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BND-Affäre

Heiner Kiesel30. April 2015

Verärgerung, Fragen und Sorgen bewegen die Abgeordneten nach den letzten Enthüllungen. Der umtriebige deutsche Geheimdienst könnte großen Schaden angerichtet haben.

Radarkuppeln Foto: dpa
Spionagestation Bad Aibling: Von hier aus soll der BND für die NSA mitgehört habenBild: picture-alliance/dpa

Es ist ein angespanntes Warten auf Antworten, das die Geheimdienst- und Innenpolitiker des Bundestages in diesen Tagen umtreibt. Es sind Wortmeldungen zu hören, die zwischen Sorge und Empörung angesiedelt sind. Die Parlamentarier wissen nicht mehr so richtig, woran sie sind mit den Geheimdiensten und der Bundesregierung. Was ist genau vorgefallen und wer wusste davon. Seit kurzem gibt es Hinweise von deutschen Medien darauf, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) der US-Agentur NSA geholfen haben könnte, deutsche und französische Unternehmen sowie Politiker in Brüssel und Paris auszuspionieren. Und es sieht für viele so aus, als ob man im Bundeskanzleramt schon länger darüber Bescheid weiß. Es scheint etwas aus dem Ruder gelaufen zu sein, denn eigentlich sollten es die Parlamentarier sein, die die Geheimdienste unter Kontrolle haben.

Der Streit dreht sich derzeit besonders um eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion Mitte April. Darin beteuert das Innenministerium, dass es keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder andere Staaten habe. Das wird aber durch die jüngsten Enthüllungen in deutschen Medien in Zweifel gezogen. Die Opposition im Bundestag geht inzwischen davon aus, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) den USA bei ihren Ausforschungen geholfen haben könnte. Die Bundesregierung spricht inzwischen davon, dass die Angaben den korrekten Stand von damals wiedergeben, ob sie aktuell noch zutreffen, soll geprüft werden. "Ich glaube nichts mehr", kommentierte das Hans-Christian Ströbele von den Grünen in der "Saarbrücker Zeitung".

Im Sog der BND-Aktivitäten

Es steht viel auf dem Spiel in der Geheimdienst-Affäre - national und international. Es ist ein ziemlich prominenter Kreis von Politikern und Ex-Politikern, der von der BND-Affäre betroffen ist. So sollten die ehemaligen Kanzleramtsminister über die Aktivitäten des BND Bescheid gewusst haben: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der während der Schröder-Regierung nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA die Zusammenarbeit mit der NSA organisiert hat, Innenminister Thomas de Maizière, in dessen Amtszeit die EADS/Eurocopter-Ausspähung fällt und Bahn-Lobbyist Ronald Pofalla (CDU), der die ganze NSA-Affäre 2013 zu den Akten legen wollte. Natürlich trifft es auch den aktuellen Geheimdienst-Koordinator der Kanzlerin, Peter Altmaier. Der muss jetzt mit der verfahrenen Situation fertig werden.

Stark in der Kritik steht vor allem de Maizière. "Er ist als Innenminister völlig untragbar", sagte Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht der "Saarbrücker Zeitung". Die Grünen-Fraktion im Bundestag nennt die Vorwürfe, die nun im Raum stehen, "ungeheuerlich". Von Rücktrittsforderungen in Richtung Innenminister hält der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, im Augenblick allerdings nicht viel. "Ich finde solche Personaldiskussionen derzeit unerquicklich, das lenkt nur ab", sagte Notz weiter im Deutschlandfunk. "Nur wenn wir die parlamentarische Kontrolle verbessern, kann so etwas nicht wieder passieren", ist Notz überzeugt. Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir warnte davor, letztlich nur nachgeordnete Positionen beim BND und im Kanzleramt zur Verantwortung zu ziehen. Das sei das übliche Spiel der Bundeskanzlerin, so Özdemir zur Deutschen Welle. "Am Ende muss man schauen, wer wofür Verantwortung trägt, und der oder die muss dann bitteschön auch den Hut nehmen!"

Thomas de Maizière 2008: Als Kanzleramtsminister war er für die Geheimdienstkoordination zuständigBild: picture alliance/dpa

Auch aus dem Regierungslager kommen Forderungen nach umfassender Aufklärung. Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, forderte das Kanzleramt im ZDF auf, "alle Fakten auf den Tisch zu legen". Antworten erhoffen sich alle am kommenden Mittwoch von Innenminister de Maizière. Dieser wird dann vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium sprechen, einem Geheimgremium, das speziell für die Kontrolle der Geheimdienste eingerichtet worden ist.

Auch die französischen Freunde im Elysee-Palast sollen belauscht worden seinBild: picture-alliance/dpa

Merkels Bummerang-Spruch vom "geht gar nicht"

Wenig zu hören in der Affäre gibt es bislang von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Regierungschefin ist letztlich verantwortlich für das, was im Kanzleramt passiert. Hat sie etwas gewusst? Hätte sie nicht Bescheid wissen müssen? Ihre Glaubwürdigkeit und ihr Moralverständnis würden – bestätigt sich der Verdacht, dass man im Kanzleramt von der Spitzelhilfe wusste – in zweifelhaftes Licht gerückt. Es deutet sich an, dass das auch die Beziehungen zu Frankreich belasten könnte. Der berühmte Satz der Kanzlerin, "spionieren unter Freunden geht gar nicht", wird in diesen Tagen auch mit einiger Süffisanz von der französischen Tageszeitung "Le Monde" zitiert. Ein Sprecher der französischen Regierung erklärte lediglich in diplomatischen Worten, dass man im engen Kontakt mit den deutschen Partnern sei, die sich jetzt um die Aufklärung der Vorwürfe kümmerten.

Rolf Mützenich, Vizechef der SPD-Fraktion im Bundestag macht sich dennoch Sorgen. "Sollte sich herausstellen, dass Partner gezielt, allein aus Gründen wirtschaftlicher Interessen und des Informationsvorsprungs ausspioniert wurden, wird dies zu Belastungen im bilateralen, aber auch im innereuropäischen Verhältnis führen“, warnt der Sozialdemokrat im "Kölner Stadtanzeiger". Damit steht nach Ansicht des Sozialdemokraten viel auf dem Spiel. "Vertrauen im deutsch-französischen Verhältnis ist existenziell für die europäische Integration."

SPD-Politiker Rolf Mützenich macht sich über die internationalen Folgen der BND-Affäre GedankenBild: DW

Und dann ist auch noch die deutsche Wirtschaft verunsichert und fragt sich, woran sie bei der Bundesregierung eigentlich ist. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, hat sich deswegen öffentlich an die Bundesregierung gewendet. Die solle "die Vorwürfe zügig und lückenlos aufzuklären – ohne Kompromiss", lässt sich Grillo auf der BDI-Website zitieren. Der Verbandschef würde gerne wissen, welche Daten nun in den Händen der US-Spionagedienste sind. Das Verhältnis zwischen Staat und Industrie sei erheblich belastet, klagt Grillo. Das könne Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben.

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