige festgenommen worden, doch darüber hinaus hätten die Behörden des überwiegend muslimisch geprägten Landes nur wenig getan - stattdessen hätten sie zur Selbstzensur aufgerufen und empfohlen, keine provokanten Artikel zu religiösen Fragen zu veröffentlichen. Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" belegt Bangladesch Platz 146 von 180 Staaten.

Exilblogger bezweifeln Echtheit

Der Vater des Bloggers Avijit Roy spricht auf der Beerdidung seines Sohnes (März 2015)Bild: picture-alliance/AA/Zakir Hossain Chowdhury

"Reporter ohne Grenzen" kann die Herkunft der Liste, wie es hieß, "nicht mit letzter Sicherheit" bestätigen. Sie stamme vermutlich von der islamistischen Gruppe "Ansarullah Bangla Team", die für die vier Morde an den säkularen Bloggern verantwortlich gemacht wird, teilte ROG mit. Die Gruppe stehe der islamistischen Bewegung "Ansar-al-Islam" nahe, die als Teil von Al-Kaida auf dem indischen Subkontinent gelte.

Einige Exilblogger hegen allerdings Zweifel an der Echtheit der Liste. Sie vermuten, dass sie nicht von Extremisten, sondern von interessierten Kreisen stammen könnte, die westliche Regierungen unter Druck setzen wollten.

Sechs der Bedrohten leben in Deutschland, neun in Großbritannien, drei in Schweden, zwei in den USA und einer in Kanada. Darunter ist auch der 24-jährige Ananya Azad, der seit Juni Stipendiat der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte ist und schon vor zwei Jahren auf einer Todesliste islamistischer Extremisten stand. In seinen Texten setzte er sich für Frauenrechte ein und kritisierte religiösen Fundamentalismus.

"Ich stehe unter Polizeischutz"

Die Ehefrau des im Februar ermordeten Bloggers Avijit Roy, Rafida Bonya Ahmed, haben die Terroristen ebenfalls im Visier: Sie wird in dem Dokument namentlich genannt. Für ihren Blog "Mukto Mona" hat sie im Sommer den Preis für Soziale Veränderungen im Rahmen der "Bobs - Best of online Activism" der Deutschen Welle erhalten.

Wie ernst die Drohungen sind, zeigte sich bereits vor einigen Wochen: Mehrere in Deutschland lebende Bangladescher haben direkte Morddrohungen erhalten. Einer dieser Blogger hatte der Deutschen Presse-Agentur gesagt, er stehe unter Polizeischutz und sei zu seiner Sicherheit an einen anderen Ort gebracht worden.

jj/se (dpa, afp, kna, epd, rtr, rog)

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