In Bollywood ist Shah Rukh Khan eine Ikone. Die Fans liegen ihm nicht nur in Indien, sondern weltweit zu Füßen. Für DW-Redakteurin Brenda Haas liegt das am unvergleichlichen Charme des Schauspielers.
Anzeige
Näher als an eines seiner Haare bin ich dem Bollywood-Star Shah Rukh Khan (bisher) nicht gekommen. Eine Reporterkollegin hatte es in ihren Notizblock unter sein Autogramm geklebt - und ich durfte es anfassen. "Du hast ein Haar von ihm genommen?!", fragte ich meine komplett in ihn vernarrte Kollegin, die nach dem Interview mit Khan triumphierend ins Büro zurückkehrt war und das Haar wie eine Trophäe herumtrug.
Wir schrieben das Jahr 2001, und SRK - wie der Schauspieler von seinen Fans weltweit (geschätzt 3,5 Milliarden) genannt wird - war in meiner Heimat Malaysia, um in und außerhalb der Hauptstadt Kuala Lumpur Szenen für seinen Film "Der Babysitter-Cop - One 2 Ka 4" zu drehen.
Der König aller Liebesfilme
Wo immer er auftauchte, verfolgten ihn Medien und Fans gleichermaßen, denn sein Ruf als unumstrittener "König der Romanze" war längst besiegelt. Er spielte in einer ganzen Reihe von Filmen die männliche Hauptrolle, die immer dem gleichen Muster folgten: Ein Junge überwindet alle Hindernisse, um ein Mädchen zu bekommen. Alles begann mit dem Blockbuster "Dilwale Dulhania Le Jayenge" - auf Deutsch: "Wer zuerst kommt, kriegt die Braut" - wobei die Übersetzung eigentlich "Der mit dem großen Herzen bekommt die Braut" lauten müsste.
Wenn Shah Rukh Khan vom Drehbuch abweicht
Shah Rukh Khan hat in mehr als 80 Filmen mitgespielt, drei weitere kommen 2023 ins Kino. Die Fans lieben ihn auch wegen seines Humors. Hier einige seiner witzigsten Sprüche.
Bild: Money Sharma/AFP/Getty Images
Begleiterscheinungen des Ruhms
"Ich stelle keine Schecks mehr aus, weil ich sie am Ende doch wieder mit 'In Liebe, Shah Rukh' unterschreibe." Der Schauspieler war schon immer sehr direkt, wenn es um seinen Erfolg ging. Anfangs unterstellte man ihm Arroganz. Doch er hat immer wieder betont, dass Menschen, die hart arbeiten, nicht davor zurückschrecken sollten, die Früchte ihrer Arbeit zu genießen.
Bild: picture-alliance/dpa
Rassismus am Flughafen
"Wenn ich das Gefühl habe, zu arrogant zu sein, reise ich in die USA. Die Einwanderungsbehörde lässt einen schnell vergessen, dass man ein Star ist." 2010 spielte der Schauspieler in dem Film "My Name is Khan" mit, in dem es um den Umgang mit Muslimen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 geht. Khan wurde selbst an US-Flughäfen festgehalten. Sein Kommentar: "Es ist wirklich zum Kotzen."
Bild: picture alliance/dpa
Wie man zukünftige Schwiegereltern beeindruckt
"Sie redeten alle auf Punjabi, also sah ich sie an und sagte: Okay Gauri, zieh deine Burka an. Lass uns jetzt das Namaz (Stundengebet der Muslime, Anm. d. Red.) lesen!" Die Familie von Khans Hindu-Frau Gauri hatte ursprünglich Einwände gegen die Hochzeit, weil sie befürchtete, er würde sie zwingen, zu konvertieren. Doch dieser Spruch brach das Eis.
Bild: Sujit Jaiswal/Getty Images
Wenn ein Star in die Jahre kommt
"Mir wurde zunehmend bewusst, dass ich langsam wie eine Wachsfigur von Madame Tussauds aussehe. In diesem Moment der Erkenntnis stellte ich mir die für die Menschheit und für mich wichtigste Frage: Muss ich mein Gesicht operieren lassen?" Dieser Satz brachte sein Publikum zum Lachen - er zeigt aber auch, dass das Älterwerden für viele ein Problem ist, insbesondere in der Welt der Prominenten.
