1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Boliviens Oppositionschef Camacho verhaftet

29. Dezember 2022

Es ist eine Abrechnung unter politischen Gegnern oder gar Feinden: Die linksgerichtete Führung Boliviens wirft dem rechtskonservativen Camacho "Terrorismus" beim Sturz des langjährigen Präsidenten Morales vor.

Luis Fernando Camacho wird in La Paz in die Zentrale der Spezialeinheit zur Verbrechensbekämpfung (FELCC) gezerrt
Luis Fernando Camacho wird in La Paz in die Zentrale der Spezialeinheit zur Verbrechensbekämpfung (FELCC) gezerrt Bild: Luis Gandarillas/AFP

Wegen seiner Beteiligung an einem mutmaßlichen "Staatsstreich" hat Boliviens Polizei Oppositionsführer Luis Fernando Camacho verhaftet. Dem rechtskonservativen Politiker wird vorgeworfen, im November 2019 eine wichtige Rolle bei den Protesten gegen den damaligen Staatschef Evo Morales gespielt zu haben. Konkret wird dem Gouverneur des Bundesstaats Santa Cruz "Terrorismus" im Zusammenhang mit dem Sturz des linksgerichteten Morales zur Last gelegt. Camacho wurde in der Stadt Santa Cruz festgenommen und dann in die Hauptstadt La Paz gebracht.

 

Polizisten gehen in Santa Cruz in Stellung, um die Proteste gegen die Festnahme des dortigen Gouverneurs niederzuschlagenBild: Rodrigo Urzagasti/AFP

Damit verschärfen sich die Spannungen zwischen der Linksregierung von Präsident Luis Arce und Camachos Basis in dem wohlhabenden Landwirtschaftszentrum Santa Cruz. Das Büro des 43-Jährigen sprach von einer "irregulären Polizeiaktion" und warf den Beamten vor, Camacho "entführt" zu haben. Dieser selbst schrieb auf Twitter, er sei von der Polizei auf brutale Weise gekidnappt worden. Nach der Verhaftung blockierten seine Unterstützer Straßen in Santa Cruz. Sie lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei und setzten das örtliche Büro der Staatsanwaltschaft in Brand.

Anhänger des rechtskonservativen Politikers reagieren in Santa Cruz mit Gewalt auf die FestnahmeBild: Rodrigo Urzagasti/AFP

Dutzende Anhänger des Oppositionspolitikers strömten außerdem zu den beiden Flughäfen von Santa Cruz, um Camachos Überstellung nach La Paz zu verhindern. Mehrere Flüge mussten wegen der Protestaktionen abgesagt werden.

Nach Einschätzung von Verfassungsrechtlern könnten Camacho im Falle einer Verurteilung 15 bis 20 Jahre Gefängnis drohen. Im Juni war bereits Boliviens ehemalige Übergangspräsidentin Jeanine Áñez im Zusammenhang mit dem Sturz ihres Vorgängers Morales zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Der langjährige sozialistische Präsident Boliviens, Evo Morales Bild: Radoslaw Czajkowski/dpa/picture alliance

Die frühere Vize-Senatspräsidentin Áñez hatte das höchste Staatsamt im November 2019 übergangsweise übernommen, nachdem Morales angesichts von Massenprotesten und unter dem Druck der Armee zurückgetreten und ins Exil gegangen war. Morales ließ verlauten, er hoffe, dass Camachos Verhaftung Gerechtigkeit bringen werde. Endlich bekomme Camacho die Antwort für den "Staatsstreich, der zu Raubüberfällen, Verfolgungen, Verhaftungen und Massakern" der Regierung von Áñez geführt habe.

Jeanine Áñez war nach dem Sturz von Evo Morales die Übergangspräsidentin in dem südamerikanischen StaatBild: Bolivian Presidency/AFP

Bei der Präsidentenwahl im Oktober 2020 holte dann Morales' Parteifreund Luis Arce den Sieg, Camacho landete auf dem dritten Platz. Einen Monat später kehrte Morales nach Bolivien zurück und übernahm wieder die Führung der von ihm gegründeten sozialistischen Regierungspartei MAS.

Der Festnahme Camachos vorausgegangen waren wochenlange Proteste in Santa Cruz, die von ihm angeführt wurden. Die Demonstranten hatten Straßen blockiert und den Handel gestoppt, weil die Regierung eine neue Volkszählung verzögert hatte. Sie hätte dem Bundestaat wahrscheinlich mehr Steuereinnahmen und auch mehr Abgeordnetenmandate im nationalen Parlament beschert. 

sti/qu (afp, ap, dpa, rtr)