Seit August 2017 ist Boris Becker Head of Men's Tennis und schon kämpft das deutsche Davis-Cup-Team gegen Spanien um den Einzug ins Halbfinale. Es geht bergauf, sagt die Tennis-Legende im DW-Interview.
Anzeige
DW: Herr Becker, halten Sie es für möglich, dass Deutschland in absehbarer Zeit im Tennis - so wie damals in den 1980er Jahren - wieder ganz oben steht?
Boris Becker: Wir haben einen Tennis-Boom in Deutschland, durch Erfolge auch bei den Damen. Wir haben mit Angie Kerber und auch mit Julia Görges zwei absolute Weltklassespielerinnen. Wir haben mit Sascha [Alexander; Anm. d. Red.] Zverev einen absoluten Weltklassespieler. Warum nicht? Wir arbeiten auch sehr hart daran, dass wir gute 18- und 19-Jährige haben. Sicherlich müssen wir an König Fußball vorbei. Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber es gibt genügend Platz für mehrere Sportarten - eben auch für Tennis.
Was waren das Ende der 1980er Jahre für Umstände, die dazu geführt haben, dass das deutsche Tennis so erfolgreich war?
Das war eine Reihe von Dingen, die zusammen gespielt haben. Wir hatten einen sehr guten Verband, einen sehr guten Landesverband, in dem Fall Baden, sehr gute Trainer, ein sehr gutes familiäres Umfeld, das mir die Möglichkeit gegeben hat, einfach Tennis zu spielen - und auch ein Quäntchen Glück natürlich.
Höhepunkt war wohl 1989: Sie und Steffi Graf in Wimbledon, das hat einen unheimlichen Boom ausgelöst.
Ja, vielleicht angefangen mit meinem Wimbledonsieg 1985, ich war so der erste Vorreiter. Dann hat die Gräfin aufgeholt und ihre Titel gewonnen. Dann haben wir erstmals überhaupt gemeinsam, an einem Tag auch noch, an einem Sonntag im Juli, Wimbledon gewonnen. Da war auch Bundesspräsident [Richard von; Anm. d. Red.] Weizsäcker in der Royal Box, das war ein besonderer Moment für das deutsche Tennis.
Waren Sie eigentlich eifersüchtig, dass sie damals den Golden Slam nicht geschafft haben?
Ich war nicht gut genug, das hat mit Eifersucht nichts zu tun. Das hat die Gräfin eben 1988 gemacht. Ich war immer froh, wenn ich wenigstens einen Grand Slam im Jahr gewonnen habe. Sie hat das regelmäßiger gemacht als sich.
Warum haben sie sich vor rund sieben Monaten entschieden diesen Posten beim Deutschen Tennis Bund zu übernehmen und was denken Sie, könnte jetzt wieder möglich sein?
Ich glaube, dass ich als Trainer gute Erfolge gefeiert habe in den letzten Jahren. Und dann hat mich der Verband schon vor geraumer Zeit angesprochen, diesen nationalen Posten zu übernehmen. Den gab es noch nicht, also "Head of Men's Tennis" gab es noch nicht. Und ich habe gesagt, dass ich mich freue: die Ehre, das Selbstvertrauen, die Verantwortung, die ich da übernehmen darf. Das wurde sehr gut aufgenommen von den Spielern, von den Trainern auch.
Haben Sie schon jemanden im Blick wenn es darum geht, wer Rafael Nadal, Roger Federer oder Novak Djokovic ersetzen könnte? Sehen Sie eine neue Generation von Tennisspielern?
Ich sehe in Deutschland einen sehr guten Spieler, das ist [Alexander; Anm. d. Red.] Zverev. Die Russen haben ein paar sehr gute Spieler: Karen Khachanov und Andrey Rublev sind großartig. Denis Shapovalov aus Kanada ist auch sehr gut. Es gibt einige Spieler, die zwischen 19 und 21 Jahren alt sind und die schon an die Türen klopfen, die immer besser werden. Und ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie die Alten überholen werden. Nick Kyrgios mag ich auch sehr, er ist ja auch erst 22 Jahre alt. Die Leute vergessen immer, wie jung der noch ist. Es ist eine aufregende Gruppe von Spielern. Dominic Thiem ist ein anderer, der immer wieder auf sich aufmerksam macht. Es sind vier bis sechs Spieler in der Welt, denen man alles zutrauen kann. Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie Nummer eins, Nummer zwei und Nummer drei sein werden.
Es gibt Gerüchte, dass Sie Trainer von Alexander Zverev werden könnten.