Bild: picture alliance/ANN
Über deutsche Fans
"Es ist berührend. Ich habe deutsche Fans, die überhaupt kein Hindi sprechen, gefragt, warum sie unsere Filme lieben. Sie antworteten, dass es in Deutschland Knöpfe gebe, um Autos, Kaffeemaschinen und Aufzüge zu starten. Aber keinen Knopf zum Weinen. Den haben Sie uns geschenkt." Khan hat sich in Interviews immer wieder überrascht gezeigt, dass er so viele deutschsprachige Fans hat.
Bild: Arno Burgi dpa/lbn
Auf die Frage: Beeinflusst Ihre Vaterschaft ihr Spiel auf der Leinwand?
"Ja, ich behandle jetzt alle meine Heldinnen wie Kinder. Ich nehme sie in den Arm, ich kuschle mit ihnen, ich nenne sie 'Baby'." Dem Schauspieler wurde davon abgeraten, früh zu heiraten, darunter könne sein Image als Held leiden. Er tat es trotzdem und bekam drei Kinder. Der Schwarm aller Frauen ist er trotzdem geblieben, sowohl in seinem Heimatland Indien als auch im Rest der Welt.
Bild: Rapid Eye Movies/dpa/picture alliance
Mit beiden Füßen auf der Erde
"Als Schauspieler und Performer muss man sich selbst kennen. Ich weiß, was ich bin: sexy, cool, gutaussehend, klug, gewitzt - und natürlich bescheiden", witzelte Shah Rukh Khan über sich selbst.
Bild: Money Sharma/AFP/Getty Images
7 Bilder1 | 7
Anzeige
Kein Film lief in der Geschichte des indischen Kinos so lange wie "DDLJ", so der Kurztitel der Romanze. 27 Jahre nach der Uraufführung ist er immer noch im Programm des Maratha Mandir Kinos in Indiens Filmhauptstadt Mumbai. Es war auch der erste Film mit Shah Rukh Khan, der in Deutschland gezeigt wurde - und hier ebenfalls eine SRK-Mania auslöste.
In diesem Film nimmt er zum ersten Mal eine ganz bestimmte Pose ein - mit ausgebreiteten Armen und einem einladenden, verschmitzten Lächeln. Viele, darunter auch der US-Talkmaster David Letterman, der ihn 2019 in seiner Netflix-Show interviewte, haben - vergeblich - versucht, das zu imitieren. Im Juni dieses Jahres wurde daraus sogar ein Twitter-Hashtag, bei dem #ShahRukhKhan von einem Zeichen verfolgt wird, das diese ikonische Pose einnimmt.
Auch SRKs Bollywood-Kollege Aamir Khan (die beiden sind nicht verwandt) hat in seinem letzten Film, einer Bollywood-Version von Tom Hanks' "Forrest Gump" mit dem Titel "Laal Singh Chaddha", die derzeit auf Netflix läuft, eine ironische Anspielung darauf gemacht.
Bollywood-Remakes von Hollywood-Filmen
Seit Jahrzehnten bedient sich Indiens Filmindustrie ungeniert am geistigen Eigentum aus den USA. Mehr oder weniger legal - mal vom Ideengeber gewürdigt, mal einfach nur bizarr.
Bild: dpa/picture alliance
"Forrest Gump"
Es ist ein gängiges Verfahren: Große Filmmärkte legen Stoffe, die woanders erfolgreich gelaufen sind, für ihr regionales Publikum neu auf. Deutschland verfilmt Geschichten aus Frankreich, die USA von überall auf der Welt. Dafür kaufen die Studios die Rechte. Bollywood dagegen neigt zum Plagiat. Bei der indischen Neu-Verfilmung des Oscar-prämierten Dramas "Forrest Gump" mit Tom Hanks lief aber ...
Bild: dpa/picture alliance
"Laal Singh Chaddha"
... alles korrekt: Das Bollywood-Remake "Laal Singh Chaddha", das gerade in den indischen Kinos anlief, ist eine Produktion des Studios Viacom 18, das wiederum zum US-Konzern Paramount Pictures gehört. Genau dort liegen auch die Filmrechte an "Forrest Gump", weshalb Bollywood-Regisseur Aamir Khan keine schlaflosen Nächte wegen Urheberrechtsverletzung haben muss.
Indiens Filmindustrie bedient sich seit Jahrzehnten vor allem an Stoffen des US-Markts, ungeniert - und ungestraft: Komödie, Krimi, Drama und - na klar - Tanzfilm. "Dirty Dancing" war 1987 ein Überraschungserfolg: kleines Budget, relativ unbekannte Darsteller, dazu Musik und viele Tanzszenen. Pooja Bhatt hat ihn 2006 neu aufgelegt: "Holiday" konnte aber nicht an den Erfolg des Originals anknüpfen.
