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"Blutmineralien": Was Kongos Klage gegen Apple bedeutet

20. Dezember 2024

Die DR Kongo beschuldigt Apple, illegale "Blutmineralien" zu verwenden. Der US-Konzern widerspricht vehement - doch Experten wie lokale Aktivisten bestätigen dubiose Transportwege über Ruanda und Uganda.

Ein Mann mit Maschinengewehr läuft einen steilen Hang entlang, im Vordergrund sind Gesteinsbrocken gestapelt
Mineralien aus Konfliktgebieten: Dieser bewaffnete Sicherheitsmann in einer Zinn-Mine in Nordkivu gehört zur kongolesischen Minenpolizei (Archivbild)Bild: ZUMA Press/IMAGO

"Der Kongo will Verbrauchern zeigen: Das Produkt, das ihr in den Händen haltet, ist von internationalen Verbrechen verseucht." So formuliert der belgische Anwalt Christophe Marchand im DW-Gespräch das Ziel seines Mandanten. In der am Dienstag eingereichten Klage, die für viel Aufsehen sorgte, wirft die DR Kongo dem Tech-Giganten Apple vor, Rohstoffe zu verwenden, die aus dem illegalen Abbau in kongolesischen Minen stammen.

Es geht vor allem um sogenannte 3T-Rohstoffe (Zinn, Tantal, Wolfram) und Gold. Einige Minen werden von bewaffneten Gruppen betrieben, die nach Angaben von UN-Experten und Menschenrechtsgruppen an Massakern an der Zivilbevölkerung, Massenvergewaltigungen, Plünderungen und anderen Verbrechen beteiligt sind.

Vorwurf: Schmuggel über Ruanda

Konkret beschuldigt der Kongo die französischen und belgischen Tochtergesellschaften von Apple, kongolesische Rohstoffe über Ruanda zu schmuggeln. Neben "Waschen von Rohstoffen aus Konfliktgebieten" lautet einer der Vorwürfe, die die Anwälte im Auftrag des kongolesischen Justizministers erheben, auch "irreführende Geschäftspraktiken, um den Verbrauchern zu versichern, dass die Lieferketten sauber sind".

Die Klage erfährt auch Zuspruch aus der lokalen Bevölkerung. "Ich finde, dass Apple ein mafiöses Unternehmen ist, und unterstütze den Staat. Ich nehme an, dass es irgendwo Beweise gibt, um eine solche Anklage erheben zu können", so ein Bewohner von Goma, der Provinzhauptstadt Nordkivus, gegenüber der DW.

Die kongolesische Regierung gibt an, über ebensolche Beweise zu verfügen - sie sollen unter anderem von Whistleblowern stammen. Ziel der Klage sei es, "Einzelpersonen und Unternehmen zu konfrontieren, die an der Kette der Gewinnung, Beschaffung und Vermarktung der in der DRK geplünderten natürlichen Ressourcen und Mineralien beteiligt sind".

Apple widerspricht und betont eigene Sorgfalt

Apple selbst sieht das erwartungsgemäß anders: "Wir weisen die Behauptungen der DR Kongo entschieden zurück", teilte der US-Konzern in einer Erklärung mit: "Wir halten unsere Zulieferer an, die höchsten Standards der Branche einzuhalten. Als der Konflikt in der Region Anfang des Jahres eskalierte, haben wir unsere Zulieferer benachrichtigt, dass ihre Schmelzwerke und Raffinerien die Beschaffung von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus der DR Kongo und Ruanda aussetzen müssen. Wir haben diese Maßnahme ergriffen, weil wir befürchteten, dass unabhängige Prüfer oder Zertifizierungsmechanismen der Branche nicht mehr in der Lage sein würden, die für die Einhaltung unserer hohen Standards erforderliche Sorgfaltsprüfung durchzuführen."

In Apples neuestem Smartphone-Modell, dem iPhone 16, stecken nach Firmenangaben hohe Anteile an recyceltem Wolfram und 100 Prozent recyceltes KobaltBild: Manuel Orbegozo/REUTERS

Apple bezieht seine Primärmineralien nicht direkt, sondern von Zulieferern. Diese lässt der Konzern überprüfen: Im Jahresbericht über Konfliktmineralien 2023 heißt es, es sei "keine vernünftige Grundlage" dafür gefunden worden, dass Apples Lieferketten "direkt oder indirekt" bewaffnete Gruppen in der DRK oder einem angrenzenden Land finanziert oder begünstigt hätten.

Kontrollmechanismen: NGOs bleiben skeptisch

Viele NGOs sind jedoch skeptisch, was die Wirksamkeit von Apples Kontrollmechanismen angeht. Emmanuel Umpula, Exekutivdirektor der African Natural Resources Watch (AFREWATCH), prangert die Rolle Ruandas und Ugandas an: "Es ist bekannt, dass es in beiden Ländern Raffinerien gibt, die mit Rohstoffen wie Gold aus der DRK beliefert werden. Es gibt Berichte, die das eindeutig belegen."

Die UN-Expertengruppe für den Kongo hat aufgedeckt, dass das in der DRK geförderte Gold illegal über Ruanda und Uganda transportiert wird, bevor es exportiert wird. Die ruandischen Behörden bestreiten dies zwar, doch Händler aus dem kongolesischen Bukavu bestätigen, dass das Gold aus Südkivu häufig an ruandische Käufer in der Hauptstadt Kigali oder der am Kivusee gelegenen Grenzstadt Cyangugu verkauft wird.

