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Das plötzliche Ende der fliegenden Riesen

Andreas Spaeth
29. Juli 2020

Viele Airlines hatten bereits gemerkt, dass ihre Großraumflugzeuge ziemlich teuer waren. Und dann kam die Pandemie: Sie bedeutet für Riesenflieger wie die Boeing 747 und den Airbus A380 jetzt früher als geplant das Aus.

Jumbo Jet: Ausgemusterte Boeing 747 in Teruel / Spanien (DW/S. Thoma)
Bild: ATC Pilot/Sebastian Thoma

Die Meldung aus Chicago vom Mittwoch lässt aufhorchen. Boeing-Chef Dave Calhoun verkündete den Mitarbeitern: "Angesichts der aktuellen Marktdynamik und der Aussichten werden wir die Produktion der ikonischen 747 im Jahr 2022 einstellen."

Es war der Höhepunkt einer rasanten Talfahrt für die beiden größten Flugzeuge der Welt, die seit 1970 fliegende Boeing 747 und den seit 2007 eingesetzten Airbus A380. Die Corona-Krise hat den vorher schon länger unwirtschaftlichen Riesen die Grundlage endgültig entzogen.

British Airways hat seine 747-Flotte eingemottet. Ihre letzte Reise machten die Riesen zum Schrottplatz im spanischen TeruelBild: ATC Pilot/Sebastian Thoma

Stilvolles 747-Ende über dem Pazifik

Es ist für manche ein schmerzlicher Abschied. Viele Australier hatten Tränen in den Augen, als sie jüngst am Flughafenzaun in Sydney oder live im Fernsehen den letzten Start einer Qantas-Boeing 747 miterlebten. "Quer durch Australien gingen die Emotionen hoch, als die Aussies sich von einer Dame, einer liebgewonnenen Freundin verabschiedeten, die einige von uns vielleicht in ein neues Leben nach Down Under und viele hinaus in die Welt getragen hat", kommentierte der australische Luftfahrtexperte Geoffrey Thomas. "Bis zum Beginn der 747-Ära konnten die meisten Australier die Außenwelt nur per Schiff erreichen. Wir werden sie vermissen", so Thomas.

Ein letztes Salut in Sydney für den letzten Qantas-747-Flug: Endstation Mojave-Wüste in KalifornienBild: picture-alliance/AAP/J. Carrett

Diese Ära begann für Qantas 1971 - und endete früher als vorgesehen Mitte Juli 2020, nach fünf Jahrzehnten und insgesamt 77 Jumbos mit dem Känguru am Heck. Und sie endete stilvoll - mit Abschiedsflügen und Ehrenrunden, etwa über dem Opernhaus in Sydney. Und schließlich mit einem riesigen über dem Pazifik geflogenen Kurs in Känguru-Form, gut zu sehen auf den einschlägigen Apps und Websites zur Flugverfolgung. Eine würdige letzte Verbeugung der von vielen immer noch als "Königin der Lüfte" verehrten Boeing 747. Bevor sie dann in der kalifornischen Mojave-Wüste zum letzten Mal landete, um hier zerlegt zu werden.

Geschäftsmäßiges Ende in London

Fast gleichzeitig in der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien, in der vorvergangenen Woche: Abrupt, über Nacht und im Vergleich ziemlich stillos, verkündete British Airways überraschend das sofortige Aus für die Boeing 747, das eigentlich erst für 2024 geplant war. Damit war klar: "Ihre sofortige Stilllegung markiert das Ende der 50jährigen Herrschaft des Jumbo Jets", befand die Financial Times.

Die Briten waren stets die größten Unterstützer der 747 und weltgrößter Betreiber bis zuletzt, insgesamt standen seit 1970 genau 110 Jumbos mit dem Union Jack am Leitwerk im Einsatz. "Dies ist kein Abschied wie wir ihn wollten oder erwartet hatten für unsere unglaubliche 747-Flotte. Dass wir diese Entscheidung treffen müssen ist herzzerreißend", erklärte British Airways-Chef Alex Cruz. "Die Stilllegung der Jumbo Jets werden viele Menschen quer durch Großbritannien fühlen", wusste der Airline-Chef.

Zum Abschiednehmen war keine Zeit, die meisten der zuletzt 31 britischen Boeing 747 stehen bereits auf Abstellplätzen in Spanien, wo sie der Verschrottung entgegensehen. Und bereits vor British Airways hatte auch ihr lokaler Konkurrent Virgin Atantic seine Jumbos in Rente geschickt, genau wie im Frühjahr schon die niederländische KLM.

Das macht die Lufthansa mit noch 30 Jumbos zum gegenwärtig weltgrößten Betreiber der 747. Die neuesten sind im Schnitt sechs Jahre alt, wobei unklar ist, wie viele der elf betagten 747-400 der Kranich-Linie in den Flugbetrieb zurückkehren werden.

