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Boeing, Airbus - und was sonst?

Arthur Sullivan
20. Dezember 2019

Bei Boeing häufen sich die Probleme. Nach zwei tragischen Unfällen verliert der US-Flugzeugbauer Geld und Glaubwürdigkeit. Das heißt aber nicht, dass Boeings Position gleich neben Airbus weltweit in Gefahr wäre.

USA Boeing 737 MAX Produktionsstop
Geparkte Boeing 737 MAX in Renton, USA Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Thompson

Boeing hat ein Jahr hinter sich, von dem sich die meisten Firmen in den allermeisten Branchen nie wieder erholen würden. Mit den Folgeschäden der beiden Abstürze einer Boeing 737 MAX, bei denen 345 Menschen starben, hat der Konzern nach wie vor zu tun. Man könnte also annehmen, Boeings Probleme würden zur Chance für die Konkurrenz. Aber die Branche der Flugzeugbauer ist anders als andere Branchen. Hier gibt es keine Start-ups, die loslegen und mal eben flugfähige Jets für 100 Millionen Euro bauen. Keine andere Branche hat so hohe Zugangshürden wie das Flugbusiness.

Boeing aus Seattle in den USA und der europäische Airbus-Konzern domieren das Geschäft mit kommerziellen Flugzeugen vollständig, und das Ausmaß dieser Dominanz dürfte der Konkurrenz Tränen in die Augen treiben: Die beiden zusammen haben in den letzten fünf Jahren 90 Prozent aller Passagierflugzeuge auf der Welt gebaut. Bei den großen Maschinen kommt das Duo nach einer Bilanz der Beratungsfirma Teal Group auf einen Anteil von 99 Prozent.

Bei solchen Zahlen ist die Frage legitim, warum irgendeine andere Firma auf die Idee kommen sollte, Flugzeuge zu bauen. Die gibt es aber, und jahrelang schauten Airbus und Boeing sich durchaus besorgt um, ob ihnen da jemand auf den Fersen war.

Warten auf die chinesische Konkurrez

Bis in die 2000er Jahre hatte Boeing die Nase vorn, aber Airbus – das Ergebnis eines langen Konsolidierungsprozesses der europäischen Flugzeugbranche – holte schnell auf und sicherte sich Marktanteile. In ihrem Windschatten bewegen sich Bombardier aus Kanada, das brasilianische Konglomerat Embraer und eine Handvoll anderer, zu denen Russlands United Aircraft Corporation und Mitsubushi Aircraft Corporation aus Japan gehören.

Aber diese Konkurrenten sind nicht nur weit davon entfernt, zur Gefahr für das Duopol an der Spitze zu werden – ihr Marktanteil ist in den letzten Jahren auch noch kleiner geworden. Dennoch trieb Boeing wie Airbus jahrelang die Sorge vor möglichen Konkurrenten um – und das war vor allem ein Konkurrent: Comac, der staatliche chinesische Flugzeugbauer.

Boeing-Maschinen im Wartestand Bild: Getty Images/D. Ryder

Schon 2007, im Jahr vor der Gründung von Comac, sprach Boeing-Chef Jim McNerney davon, dass der Einstieg der Chinesen auf dem Markt für Passagierflugzeuge ganz unvermeidlich sei. Damals ging man bei Boenig davon aus, dass China bis 2020 eine Maschine bauen werde, die es mit der eigenen 737 aufnehmen könnte. Diese Prognose war um so wahrscheinlicher als ein regionaler Gipfelstürmer aus China mit einer gewaltigen Nachfrage staatlicher Fluglinien rechnen durfte – schließlich ist China der am schnellsten wachsende Flugverkehrsmarkt der Welt.

Mittlerweile steht das Jahr 2020 vor der Tür, Boeing steckt in einer existenziellen Krise, und von Comac ist weit und breit nichts zu sehen. Das lange erwartete Modell C919, seit zehn Jahren in Arbeit und angeblich als Kurzstrecken-Rivale für die Boeing 737 oder den Airbus A320 gedacht, wird durch Produktionsverzögerungen ausgebremst. Kaum wahrscheinlich, dass die Maschine vor 2022 wirklich fliegt. Flugzeuge zu bauen, die es mit den Platzhirschen in einer dermaßen streng regulierten Branche wie der Luftfahrt aufnehmen können, ist ein teures und kompliziertes Geschäft.

