Zweieinhalb Jahre Gefängnis wegen Insolvenzverschleppung. So lautet das Londoner Urteil gegen den Ex-Tennisstar. Becker kann zwar noch Rechtsmittel einlegen, musste aber direkt aus dem Gerichtssaal hinter Gitter.
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Boris Becker muss wegen Insolvenzverschleppung ins Gefängnis. Nachdem der ehemalige Tennisstar bereits vor einigen Wochen von einer Jury in London in vier von 24 Anklagepunkten für schuldig befunden worden war, legte Richterin Deborah Taylor das Strafmaß auf zwei Jahre und sechs Monate fest. Lediglich die Hälfte der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Mit versteinerten Gesicht nahm der 54-Jährige das Urteil entgegen. Becker musste die Verhandlung im Gerichtssaal in einem Glaskasten mitverfolgen. "Ich habe die Einwände, die für Sie vorgetragen wurden, in Betracht gezogen", sagte Taylor in ihrer Begründung. "Aber Sie machten persönlich Gebrauch vom Firmenkonto. Sie haben Eigentum unterschlagen, versteckt. So viel Geld ging verloren."
Die Geschworenen, die Becker Anfang April schuldig gesprochen hatten, waren zu der Ansicht gelangt, dass Becker einen Immobilienbesitz in seinem Heimatort Leimen verschleiert und unerlaubterweise hohe Summen auf andere Bankkonten überwiesen hatte. Außerdem waren Anteile an einer Firma für künstliche Intelligenz von ihm verschwiegen worden.
Der sechsmalige Grand-Slam-Sieger hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und kann noch Berufung einlegen. Er musste seine Strafe aber unmittelbar antreten.
Anwalt: "Boris Becker hat nichts mehr"
Beckers Anwalt Jonathan Laidlaw hatte das Gericht um Milde für seinen Mandanten gebeten und sich für eine Bewährungsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren ausgesprochen. Die getätigten Überweisungen erklärte Laidlaw mit Zahlungen an Beckers Ex-Frau Barbara sowie dessen Gattin Lilly und die Kinder, die von Becker abhängig gewesen seien. Laidlaw räumte ein, dass Becker damit das Gesetz gebrochen hatte, es sei aber kein schwerwiegender Fall, so der Anwalt.
"Dieser Angeklagte hat wirklich alles verloren. Boris Becker hat nichts mehr", sagte Laidlaw in einem dramatischen Plädoyer und verwies auf die Demütigungen, die Becker einstecken musste. "Seine Karriere ist zerstört. Er wird keine Arbeit mehr finden. Er wird auf die Gutmütigkeit anderer angewiesen sein, um zu überleben", behauptete Laidlaw.
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Staatsanwältin: "Schlechter Charakter"
Becker war in Begleitung seiner Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro und seines ältesten Sohns Noah vor Gericht erschienen. Die Höchststrafe für seine Vergehen hatte sieben Jahre Haft betragen. Staatsanwältin Rebecca Chalkley warf Becker vor, einen schweren Vertrauensbruch begangen zu haben und konstatierte ihm einen "schlechten Charakter".
Sie verwies zudem darauf, dass er im Oktober 2002 in Deutschland schon einmal wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 1,7 Millionen Euro zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden war. Chalkley hatte im Vorfeld keine genaue Strafmaßforderung genannt, aber deutlich gemacht, dass eine Bewährungsstrafe nicht ausreiche.
Unterstützung vom DTB
Vor dem Londoner Gerichtshof Southwark Crown Court hatte großer Andrang geherrscht. Die Sitzung war deshalb in einen deutlich größeren Saal verlegt worden. Becker war bereits 2017 gerichtlich für zahlungsunfähig erklärt worden und musste daraufhin sein Vermögen offenlegen.
Schon vor der Strafmaßbekanntgabe hatte sich der Deutsche Tennisbund (DTB) zu seinem einstigen Aushängeschild geäußert. DTB-Präsident Dietloff von Arnim bekräftigte seine Loyalität mit Becker. Der habe für das deutsche Tennis "unstreitig herausragende Erfolge" gefeiert. Der Verband stehe daher "treu an der Seite unserer Tennis-Ikone".
Boris Becker: Sein Leben in Bildern
Tennis-Legende, Lebemann, Lachnummer - Boris Becker lässt in seinem Leben nicht viel aus. Selbst ein Gefängnisaufenthalt steht in seiner Biographie.