Bild: Constantin-film/dpa/picture alliance
"Mrs. Doubtfire"
Ein geschiedener Mann verkleidet sich als Frau, damit seine Ex-Frau ihn als Haushälterin einstellt und er Zeit mit seinen Kindern verbringen kann. Eine herzzerreißende Geschichte, die Regisseur Chris Columbus 1993 in ein komisches Gewand packte und dem 2014 gestorbenen US-Schauspieler Robin Williams eine Paraderolle bot.
Bild: United Archives/picture alliance
"Chachi 420"
1997 verfilmte Bollywood die Komödie unter dem Titel "Chachi 420", Hauptrolle und Regie übernahm Kamal Haasan. Der Film war, genau genommen, ein doppeltes Remake, denn seine unmittelbare Vorlage war "Avvai Shanmugi" aus Kollywood, dem indischen Filmzweig, dessen Produktionen nicht in Hindi, sondern in der Sprache Tamil gedreht werden. "Chachi 420" war ein großer Erfolg an den Kinokassen.
Bild: National Film Archive India
"Kaante"
Eine Gruppe von Verbrechern scheitert bei einem Banküberfall - ein üblicher Filmstoff, der noch keine Rückschlüsse auf eine Kopie zulässt. Die indische Produktion "Kaante" (übersetzt: "Dornen") aus dem Jahr 2002 bediente sich aber sehr eindeutig an einer US-Vorlage des mittlerweile zum Kult-Regisseur avancierten Quentin Tarantino. In seinem Debütfilm "Reservoir Dogs" ließ Tarantino 1992 ...
Bild: White Feather Films/Film Club LdT.
"Reservoir Dogs"
... ein Ensemble um Harvey Keitel, Steve Buscemi und Tim Roth aufeinander los. Während nicht lizensierte Kopien für viele Filmschaffende ein Ärgernis sind, zeigte sich Tarantino vom Remake angetan - wohl, weil er selbst gerne ausgiebig aus alten Filmen zitiert. Vielleicht hat ihm auch imponiert, dass sogar dieser knallharte Streifen nicht ohne die für Bollywood typischen Gesangseinlagen auskommt.
Bild: Miramax/Everett Collection/picture alliance
"Superman"
Manchmal sind die Bollywood-Remakes auch so offensichtlich dreist geklaut, dass es schon wieder witzig ist. Weil 1987 für eine "Superman"-Adaption das nötige Kleingeld fehlte, kopierte Regisseur B. Gupta kurzerhand ganze Ausschnitte aus dem Original (im Bild: Christopher Reeve) und fügte sie in seinen Film ein. Immerhin die Hauptrolle wurde mit dem indischen Filmstar Dharmendra wirklich besetzt.
Bild: dpa/picture alliance
"Hari Puttar"
Zugegeben, "Hari Puttar" klingt schon verdächtig nach dem Zauberschüler Harry Potter, und erinnert das Haus im Hintergrund nicht an die Zauberschule Hogwarts? Ausgerechnet in diesem Fall klagte tatsächlich mal ein US-Filmstudio gegen die Selbstbedienung aus Bollywood. Doch Warner Bros. unterlag vor Gericht, denn "Hari Puttar" ist nicht der Verfilmung von J.K. Rowlings Werken entlehnt, sondern ...
Bild: Mirchi Movies
"Kevin - Allein zu Haus"
... der US-Komödie "Kevin - Allein zu Haus". In der Klamotte aus dem Jahr 1990 schlägt sich der damalige Kinderstar Macaulay Culkin in der Rolle des bei der Abreise in den Familien-Urlaub zu Hause vergessenen Kevin mit zwei trotteligen Einbrechern herum. Immerhin war Bollywood so kulant, sich mit der Kopie des Filmstoffs 18 Jahre Zeit zu lassen.
Bild: United Archives/picture alliance
10 Bilder1 | 10
Aber zurück zu diesem Haar: Meine Kollegin ließ es sich im Geschäft einrahmen und erzählte dem verwunderten Ladenbesitzer, dass es von ihrem verstorbenen Ehemann sei - wahrscheinlich um nicht als durchgeknallter Fan dazustehen. Um eins klarzustellen: Sie hatte die Erlaubnis von SRK, das Haar von seiner Jacke zu zupfen.
