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Literatur

"Bookstagram" - Literaturclub im Netz

Elizabeth Grenier ad
23. Oktober 2019

Auch wenn puristische Literaturliebhaber den Trend oberflächlich finden: Bücherfans glauben fest daran, dass auf Instagram arrangierte Buchfotos zum Lesen animieren. Drei junge Bookstagrammer erklären, wieso.

DW Shift - Snapshot Bookstagrammer
Bild: James Trevino

Bücher umgeben von Kerzen, flauschigen Kissen und Decken; Bücher und niedliche Hündchen; Bücher mit Blumen oder Kürbissen, mit einer guten Tasse Tee oder einem perfekten Cappuccino, nach Farbe sortiert auf einem Bücherregal präsentiert oder hingebungsvoll gehalten von einem lächelnden Literaturliebhaber: Auf dem Account eines Bookstagrammers findet man genau solche Arrangements. Auch beliebt: Anspielungen auf Harry Potter.

Der Gemeinschaft der Buchliebhaber auf Instagram geht es "vielfach darum, das Cover des Buches in einen gemütlichen Kontext zu stellen", erklärt Berenike Woy vom Hamburger Carlsen Verlag, der sich auf Bücher für Jugendliche und Kinder, Comics und Mangas spezialisiert hat. Sie fügt hinzu: "Die meisten Bilder transportieren das Konzept des Hygge-Lebensstils." 

Berenike Woy leitet die Abteilung für Soziale Medien beim Carlsen VerlagBild: privat

Bookstagram - ein zeitaufwändiges Hobby

Wer allergisch gegen irgendetwas ist, das auch nur im entferntesten mit diesem dänischen Modewort zusammenhängt - hygge meint in etwa "lässige Gemütlichkeit" -, der ist nicht gemacht für die Bookstagram-Community. "Keine Negativität verstreuen," empfiehlt Jessi Sieb, die auf Instagram als @witcherybooks bekannt ist. Weiterhin rät sie denjenigen Fans, die erfolgreiche Bookstagrammer werden wollen, dazu, "sich selbst treu zu bleiben, das zu machen, wozu man Lust hat, am Ball zu bleiben." 

Sieb, die mittlerweile 15.000 Follower auf Instagram hat, eröffnete ihren Account 2016 im Alter von 18 Jahren. Sie versucht, drei oder vier Stunden täglich mit ihrem Account zu verbringen. Das schafft sie gerade noch neben ihrem Literaturstudium und ihrem Teilzeitjob. Obwohl sie sich erhofft, eines Tages eine Stelle in der Buchindustrie zu bekommen, will sie Instagram nur als Hobby weiterführen: "Als Job wäre zu viel Druck dahinter," verrät sie der DW.

Jessi Sieb alias @witcherybooksBild: Instagram/witcherybooks

Während Siebs Studium die Beschäftigung mit klassischer Literatur beinhaltet, bleiben ihre Lieblingsgenres Fantasy und Jugendliteratur. Man fragt sich, ob ihr die Instagramaktivitäten nicht zu viel Zeit zum Lesen rauben, denn schließlich ist die Liste der Bücher, die sie für ihr Studium lesen muss, recht lang. "Das stimmt," räumt die Instagrammerin ein. Aber gleichzeitig betont sie, dass das Bookstagrammen "tatsächlich mega Lust auf Lesen macht."

Die Besonderheit der Bookstagram-Posts

Passionierte Bücherwürmer, die sich auf traditionelle Buchbesprechungen bei der Auswahl ihres nächsten Lesestoffes verlassen, mögen stilisierte Buchcover als oberflächlich abtun. Aber das ist alles eine Frage der Perspektive, meint Sieb. Denn im Vergleich zu beispielsweise Mode-Instagrammern, denen es nur darum geht, möglichst viele positive Reaktionen hervorzurufen, sind die Posts von Bookstagrammern länger und flechten auch Diskussionen über Bücher mit ein.

"Das Buch ist immer noch Kulturgut, immer noch Gedankengut. Jeder kann seine Meinung dazu entwickeln" erläutert Sieb. Da ist man in den Kommentaren im Austausch darüber, wie man den Inhalt fand oder die verschiedenen Protagonisten oder darüber, was einem an dem Buch problematisch erschien."