Platz auf der Startbahn ist nur für zwei

Das gilt um so mehr als das Duopol bekannt ist für seine Rücksichtslosigkeit, wo es um die Gefahr eines Dritten im Bunde geht.  Teils um der chinesischen „Bedrohung" zu begegnen, teils um die Chancen eines asiatischen Marktes zu nutzen, auf dem in den nächsten 20 Jahren 40 Prozent aller Flugzeuge verkauft werden dürften, haben Boeing wie Airbus selbst Fabriken in China aufgezogen.

Chinesische Fluglinien haben eine Menge Maschinen von Airbus und Boeing in ihren Flotten, aber das könnte sich ändern, wenn Comac in den nächsten zehn Jahren seine Ziele erreicht und die Airlines überzeugen kann, dass man bei den Großen mitspielen kann.

Auch Bombardier nahmen sich Boeing und Airbus vor, als die Kanadier vor zehn Jahren ihre C-Serie auf den Markt brachten. Boeing beschwerte sich wegen staatlicher Hilfen Kanadas für den Konkurrenten, und der folgende Streit setzte Bombardier derart zu, dass der Konzern die Hälfte seines Geschäfts mit der C-Serie an Airbus verkaufte – auch wenn er den Streit vor Gericht letztlich gewann.

Embraer bekam ebenfalls zu spüren, was es heißen kann, die Konkurrenz der beiden Großen im Nacken zu haben. Boeing kaufte Embraer die Passagierflugzeug-Sparte ab und bezahlte 4,2 Milliarden Dollar, um die Konkurrenz abzuschütteln und angesichts der wachsenden Marktmacht von Airbus selbst wieder zuzulegen. Der Deal könnte aber noch am Einspruch der EU-Kartellwächter scheitern, auch wenn in China die Kartellbehörden bereits zugestimmt haben.

Gleicher Anteil, kleinerer Kuchen

Wenn überhaupt ein Konzern von der Krise bei Boeing profitieren könnte, dann ist das Airbus. Christian Scherer, Vertriebschef bei Airbus, hielt unlängst dagegen: „Ich möchte diese gängige Vorstellung wirklich korrigieren. Niemand in dieser Branche hat etwas davon, am wenigsten Airbus", sagte Scherer. „Das ist eine Tragödie, Boeing muss die Sache klären, aber es nützt den Wettbewerbern gar nichts, wenn es Probleme mit irgendeinem speziellen Modell gibt."

März 2019: Angehörige von Opfern des Absturzes einer Boeing der Ethiopian Airlines Bild: Reuters/T. Negeri

Da dürfte etwas dran sein. Die ganze Branche bekommt Boeings Probleme zu spüren. Aber es lässt sich auch schwerlich übersehen, dass Airbus gemessen an ausgelieferten Maschinen, Bestellungen und Profit drauf und dran ist, weltweit zur Nummer eins unter den Flugzeugbauern zu werden. Und das trotz Fertigungsengpässen, die zu einem Rückstand von mehr als 7.000 Flugzeugen geführt haben.

Airbus kann nicht einfach wie in anderen Branchen üblich, die Produktion erhöhen. „Man könnte ja annehmen, dass Airbus die Boeing-Kunden nun mit offenen Armen willkommen heißt", sagt Arne Schulke, Experte der Hochschule von Bad Honnef. „Tatsächlich aber ist die A320-Serie am Produktionslimit, und man kann die Produktion nicht einfach weiter hochfahren", so Schulke zu DW. „Airbus hat hier einen Rückstand von rund acht Jahren."    

Aber auch wenn Boeings Position ganz oben auf dem Treppchen in Gefahr sein mag – das gilt sicher nicht für seine Stellung auf den vorderen Plätzen. Mehr Sorgen dürfte etwas bereiten, das für Airbus genauso gilt wie für Boeing: Nach einem Jahrzehnt ungebremsten Wachstums steigt die Nachfrage nach Passagierjets allmählich langsamer. Hohe Ölpreise, globale Handelskonflikte und ein wachsendes Bewusstsein für die Umweltschäden, die auf den Flugverkehr zurückgehen, spielen da eine Rolle. Boeing mag also seine Marktanteile halten. Nur könnte der Kuchen, der verteilt wird, kleiner werden.