Ich bin seit Jahren mit Sascha [Alexander; Anm. d. Red.], aber auch mit Mischa Zverev in engem Kontakt. Wir sind befreundet…auch mit seinem Vater. Wir reden seit Jahren über Tennis, das ist nichts Neues. Auch in meiner neuen Aufgabe jetzt als Kopf des Herrentennis ist es auch meine Verpflichtung, mich mit ihm und seinem Bruder intensiv über Tennis zu unterhalten. Das mache ich gerne und auch oft. Aber sein offizieller Trainer, das ist sein Vater. Sein Vater ist sein Trainer und das wird - glaube ich - auch noch lange so bleiben. Aber ich bin sein Freund, sein Berater und ich stehe ihm zur Seite, wenn er mich braucht.
Nun steht für das deutsche Davis-Cup-Team das Viertelfinale gegen Spanien auf dem Programm. Wie fällt ihre Prognose aus?
Wir sind die Außenseiter, aber das waren wir gegen Australien auch. Wenn unsere Mannschaft komplett ist, sind wir stark. Und wir bemühen uns, drei Punkte zu holen.
Boris Becker: Sein Leben in Bildern
Tennis-Legende, Lebemann, Lachnummer - Boris Becker lässt in seinem Leben nicht viel aus. Selbst ein Gefängnisaufenthalt steht in seiner Biographie.
Bild: Tayfun Salci/ZUMA Press Wire/dpa
"Bobbele" erobert die Welt
Mehr als elf Millionen Deutsche fiebern am 7. Juli 1985 vor den Bildschirmen mit, als mit einem Schlag aus einem 17-jährigen Tennisspieler die Sport-Ikone Boris Becker wird. Durch seinen Wimbledon-Erfolg löst "Bobbele" in Deutschland einen unglaublichen Tennis-Boom aus. 1986 und 1989 gewinnt er erneut in seinem "Wohnzimmer".
Bild: Getty Images
Eine neue Ära
Noch nie gewann Deutschland die prestigeträchtige Mannschaftstrophäe. Bis Boris Becker kommt. Im legendären Davis-Cup-Finale 1988 siegen Becker und Carl-Uwe Steeb im Doppel gegen die damals besten Tennisspieler der Welt: den Weltranglistenersten Mats Wilander und Wimbledon-Sieger Stefan Edberg. 1989 wiederholt er den Triumph erneut gegen die Skandinavier.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Schrader
Der Becker-Hecht
1990 wird Becker zum vierten Mal zum "Sportler des Jahres" gewählt. Sein druckvolles und variables Spiel kann Becker vor allem auf schnellen Platzbelägen - insbesondere in der Halle und auf Rasen - entwickeln. Seine Stärke: das Serve-and-Volley-Spiel. Die Sportfans lieben ihn für seinen Becker-Hecht - ein im Sprung geschlagener Volley. 1991 erobert er die Spitze der Weltrangliste.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Scheidemann
Olympisches Gold
Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona scheiden die beiden deutschen Rivalen Michael Stich (l.) und Boris Becker in ihren Einzeln jeweils früh raus. Im Doppel bietet sich die Chance auf Edelmetall - und sie holen sogar Gold: "Zwischen den Ballwechseln haben wir eigentlich gar nicht miteinander gesprochen, denn wir mochten uns nicht wirklich", so Becker später.
Bild: picture-alliance/dpa/K. U. Wärner
Die erste Hochzeit
Ende des Jahres 1993 heiratet Becker die deutsch-amerikanische Schauspielerin und Designerin Barbara Feltus. 1999, hochschwanger mit dem zweiten Kind, erfahren sie und die Öffentlichkeit von der Besenkammer-Affäre ihres Mannes mit dem russischen Model Angela Ermakowa. Die Folge: Mit Anna bekommt Becker sein drittes Kind - und 2001 die Scheidung von Barbara.
Bild: picture-alliance/dpa
Sein letztes Match
Nach seiner Achtelfinal-Niederlage in Wimbledon gegen den Australier Patrick Rafter im Juni 1999 beendet Boris Becker seine Profikarriere. Später sagt Becker, er habe gesundheitlich einen hohen Preis gezahlt: "Ich habe zwei neue Hüften, ich habe eine zehn Zentimeter lange Eisenplatte im rechten Sprunggelenk, ich hinke leicht."
Bild: picture-alliance/dpa/A. Niedringhaus
Vor Gericht
2002 wird Becker wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 1,7 Millionen Euro zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Nach Auffassung des Gerichts hatte Becker in den Jahren 1991 bis 1993 zwar offiziell seinen Wohnsitz im Steuerparadies Monaco. Tatsächlich habe er aber seinen Lebensmittelpunkt in München gehabt.
Bild: Getty Images/Bongarts/S. Behne
Das nächste Urteil
Glück im Unglück: Boris Becker haftet für die Insolvenz des Internetportals Sportgate, an dem er 60 Prozent der Anteile hielt - aber mit einer viel geringeren Summe, als ursprünglich gefordert. Das Gericht verurteilt ihn im Jahr 2007 zu einer Zahlung von 114.000 Euro.