Die Präsidenten der Vereinigten Staaten werden weiter Jumbo fliegen, dafür hat der aktuelle Amtsinhaber gesorgt Bild: picture-alliance/dpa/B.v. Jutrczenka

Die letzten Jumbo-Flieger: US-Präsidenten

Die Boeing 747, von British Airways-Pilot und Buchautor Mark Vanhoenacker als "370 Tonnen Luftfahrtlegende" beschrieben, ist zum ersten Mal 1969 geflogen, Monate vor der ersten Mondlandung. Sie wird in ihrer jüngsten Ausgabe 747-8 derzeit immer noch gebaut, als Frachter. Auch nach Ende der Produktion im übernächsten Jahr erhält die US-Regierung Ende 2024 noch zwei neue Air Force One auf der Basis der 747-8.

Es ist unübersehbar - das Corona-Virus hat die Luftfahrt in die schwerste Krise ihrer über hundertjährigen Geschichte gestürzt. Der Flugverkehr wird sich frühestens 2024 normalisieren, erwartet jetzt der Branchenverband IATA. Es werden auch dann vermutlich weniger Menschen fliegen, und viele wollen nicht wie zuvor mit 400 oder mehr anderen Fluggästen in ein Flugzeug gepfercht werden.

Nicht nur die Jumbos warten auf die Schneidbrenner, auch den Airbus-Doppelstockriesen hat wohl die Stunde geschlagenBild: ATC Pilot/Sebastian Thoma

Airbus: Hoffnung aus Arabien

Große Jets mit vier Triebwerken wie die 747, aber auch der europäische Airbus A380, der vor gerade mal gut einem Jahrzehnt antrat, die 747 zu ersetzen, waren vor der Krise schon zu teuer geworden im Betrieb und ließen sich auch ohne Virus kaum noch gewinnbringend füllen.

Angesagt sind jetzt kleinere und deutlich sparsamere Jets der neuesten Generation wie der Airbus A350 und die Boeing 787 Dreamliner. "Wir wissen dass die Zeit der A380 und der 747 vorbei ist, aber die A350 und 787 immer ihren Platz haben werden", sagte Sir Tim Clark, Chef von Emirates Airlines in Dubai, im Mai. Und sorgte damit für Aufsehen, denn Emirates ist der mit Abstand größte Kunde der A380, verfügt bereits über 115 der Riesen und sollte noch acht weitere von Airbus aus Hamburg geliefert bekommen.

Wie ein riesiger Dinosaurierfriedhof wirkt der Flugzeugschrottplatz in TeruelBild: ATC Pilot/Sebastian Thoma

Zwei Monate später im Juli allerdings machte Clark dann wieder positivere Aussagen: "Wenn die Nachfrage zurückkommt und die Landezeiten an großen Drehkreuzen weiter knapp bleiben, wird für die A380 Platz sein. Ich hoffe dass alle unsere A380 im April 2022 wieder fliegen." Da Emirates' Geschäftsmodell aus Umsteigern auf Langstrecken besteht, die als Segment zuletzt zurückkommen werden, sind Zweifel erlaubt.

Die Schrottplätze füllen sich

Jedenfalls hat auch die einst so hoffnungsvoll gestartete A380, deren Programmeinstellung durch Airbus für 2021 bereits vor Corona beschlossen war, aktuell gewaltig Federn lassen müssen. Insgesamt 242 der Doppelstöcker waren an 15 Airlines ausgeliefert. Linienflüge damit bieten zur Zeit nur Emirates mit gerade elf aktiven A380 und China Southern mit fünf an.

Alle anderen, auch jene von Lufthansa, sind derzeit unter der Sonne Spaniens, Kaliforniens oder dem australischen Outback abgestellt. Mindestens für Jahre, oder auch nur auf die Verschrottung wartend, wie etwa die gesamte Air France-Flotte von zehn A380, die jüngste gerade sechs Jahre alt. Auch bei Lufthansa ist es eher unwahrscheinlich, dass ihre 14 A380 wieder abheben werden.

Sogar Erstbetreiber Singapore Airlines teilte jetzt mit, das weitere Schicksal ihrer derzeit 19 A380 kritisch zu prüfen. Aktuell sind weltweit auch gerade noch etwas über 60 Boeing 747 in der Passagierversion als flugbereit gemeldet und 244 Frachtjumbos, von insgesamt über 1500 je gebauten. Es ist offensichtlich: Die Ära der fliegenden Riesen ist zu Ende.

Was am Ende übrig bleibt... Bild: ATC Pilot/Sebastian Thoma

 

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