Findet dieser Test Krebs im Blut?
19. Januar 2018Tumoren in Eierstock, Leber, Magen, Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre, Dickdarm, Lunge und Brust - sie alle soll ein einziger Bluttest aufspüren. Und zwar schon in einem sehr frühen Stadium, wenn der Patient noch keine Symptome zeigt, der Krebs noch nicht gestreut hat und eine Operation reicht, um den Patienten zu heilen. Die Hoffnung: Belastende Chemotherapien zu vermeiden - und viele Leben zu retten.
Es klingt wirklich zu schön, um wahr zu sein. Schon seit mehreren Jahren forschen Wissenschaftler an einer solchen "Flüssig-Biopsie", also der Möglichkeit, Tumorzellen im Blut statt im Gewebe aufzuspüren. Gerade für ein Screening - etwa im Zuge eines Gesundheits-Check-Ups - wäre ein solches Verfahren ideal. Forscher von der Johns Hopkins University School of Medicine im US-amerikanischen Baltimore stellten im Fachjournal "Science" einen solchen Test unter dem Namen CancerSEEK vor.
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Krebs-DNA im Blut
Wenn Körperzellen zu Krebszellen werden, verändert sich auch ihr Erbmaterial. Es sind häufig ganz bestimmte Mutationen, die eine Zelle zum unkontrollierten Wachstum treiben. Stirbt eine Tumorzelle schließlich - aus welchen Gründen auch immer - landen meist Teile von ihr im Blut. Erbmaterial oder Eiweiße von Krebszellen lassen sich dann dort nachweisen. Genau darauf basiert der neu entwickelte Test: CancerSEEK weist acht Eiweiße und 16 Genmutationen im Blut nach, die für Krebszellen charakteristisch sind.
Man habe sich gezielt auf einige wenige, aber sehr spezifische Tumormarker beschränkt, sagt Joshua Cohen, Erstautor der Studie. "Das ist wichtig, um falsch-positive Ergebnisse zu minimieren und einen solchen Screening-Test auch bezahlbar zu machen." Etwa 500 US-Dollar soll der Test am Ende kosten, hoffen zumindest die Forscher. In die Arztpraxen kommen wird der Test in jedem Fall noch lange nicht, dafür fehlen noch viele weitere Studien.
Schlecht bei Brustkrebs; gut bei Eierstockkrebs
Die Forscher führten den Test an einer Gruppe von 1005 Patienten mit Krebs aller Stadien durch. Über alle Krebsarten gemittelt lag die Empfindlichkeit des Tests bei 70 Prozent. Das bedeutet, dass knapp ein Drittel aller Tumoren unerkannt blieben. Besonders schlecht war die Ausbeute bei Brustkrebs: Hier detektierte der Test sogar nur jeden dritten Tumor, zwei Drittel entgingen ihm.
Bei Eierstock- und Leberkrebs hingegen war der Test recht zuverlässig: 98 Prozent der Krebspatienten wurden auch als solche erkannt. Die Forscher heben hervor, dass es für fünf der Krebsarten, die der Test mit recht guter Genauigkeit nachweise, bisher noch gar keine Screening-Verfahren existierten. Schon alleine das sei ein Fortschritt. Für die Früherkennung von Dickdarmkrebs hingegen leistet die Darmspiegelung bereits einen zufriedenstellenden Job.
Ein anderes wichtiges Merkmal bei einem Krebs-Screening-Verfahren ist die Frage, wie viele gesunde Patienten der Test fälschlicherweise als krank erkennt. Das untersuchten die US-Forscher an über 800 Gesunden. Sieben Personen - das sind weniger als ein Prozent - erkannte der Test fälschlicherweise als Krebspatienten.
Verhaltene Begeisterung
Krebs-Experten warnen davor, von dem neu entwickelten Test zu viel zu erwarten. Holger Sültmann, Leiter der Arbeitsgruppe Krebsgenomforschung am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, hält die Studie für einen "wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur verbesserten Früherkennung". Allerdings habe der Test gerade bei Tumoren in einem frühen Stadium nicht gut abgeschnitten: weniger als die Hälfte aller frühen Krebsfälle wurden auch gefunden.
Wenn ein solcher Test aber vor allem fortgeschrittene Tumoren erkennt, bei denen die Patienten bereits Symptome haben, ist das für ein Screening-Verfahren wenig hilfreich. "Die Erkennung von frühen Stadien ist entscheidend, damit eine frühzeitige Therapie auch Leben retten kann", sagt Klaus Pantel vom Zentrum für Experimentelle Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. "Die Ergebnisse der Studie werden die Weiterentwicklung von Bluttests für die frühzeitige Tumorerkennung sicherlich anregen", sagt er. "Sie zeigen aber auch die Schwierigkeiten auf, die trotz enormer methodischer Anstrengungen noch bestehen." Klaus Patel hat zusammen mit seiner Kollegin Catherine Alix-Panabieres den Begriff der "Flüssig-Biopsie" im Jahr 2010 eingeführt.
Experten befürchten auch, dass in der Realität falsch positive Ergebnisse sehr viel häufiger wären als in der Studie. Grund: Die Forscher hatten in ihrer Kontrollgruppe Testpersonen mit chronischen Erkrankungen ausgeschlossen. Eines der Eiweiße, die der Test detektiert, kommt aber oft im Blut von Patienten mit entzündlichen Erkrankungen vor. Vermutlich müssten dann viele Menschen überflüssige Nachfolgeuntersuchungen über sich ergehen lassen, weil der Test ihnen ein falsch positives Ergebnis ausgespuckt hat.
Hoffnungsvoll
"Ein Test muss nicht perfekt sein, um nützlich zu sein", sagte Studienleiter Nickolas Papadopoulos dem Magazin "Nature". Und auch Mitautor Bert Vogelstein meint: "Wenn wir in der Frühkrebserkennung Fortschritte machen wollen, müssen wir anfangen, realistisch zu sein."
Die Folgestudie läuft bereits. Zusammen mit der Johns-Hopkins-Universität testet das Geisinger Health System in Pennsylvania CancerSEEK an 50.000 Frauen zwischen 65 und 75 Jahren, die niemals zuvor Krebs gehabt haben. Die Frage ist, ob der Test es in den kommenden fünf Jahren schaffen wird, aus diesen Frauen genau die herauszufischen, die Krebs haben, aber es zuvor noch gar nicht wussten. Das wäre dann ein wirklicher Screening-Erfolg. Erst wenn das zufriedenstellend gelingt, schafft der Test es vielleicht tatsächlich einmal in die Arztpraxen.