Deutschland Werften
25. Oktober 201319 Meter lang wird das Segelboot am Ende sein, an dem die Bootsbauer in der großen Halle gerade arbeiten. Im Moment schichten sie den Schaum-Kern des Bootes. Fast eineinhalb Jahre brauchen sie, bis der Performance-Cruiser, wie es in der Branchensprache heißt, auf das Wasser kann. Das Segelboot sieht dann aber ganz genau so aus, wie es sich der Eigner vorgestellt hat.
Yachtbau nach individuellen Wünschen - das ist das Geschäft der Knierim-Werft in Kiel seit ihrer Gründung 1965.
Allerdings: Waren es sonst immer zwei bis drei Boote im Jahr, sind es heute ein, bestenfalls zwei Aufträge, die reinkommen, erklärt Geschäftsführer Gunnar Knierim. "Um unsere Stammtruppe, unseren Kern halten zu können, brauchen wir noch andere Bereiche, weil wir eben nicht wissen, schaffen wir es tatsächlich überschneidend einen neuen Auftrag zu bekommen?"
Neue Geschäftsmodelle mussten her
Groß und doch genau bis auf den Zehntelmillimeter - um das zu schaffen, werden Bootsrumpf oder Deck schon lange nicht mehr mit der Hand, sondern in einem Guss gefräst. Formenbau nennt man das. Und so kamen die Macher auf die Idee, diese Fräs-Technik auch für Urformen und Prototypen anderer Industrie-Zweige anzubieten, fernab vom Bootsbau.
"Eine Windflügelform zum Beispiel hat ähnliche Abmessungen und Oberflächen wie der Rumpf eines Bootes", erklärt Knierim. "Für eine Form, die dauerhaft halten soll, brauchen wir Stabilität, und die erreichen wir in einer vergleichbaren Bauweise wie im Bootsbau." Und das habe sich durchgesetzt, immer mehr Kunden interessierten sich für den Toolingbereich der Firma, freut sich der Geschäftsführer und Bootsbaumeister.
Kostengünstig und genau produzieren
Auf das gefräste Styropor-Modell kommen mehrere Lagen Fasern. Dann wird mit dem Spritzaufsatz der Fräse ein Kunststoff-Gemisch aufgetragen. Nach einem Tag Aushärtung wird wieder gefräst, bis die gewünschte Form erreicht ist, erklärt Formenbauer Matthias Köppl. Er überwacht die Arbeit der Fräsen.
Die sind das Erfolgsgeheimnis der Knierim-Werft. Inzwischen wird hier mit drei dieser Fünf-Achs-Fräsen gearbeitet. Dabei entstehen Prototypen und Urformen für Werkzeuge, Rotorenblätter für Windräder, aber auch schusssichere Teile für die Militärindustrie. Darüber will Geschäftsführer Knierim aber mit Rücksicht auf seine Kunden nicht weiter eingehen.
Je nach Auftragslage wechselt das Personal seinen Job
Der Formenbau hat der Knierim-Werft neue Horizonte erschlossen. Neue Horizonte, das heißt neue Märkte und damit nicht zuletzt Grundlage für das Fortleben der Werft.
Ist ein Bereich weniger ausgelastet mit Aufträgen, sind die Bootsbauer inzwischen auch sicher auf dem Gebiet des Formenbaus und umgekehrt. Leerlaufzeiten in einem der Geswvhäftszweige können so überbrückt werden. "Damit können wir unseren Stamm von fünfzig, manchmal sogar mehr Leuten immer halten", fasst Gunnar Knierim gegenüber der DW zusammen.
Gunnar Knierims Vater hat die Werft in den 1960er Jahren aufgebaut. Am südlichen Ufer des Nordostseekanals in Kiel war es nun die Aufgabe des Sohnes und dem weiteren Geschäftsführer, Stefan Müller, die Firma durch die unruhigen Gewässer der Wirtschaftskrise zu schiffen.
Vorsichtiger Optimismus
Dass es wirklich aufwärts geht, soweit will Knierim in seiner Einschätzung lieber nicht gehen. Aber er ist vorsichtig optimistisch:
"Es ist schon ein kleiner Traum, daß wir das alles geschafft haben, wie es jetzt hier steht, wenn es so weitergeht, ist es ein weiterer Traum."
Natürlich liegt dem passionierten Segler und Bootsbauer der Yachtneubau besonders am Herzen. Aber ohne den Toolingbereich, dem Geschäft mit den Fünf-Achs-Fräsen könnten sie heute vielleicht gar keine Boote mehr bauen. Viele Werften vergleichbarer Größe hat Gunnar Knierim eingehen sehen. Davon war die Knierim-Werft selbst in den härtesten Zeiten der Bootsbranche nie betroffen.