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Boliviens Präsident gibt Massenprotesten nach

7. Juni 2005

Zu heftig sind die Massenproteste in Bolivien geworden, zu stark die Straßenblockaden. Nun beugt sich Präsident Carlos Mesa dem Druck der Straße und bietet seinen Rücktritt an. Wird jetzt ein Koka-Bauer Präsident?

Gewaltsamer Protest gegen Boliviens RegierungBild: ap
Boliviens Präsident Carlos Mesa am 6. Juni in La Paz. Am Abend bot er seinen Rücktritt an.Bild: ap

Mesa bot seinen Rücktritt in einer Fernsehansprache am Montagabend (6.6.2005) an. Er zog damit die Konsequenzen aus monatelangen teils gewaltsamen Unruhen in Bolivien. "Ich bleibe aber Präsident, bis der Kongress eine Entscheidung trifft und die Zukunft des Landes neu definiert", sagte Mesa. Für Dienstag berief er eine außerordentliche Sitzung des Kongresses ein, bei der über weitere Maßnahmen entschieden werden soll.

Bei der größten Demonstration am Montag hatten zehntausende Menschen das Zentrum der Hauptstadt La Paz lahm gelegt. Vereinzelt kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Forderungen der Demonstranten sind sehr unterschiedlich. Einige wollen die Verstaatlichung der Ölindustrie, andere mehr Rechte für die indianischen Ureinwohner. Bereits in den Vorwochen war es zu Straßenblockaden und Massenprotesten gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung gekommen. In La Paz sind Brennstoffe und Lebensmittel bereits knapp.

Demonstranten mit Waffen-Attrappen in La Paz am 6. Juni 2005Bild: ap

Am Ende

Mesa sagte, er sehe sich deshalb nicht in der Lage, das Land aus der Krise zu führen. Er werde nur aus dem Grund im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gewählt sei, damit die Bürger nicht befürchten müssen, es gebe keinen Präsidenten. Er habe jedenfalls nicht vor, nach Miami oder nach Washington zu weichen, sagte Mesa in der Ansprache an die Nation. Laut Verfassung muss das Parlament entscheiden, ob es den Rücktritt des Präsidenten annimmt oder zurückweist. Mesa hatte zuvor bereits einmal seinen Rücktritt angeboten, der jedoch abgelehnt wurde. Seine reguläre Amtszeit läuft noch bis 2007.

"Die Lage in Bolivien ist dramatisch", hatte bereits Anfang Juni der Bolivienexperte Bert Hoffman in einem Gespräch mit DW-WORLD gewarnt. "Carlos Mesa steht heute da, wo Lozada 2003 aufgehört hat", so der Politikwissenschaftler vom Institut für Iberoamerika-Kunde in Hamburg. Nach der Einschätzung Hoffmans gibt es nur zwei Möglichkeiten: Den Rücktritt Mesas - oder er greift zur Politik der harten Hand, arbeitet mit Einschüchterung und Repression, um die Unruhen unter Kontrolle zu bringen.

Forderungen

Indio-Anführer Jaime Alanoca Mamani bei einer Kundgebung in La Paz am 6. Juni 2005.

Die Krise in Bolivien hatte sich am Machtkampf zwischen reichen und armen Provinzen um die Nutzung der Erdgasvorkommen entzündet. Die wohlhabenden Erdgas-Provinzen im Osten wollen mehr Autonomie, die verarmte Indio-Landbevölkerung im Westen will eine neue Verfassung und die Verstaatlichung der Bodenschätze. Der Reichtum des Landes müsse endlich den Armen zugute kommen, lautete die Kernforderung bei den wochenlangen Demonstrationen vor allem in La Paz.

Mesas schärfster politischer Gegner, der Chef der Bewegung zum Sozialismus, Evo Morales, erklärte noch in der Nacht zum Dienstag, ein Rücktritt Mesas sei nicht die Lösung. Er forderte die Einberufung einer Verfassung gebenden Versammlung und Neuwahlen, die vom Präsidenten des Obersten Gerichts angesetzt werden müssten. Mesa sei es nicht gelungen, die sozialen Bewegungen im Lande mit den Parlamentsparteien in Einklang zu bringen. Auch Morales forderte erneut die Verstaatlichung der Bodenschätze Boliviens.

Die Protestbewegung, die von Evo Morales angeführt wird, sähe ihn, den Gewerkschaftler der Koka-Bauern, gerne als Präsidenten. Er ist ein Indio, wie 70 Prozent der bolivianischen Bevölkerung. Die Arbeiterbewegung um den Koka-Anbau ist Bert Hoffmann aber nicht geheuer. Wenn Morales an die Macht käme, würden die bolivianische Oberschicht und die ausländischen Investoren, das Land verloren geben, betont Bolivien-Experte Hoffman. (mas)

Bild: APTN/DW
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