Viele Bodenschätze aus dem Kongo werden ohne Kontrolle des Staats abgebautBild: Johannes Meier/streetsfilm

"Der illegale Abbau von Rohstoffen im Osten der DRK ist eine der Ursachen, warum der Krieg fortgesetzt wird", sagt Emmanuel Umpula. "Es ist ein räuberisches System, das die Bodenschätze plündert und zum Fortbestehen der Konflikte beiträgt." Um Spuren zu verwischen, brächten Händler die Mineralien oft zunächst in Länder wie China, so der AFREWATCH-Direktor. Dort würden sie dann weiterverarbeitet, bevor sie an Unternehmen wie Apple geliefert werden.

Laut Apple werden in den Geräten vor allem recycelte Rohstoffe verbaut, "darunter 99 Prozent recyceltes Wolfram und 100 Prozent recyceltes Kobalt in den Batterien der iPhone-16-Produktreihe", so der Konzern. Er betont zudem, Einrichtungen zu finanzieren, die sich um eine bessere Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe bemühen. Auch die Unterstützung lokaler Initiativen, die den von den Konflikten betroffenen Gemeinden helfen, sei ausgebaut worden.

Das Leid der vom Rohstoffhandel betroffenen Zivilbevölkerung

Ob das allerdings ausreicht, daran gibt es Zweifel. Hypocrate Marume, Mitglied des zivilgesellschaftlichen Beratungsgremiums Südkivus, begrüßt die Klage gegen Apple. Er hofft, dass sie langfristig dazu führen wird, dass die Menschenrechtsverletzungen aufhören, unter denen die Bevölkerung in den vom Rohstoffhandel betroffenen Gebieten leidet. "Für uns, die Bevölkerung im Osten, ist das ein Aufatmen. Deshalb fordern wir alle Organisationen der Zivilgesellschaft auf, sich hinter unsere Anwälte zu stellen. Damit wir Zugang zu Wiedergutmachungen für die Schäden erhalten, die diese Gruppen in Absprache mit den Rebellen bereits verursacht haben."

Auch eine Bewohnerin Gomas, mit der die DW sprechen konnte, nennt die Klage einen "Schritt in die richtige Richtung, um eine Lösung zu finden". Andere Bewohner sehen den Vorstoß etwas skeptischer: "Nach so vielen Jahren eine Klage einzureichen, ist nicht der richtige Zeitpunkt. Apple hat nicht erst heute damit angefangen. Und vor allem ist es nicht das einzige Unternehmen, das das tut."

Das Problem der staatlichen Kontrolle

Ein kongolesischer Umweltaktivist, der von der DW kontaktiert wurde und anonym bleiben möchte, bestätigt den illegalen Rohstoffhandel. Die Schuld an der schwierigen Situation aber nur den Unternehmen, bewaffneten Gruppen und Tech-Konzernen zu geben, hält er für falsch - und macht auch den kongolesischen Behörden Vorwürfe. Sie kämen ihrer Pflicht, die Bevölkerung zu schützen und die Ressourcen des Landes zu kontrollieren, nicht nach: "Sie sind es, die den Unternehmen die Lizenzen erteilt haben. Aber wenn eine Provinzbehörde hingeht, um zu überprüfen, was vor Ort gemacht wird, kann sie von bewaffneten Männern verprügelt werden. In welchem Land leben wir?", fragt er. Der kongolesische Staat müsse Verantwortung übernehmen, statt einfach nur Geld machen zu wollen. Der Bergbau verursache große Schäden an der Umwelt, führe zur Zwangsumsiedlung von Menschen und beruhe auf der Ausbeutung der Arbeit der lokalen Bevölkerung - manchmal sogar der von Kindern - zu Niedrigstpreisen.

Wo Lieferketten nicht nachvollziehbar sind, können auch Arbeitsbedingungen prekär sein - bis hin zu Kinderarbeit, wie hier in der Nähe von Goma (Archivbild)Bild: Junior D. Kannah/AFP/Getty Images

Zurück zu Apple: Im besten Fall könne die Klage der DR Kongo multinationale Konzerne zwingen, ihre Lieferketten auf den Prüfstand zu stellen, hofft AFREWATCH-Direktor Emmanuel Umpula. Ob Ermittlungen eingeleitet werden, muss nun die französische und belgische Justiz entscheiden - sie könnte damit einen Präzedenzfall schaffen. Frankreich und Belgien wurden ausgewählt, weil dort die Rechenschaftspflicht von Unternehmen als besonders wichtig angesehen wird. In einem anderen Fall wies ein US-Bundesgericht im März 2024 den Versuch privater Kläger zurück, Apple, Google, Tesla, Dell und Microsoft für ihre Abhängigkeit von Kinderarbeit in kongolesischen Kobaltminen zur Rechenschaft zu ziehen.

Dass Zulieferer von Apple Rohstoffe aus Konfliktgebieten beziehen, hält Anwalt Christoph Marchand für hinreichend bewiesen. "Der nächste Schritt ist, zu beweisen, dass Apple das weiß", sagt er der DW. Nach all der Arbeit, die in die Vorbereitung der Klage geflossen sei, zeigte er sich "komplett überzeugt": Es gebe genug Beweise, dass diese "Blutrohstoffe" in die Lieferkette von Apple gelangt seien. 

Mitarbeit: Sandrine Blanchard, Kossivi Tiassou, Zanem Nety Zaidi, Pablo Foley Elias