Romantiker mit Kussverbot
Shah Rukh Khan wurde am 2. November 1965 in Neu-Delhi geboren. Eigentlich wollte er Sportler werden, doch eine Verletzung im Teenager-Alter ließ diesen Traum platzen. Später zog er nach Mumbai und gab sich ein Jahr Zeit, um in der indischen Filmindustrie Fuß zu fassen. Kein leichtes Unterfangen, da dort Schauspieler aus Filmdynastien mit berühmten Nachnamen bevorzugt werden.
Zunächst verkörperte er im Fernsehen Anti-Helden-Rollen, da die Regisseure fanden, er sehe nicht gut genug aus. Doch schon bald stieg er zum Star auf - heute ist sein Name ein Synonym für den Begriff "Bollywood". Und für Romantik natürlich.
Aber was ist das Geheimnis dieses Schauspielers, der 42 Millionen Follower auf Twitter und Facebook und 31,3 Millionen auf Instagram hat? Warum hat er Fanclubs in so unterschiedlichen Ländern wie Tansania, Kanada, Griechenland, China, Peru und Deutschland?
"Bollywood wurde wegen der Liebesgeschichten berühmt, und die werden offenbar vor allem von Frauen konsumiert. Aber das romantische Fach ist eigentlich eines der schwierigsten Genres, um Erfolg zu haben - es sei denn, man hat einen Schauspieler, dessen Chemie bei allen stimmt und der trotzdem den Eindruck vermitteln kann, als ob nur eine die Richtige für ihn ist", so Vera Wessel, Chefredakteurin von Ishq, einem deutschsprachigen Bollywood-Magazin, gegenüber der DW.
"Shah Rukh Khan ist das Beste aus beiden Welten: Er kann wunderbar herumschäkern, aber wenn es darum geht, eine Beziehung einzugehen, hört er irgendwann auf zu scherzen - und wir alle verfallen ihm", fügt Wessel hinzu.
Die Weltbank-Ökonomin Shrayana Bhattacharya hat 2021 ein Buch mit dem Titel "Desperately Seeking Shah Rukh: India's Lonely Young Women and the Search for Intimacy and Independence" ("Shah Rukh verzweifelt gesucht: Indiens einsame junge Frauen und die Suche nach Intimität und Unabhängigkeit") geschrieben. Darin führt sie aus, dass SRKs Darstellung sensibler Charaktere - ob als Liebhaber, Held, Ehemann, Muslim oder Bösewicht - und seine tränenreiche Performance auf der Leinwand ihn bei Fans so beliebt macht.
Der Star selbst spielt seinen Status als Frauenschwarm oft herunter und betont, dass er "sehr schüchtern" sei. Im Jahr 2010 erklärte er gegenüber Jonathan Ross von der BBC, dass er in seinen Verträgen eine "Kussverbotsklausel" habe, weil er sich beim Küssen unwohl fühle. Seitdem hat er in einigen seiner späteren Filme - wenn auch sehr sparsam - doch mal die ein oder andere Partnerin geküsst.
Humorvoll und offenherzig
SRK ist bei seinen Fans und den Medien auch wegen seines messerscharfen Witzes und selbstironischen Humors beliebt. Einen Vortrag mit dem Titel "Gedanken über Menschlichkeit, Ruhm und Liebe", den er 2017 im kanadischen Vancouver hielt, begann er zum Beispiel mit den Worten: "Zu Hause in Indien verkaufe ich Träume und Liebe an Millionen von Menschen, die annehmen, dass ich der beste Liebhaber der Welt bin. Wenn ihr es niemandem weitersagt, verrate ich euch, dass ich es nicht bin. Das habe ich aber nie durchsickern lassen."
Mit Ausnahme seiner drei Kinder, die er über alles liebt und beschützt, scheint für ihn kein Thema in der Öffentlichkeit tabu zu sein: sei es das Älterwerden, floppende Filme oder gelegentliche Diskussionen über sein Sexleben. Zur Erinnerung: Khan, der Muslim ist, und seine hinduistische Frau Gauri sind seit 31 Jahren verheiratet.
30 Jahre auf der Leinwand
Im Laufe seiner Karriere hat Shah Rukh Khan, der im Juni sein 30-jähriges Jubiläum in der indischen Filmindustrie feierte, in mehr als 80 Filme mitgespielt. Wegen Corona pausierte er fast drei Jahre, doch 2023 werden drei neue Filme mit ihm ins Kino kommen. Den Reaktionen der Fans im Netz nach zu urteilen, versteht es SRK immer noch, die Massen mit seinem Charme zu begeistern.