Bild: picture-alliance/dpa
Hochzeit Nummer zwei
2009 steuert Becker mit der Niederländerin Sharlely "Lilly" Kerssenberg zum zweiten Mal in den Hafen der Ehe ein. Der gemeinsame Sohn Amadeus Benedict Edley Luis ist das vierte Kind von Boris Becker. Die beiden leben in London und in Zürich. 2018 trennt sich das Paar.
Bild: picture-alliance/dpa /U. Deck
Neue Aufgabe
Zum Jahresende 2013 verblüfft eine Nachricht die Sportwelt: Boris Becker wird Chefcoach von Novak Djokovic. Der Serbe ist dankbar, vor allem in "psychologischer Hinsicht" helfe Becker ihm sehr, weil er viele Situationen bereits erlebt habe. Auch Becker profitiert enorm von der neuen Aufgabe, endlich kommt er aus den negativen Schlagzeilen raus.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Arrizabalaga
Nicht mehr gebraucht
Das Duo Djokovic/Becker feiert zahlreiche Erfolge. Der Serbe sammelt unter Beckers Anleitung insgesamt sechs Grand-Slam-Titel. Aber im Dezember 2016 folgt die überraschende Trennung. Djokovic schiebt Becker ab. Dahinter steckt offenbar auch der spanische Mentaltrainer Djokovics, Pepe Imaz, der auf ein Konzept von "Liebe und Frieden", Spiritualität und Meditation setzt.
Bild: picture alliance/AP Photo/A. Grant
Finanzieller Bankrott
Ein Londoner Konkursgericht erklärt Becker im Juni 2017 für zahlungsunfähig. Ein Gläubiger macht Forderungen im zweistelligen Millionenbereich geltend. "Es ist irrsinnig zu glauben, ich sei pleite", sagt Becker. Das Insolvenzverfahren zieht sich über Jahre hin. Trophäen und andere Erinnerungsstücke des einstigen Tennis-Superstars kommen unter den Hammer. Die Auktion bringt über 750.000 Euro ein.
Bild: picture alliance/dpa/Wyles Hardy & Co
Möchtegern-Diplomat
Um der Zwangsvollstreckung zu entgehen, behauptet Becker, er sei Sonderattaché der Zentralafrikanischen Republik und genieße deshalb Immunität. Von einer offiziellen Ernennung zum Diplomaten könne keine Rede sein, widerspricht Präsident Faustin Archange Touadera (l.). Man habe sich lediglich getroffen. Der von Becker vorgelegte Diplomatenpass sei eine Fälschung, teilt die Regierung mit.
Mitte 2017 wird Becker als starker Mann im deutschen Tennis vorgestellt: Er bekleidet den neuen Posten des "Männer-Chefs" im Deutschen Tennis Bund (DTB). "Ich liebe diesen Sport und ich liebe dieses Land. Es freut mich, wieder eine wichtige Aufgabe im deutschen Tennis übernehmen zu dürfen", verkündet Becker. 2020 gibt er den Posten ab - aus Zeitmangel, wie er zu Protokoll gibt.
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Probst
Acht Monate im Gefängnis
Im Frühjahr 2022 wird Becker in Großbritannien wegen Insolvenzvergehen zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach acht Monaten kommt er frei und wird nach Deutschland ausgeliefert. In seinem ersten Interview gibt sich Becker geläutert. Im Gefängnis sei er nur eine Nummer gewesen, sagt der Ex-Tennisstar. "Ich glaube, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war."
Bild: Nadine Rupp/SAT.1/dpa/picture alliance
15 Bilder1 | 15
Boris Becker gewann 1985 als 17-jähriger und damit jüngster Tennisspieler aller Zeiten das Wimbledon-Turnier in England. Gemeinsam mit Steffi Graf sorgte er in den 1980er Jahren für einen deutschen "Tennis-Boom". Boris Becker ging bei insgesamt 49 Turnieren als Sieger vom Feld, davon dreimal in Wimbledon. Bei den Olympischen Spielen in Barcelona 1992 gewann er im Doppel mit Michael Stich die Goldmedaille. 1999 zog sich Becker aus dem Profitennis zurück, ab 2009 arbeitete er als Tenniskommentator bei der englischen BBC. Mittlerweile fungiert der Ex-Profi als Experte und Co-Kommentator bei Eurosport. Von 2013 bis 2016 war er Trainer von Novak Djokovic. Im August 2017 übernahm Boris Becker den neugeschaffenen Posten des "Head of Men's Tennis" im Deutschen Tennis Bund.