Es war die Suche nach einer Gemeinschaft von Bücherfans, die Siebs Aufmerksamkeit auf Instagram lenkte: "Ich hatte niemanden, mit dem ich über Bücher reden konnte, weil ich in einem kleinen Dorf aufgewachsen bin. Da waren Jugendliche, die an allen möglichen Sachen interessiert waren, nur nicht an Büchern. Und dann habe ich damit angefangen. Ich dachte, dass es eventuell Leute gibt, die Bücher genauso lieben wie ich. Das kam aus der Not heraus."

Stolze 12.475 Likes: Jessi Siebs Post mit den Büchern 'The Mortal Instruments' von Cassandra Clare erhielt viel AufmerksamkeitBild: Instagram/witcherybooks

Diese Gemeinschaft von Buchliebhabern ist international. Zur Zeit gibt es mehr als 36 Millionen Posts mit dem Hashtag #bookstagram. Auch in den deutschsprachigen Ländern wächst die Bookstagram-Szene täglich weiter an. Während es vor fünf Jahren nur 100-200 Buchblogger gab, schätzt Berenike Woy vom Carlsen Verlag ihre Anzahl derzeit auf 2000-3000.

Vom Hobby-Bookstagrammer zum Profi

Woy eröffnete vor fünf Jahren ihren eigenen Account und wurde letztes Jahr vom Verlagshaus Carlsen angestellt, um dessen Aktivitäten in den Sozialen Medien zu steuern. Inzwischen ermutigen Verlage Instagram-Influencer dazu, regelmäßig Posts über ihre Bücher zu veröffentlichen. Zu diesem Zweck werden sie zu speziellen Events mit ihren Lieblingsautoren eingeladen und sie bekommen Bücher zur Rezension oder Pakete mit buchrelevanten Geschenken zugeschickt.

Es waren nicht etwa solcherlei Vergünstigungen, die Nils Küchmeister alias @bunteschwarzweisswelt zu Bookstagram brachten: "Ich tue das nicht, um Bücher umsonst zu bekommen. Als ich damit anfing, wusste ich noch nicht einmal, dass es sowas überhaupt gibt," verteidigt er sich. Das war 2014, als Nils gerade mal 14 Jahre alt war. Es machte ihm einfach nur Spaß, kreativ zu sein und Fotos zu posten. Erst allmählich richtete er seine Aufmerksamkeit auf Bücher.

Nils Küchmeister alias @bunteschwarzweissweltBild: Instagram/bunteschwarzweisswelt

Mit mehr als 33.000 Followern ist er mittlerweile einer der populärsten Bookstagrammer in Deutschland. "Ich hasse es, Influencer genannt zu werden," sagt er.

Es sei schwierig, den tatsächlichen Einfluss der Bookstagrammer einzuschätzen, da so viele verschiedene Faktoren den Verkauf von Büchern bestimmen, erklärt Woy. Nichtsdestotrotz verfolgen die Verlage, was sich in den Sozialen Medien diesbezüglich so alles tut. 

James Trevino - ein Star unter den Bookstagrammern

Einer der Topstars der Bookstagrammerszene ist James Trevino (oben abgebildet). Er hat mittlerweile ganze 233.000 Follower gewonnen, indem er mit Büchern Skulpturen und Landschaften kreiert, die einen Bezug zu berühmten Geschichten haben. Ein weiterer Trend namens "Book Porn" auf Instagram besteht darin, sich liegend vor dem Hintergrund geöffneter Bücher abzulichten.

Der Bookstagrammer James Trevino

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Kritiker mögen einwenden, dass solcherlei Instagram-Posts das Buch nur als Requisite nutzen, nicht aber Menschen zum Lesen anregen werden. Doch Nils sieht hier keinen Widerspruch: "Besser so als gar nicht", findet er. "Wenn man Kreativität verbinden kann mit Bücherlesen und sich darüber austauschen kann, warum denn nicht?" 

Während bereits seit einem Jahrzehnt weltweit der Tod des gedruckten Buches vorausgesagt wird, zeigen diese digitalen Accounts, dass die "Generation Z", geboren zwischen 1997 und 2012 und großgeworden mit digitalen Medien, immer noch sehr wohl den Besitz von Büchern aus Papier schätzt. Schließlich sind Fotos von E-Books bei weitem nicht so gut instagrammierbar.

Und auf einem Bücherregal präsentierte Bücher - egal, ob sie nun bis zum Ende gelesen wurden oder nicht - sagen weiterhin auch so einiges über die Identität einer Person aus. Genau das wollen Bookstagrammer mit der gesamten Welt teilen - oder zumindest mit ihren zigtausenden Followern.

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