Die Körperbemalung ist eine vergängliche Kunstform. Ein Festival an der Ostsee zelebriert diese Art der Körpermodifikation.
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Fabelwesen aus dem Wald an einem Ostsee-Strand? Ja, ganz richtig: Bei diesen von Künstlern bemalten Personen handelt es sich nicht etwa um optische Täuschungen. Als Fantasiefiguren bemalte Personen spazieren beim "Heringsdorfer Bodypaintingfestival" am Strand der Insel Usedom entlang.
Heutzutage ist Bodypainting eine Kunstform, deren vergängliche Werke weltweit auf vielen Festivals bestaunt werden können. Doch schon seit Urzeiten bemalen die Menschen ihre Körper. Sie tun es aus spirituellen, rituellen oder klimatisch-bedingten Gründen - in vielen Teilen der Erde lassen sich Beispiele für traditionelle Körperbemalungen finden. Auf dem europäischen Kontinent steht die Körperbemalung eher im Zeichen militärischer Tradition.
Bodypainting: die Kunst der Körperbemalung
Bei der Jagd, der Hochzeit oder im Krieg: Seit Jahrhunderten zelebrieren Kulturen von Südamerika bis Australien die Körperbemalung.
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Brasilien - ritueller Schmuck
Ihre Körper mit Naturfarben zu bemalen, gehört zur Tradition der etwas mehr als 300 brasilianischen indigenen Völker. Bekannt sind die kunstvollen Körperverzierungen der Stammesführer. Weniger bekannt ist sicherlich der Einsatz schwarzer Jenipapo-Farbe bei den Tikuna, wenn Mädchen erstmals menstruieren. Viele Indigene haben auch Piercings und Tätowierungen.
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Brasilien - Indikator für Verdienste
Früher war die Art der Bemalung eines Mannes ein Indikator für seine Verdienste bei der Jagd oder im Krieg. Heute prangern traditionelle geschmückte Vertreter indigener Gruppen bei Großveranstaltungen an, dass Teile des Regenwaldes zu fraglichen Zwecken gerodet werden. Denn die meisten Indigenen Brasiliens leben im Amazonas-Gebiet, wie dieser Ureinwohner namens Antonio Borges.
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Australien - Tanz zur Jagd
Auch die australischen Aborigines kennen rituelle Körperbemalungen. Beim jährlichen Garma Festival können Touristen jene der Yolngu (auch Murngin genannt) bestaunen. Allabendlich führen Frauen und Männer dieses abgelegen im Northern Territory lebenden Clans mit Lendenschurz und Lehmbemalung zu Didgeridoo-Klängen und Gesang rituelle Tänze auf - etwa eine Anleitung zur Känguru-Jagd.
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Nepal - Ausdruck von Spiritualität
In den Ländern Asiens gibt es viele Formen von Gesichts- und Körperbemalungen. Im höchstgelegenen Land der Welt, in Nepal (Bild) oder auch in Indien kennt man die farbenfrohen Gesichter der Sadhus. Sie gelten im Hinduismus als heilige Männer und leben in Askese. Ihre Bemalungen unterscheiden sich je nach Gottheit, die sie verehren, oder Orden, denen sie angehören.
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Namibia - Körperbemalung als Schutz
Die Ovahimba (auch Himba genannt) haben einen Weg gefunden, mit den klimatischen Besonderheiten im südlichen Afrika umzugehen: Zum Schutz vor Hitze und Trockenheit reiben sie sich mit einer fettigen Creme ein, die Eisenoxid enthält, was ihre Haut rot färbt. Der rote Farbstoff steckt in natürlichem Ocker und kommt auch in Frisuren verheirateter Frauen zur Anwendung.
Das Omo-Tal von Äthiopien ist Heimat mehrerer indigener Stämme. Auch die Karo sind hier zuhause. Körperbemalungen und Perlen zieren schon die Körper der Kleinen. Bei einigen afrikanischen Völkern gelten auch Narben als Schmuck, die sich Verwandte gegenseitig zufügen. Manchmal zeigen sie, dass jemand Feinde getötet hat. Die Anzahl der Narben entspricht dann jener der Getöteten.
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Äthiopien - das Hamer-Ritual
Etwas entfernt vom Omo-Fluss leben die Hamer (oder Hamar, Amar, Amer). Bemalte Männer dieses Stammes begleiten das Initiationsritual "Der Sprung über die Rinder". Dabei muss ein Jugendlicher mehrmals nackt über eine Reihe Rinder springen. So wird er heiratsfähig und erwachsen. Zu dem Fest gehört das Auspeitschen von Mädchen, weshalb Außenstehende fordern, das Ritual abzuschaffen.
Auch die Surma sind ein indigener äthiopischer Stamm. Er kennt viele Formen von 'Bodyart'. Vor allem ist er für die Lippenteller traditionell lebender Frauen bekannt. Auch Ziernarben sind üblich. Bemalungen tragen Männer wie Frauen zu rituellen Zwecken und bei gesellschaftlichen Anlässen. Die weiße Tonfarbe wird in Mustern aufgetragen, als Schlangenlinien etwa oder punkt- und kreisförmig.
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Von Nordafrika bis in den Fernen Osten - Hochzeitsbemalungen
Zu guter Letzt dürfen die "Mehndis" nicht fehlen - mit Henna kunstvoll auf Hände und Füße aufgetragene Ornamente. Seit dem Altertum kennt man sie. Die Praxis erstreckt sich über viele Länder von Nordafrika über Saudi Arabien bis nach Indien. Das färbende Pulver wird aus den Blättern des Hennastrauchs gewonnen. Beliebt wurden Mehndis auch im Westen - dank der Pop-Ikone Madonna.
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Bodypainting als Teil der Bodyart
Auf der ganzen Welt nutzen Menschen ihre Haut als Leinwand - temporär oder dauerhaft. Bodyart heißt die Verzierung des eigenen Körpers, die beide Formen umfasst. Für die temporäre, oberflächliche Bemalung dienen Indigenen in der Natur vorkommende Farbpigmente als Basis. In Südamerika stammt etwa das Ziegelrot aus der Urucum-Pflanzenkapsel, während die namibischen Himba ihre Röte aus natürlichem Ocker gewinnen.
In der zeitgenössischen Bodypainting-Kunst wird professionelle Schminke verwendet, die gut deckt, farbintensiv und wischfest ist. Künstler tragen die Farbe mit Pinseln und Schwämmen oder mittels Airbrush auf die Haut auf.
Bei der dauerhaften Form der Bodyart wird die Farbe - das kann Tinte oder ein Pigment sein - mit einer Tätowiernadel in die zweite Hautschicht eingestochen. Auch das hat eigene Tradition - in China etwa soll sie Jahrtausende alt sein.
Piercings als Körperschmuck
Neben permanenten und nicht-permanenten Teil- oder Ganzkörperbildern umfasst die Körperkunst noch weitere Möglichkeiten, den eigenen Körper zu gestalten. Dazu zählen Piercings - also ring- oder stabförmiger Schmuck, der an verschiedenen Köperstellen durch die Haut und darunter liegendes Fett- oder Knorpelgewebe geschossen wird -, die sogenannte Skarifizierung, das sind in die Haut eingebrachte Ziernarben oder auch subdermale Implantate. Bei letzteren handelt es sich um Objekte, die sich komplett unter der Haut befinden und so die Körperoberfläche verändern.
Wie Schäden durch Tattoos oder Piercings vermeiden?
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Die verschiedenen Praktiken bergen jeweils unterschiedliche Risiken für den Träger oder die Trägerin. Soll eine Narbe oder ein unter der Haut angebrachter Gegenstand entfernt werden, muss in der Regel ein weiterer Eingriff erfolgen. Bei Piercings bleiben meist Löcher in Nase, Lippen oder eben dort zurück, wo sich das Schmuckstück einst befunden hat.
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Aussagekräftige Bildmotive für die Körpergestaltung
Engel, Drachen, Anker: Die Auswahl an Motiven für permanente und nicht-permanente Körperbilder scheint grenzenlos. Es gibt Motive, die an vergangene Erfahrungen erinnern sollen - etwa eine Hochzeit oder den Verlust eines geliebten Menschen oder solche, die Mut oder Status symbolisieren. Wieder andere repräsentieren Schönheit, Schutz und Fruchtbarkeit. Manches Bild hat eine Verbindung zu magischen und anderen Welten. Schriftzüge finden sich seltener auf Bodypaintings, werden aber häufig eintätowiert.
Egal ob Tattoo oder Bodypainting: Wer es haben möchte, braucht Geduld. Ein Ganzköper-Painting kann bis zu acht Stunden in der Anfertigung dauern. In Heringsdorf auf Usedom haben die nationalen und internationalen Bodypainter sechs Stunden, um ihre Modelle vor den Augen des Publikums in lebendige Kunstwerke zu verwandeln. Das Publikum darf danach mitentscheiden, welche Künstler und welche Models das diesjährige Motto am besten getroffen haben.
Das Bodypainting Festival in Heringsdorf 2023 geht vom 18. bis 20. August, der Wettbewerb mit Prämierung der Künstler liegt auf dem Samstag.