Bild: Tayfun Salci/ZUMA Press Wire/dpa
"Bobbele" erobert die Welt
Mehr als elf Millionen Deutsche fiebern am 7. Juli 1985 vor den Bildschirmen mit, als mit einem Schlag aus einem 17-jährigen Tennisspieler die Sport-Ikone Boris Becker wird. Durch seinen Wimbledon-Erfolg löst "Bobbele" in Deutschland einen unglaublichen Tennis-Boom aus. 1986 und 1989 gewinnt er erneut in seinem "Wohnzimmer".
Bild: Getty Images
Eine neue Ära
Noch nie gewann Deutschland die prestigeträchtige Mannschaftstrophäe. Bis Boris Becker kommt. Im legendären Davis-Cup-Finale 1988 siegen Becker und Carl-Uwe Steeb im Doppel gegen die damals besten Tennisspieler der Welt: den Weltranglistenersten Mats Wilander und Wimbledon-Sieger Stefan Edberg. 1989 wiederholt er den Triumph erneut gegen die Skandinavier.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Schrader
Der Becker-Hecht
1990 wird Becker zum vierten Mal zum "Sportler des Jahres" gewählt. Sein druckvolles und variables Spiel kann Becker vor allem auf schnellen Platzbelägen - insbesondere in der Halle und auf Rasen - entwickeln. Seine Stärke: das Serve-and-Volley-Spiel. Die Sportfans lieben ihn für seinen Becker-Hecht - ein im Sprung geschlagener Volley. 1991 erobert er die Spitze der Weltrangliste.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Scheidemann
Olympisches Gold
Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona scheiden die beiden deutschen Rivalen Michael Stich (l.) und Boris Becker in ihren Einzeln jeweils früh raus. Im Doppel bietet sich die Chance auf Edelmetall - und sie holen sogar Gold: "Zwischen den Ballwechseln haben wir eigentlich gar nicht miteinander gesprochen, denn wir mochten uns nicht wirklich", so Becker später.
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Die erste Hochzeit
Ende des Jahres 1993 heiratet Becker die deutsch-amerikanische Schauspielerin und Designerin Barbara Feltus. 1999, hochschwanger mit dem zweiten Kind, erfahren sie und die Öffentlichkeit von der Besenkammer-Affäre ihres Mannes mit dem russischen Model Angela Ermakowa. Die Folge: Mit Anna bekommt Becker sein drittes Kind - und 2001 die Scheidung von Barbara.
Bild: picture-alliance/dpa
Sein letztes Match
Nach seiner Achtelfinal-Niederlage in Wimbledon gegen den Australier Patrick Rafter im Juni 1999 beendet Boris Becker seine Profikarriere. Später sagt Becker, er habe gesundheitlich einen hohen Preis gezahlt: "Ich habe zwei neue Hüften, ich habe eine zehn Zentimeter lange Eisenplatte im rechten Sprunggelenk, ich hinke leicht."
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Vor Gericht
2002 wird Becker wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 1,7 Millionen Euro zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Nach Auffassung des Gerichts hatte Becker in den Jahren 1991 bis 1993 zwar offiziell seinen Wohnsitz im Steuerparadies Monaco. Tatsächlich habe er aber seinen Lebensmittelpunkt in München gehabt.
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Das nächste Urteil
Glück im Unglück: Boris Becker haftet für die Insolvenz des Internetportals Sportgate, an dem er 60 Prozent der Anteile hielt - aber mit einer viel geringeren Summe, als ursprünglich gefordert. Das Gericht verurteilt ihn im Jahr 2007 zu einer Zahlung von 114.000 Euro.
Bild: picture-alliance/dpa
Hochzeit Nummer zwei
2009 steuert Becker mit der Niederländerin Sharlely "Lilly" Kerssenberg zum zweiten Mal in den Hafen der Ehe ein. Der gemeinsame Sohn Amadeus Benedict Edley Luis ist das vierte Kind von Boris Becker. Die beiden leben in London und in Zürich. 2018 trennt sich das Paar.
Bild: picture-alliance/dpa /U. Deck
Neue Aufgabe
Zum Jahresende 2013 verblüfft eine Nachricht die Sportwelt: Boris Becker wird Chefcoach von Novak Djokovic. Der Serbe ist dankbar, vor allem in "psychologischer Hinsicht" helfe Becker ihm sehr, weil er viele Situationen bereits erlebt habe. Auch Becker profitiert enorm von der neuen Aufgabe, endlich kommt er aus den negativen Schlagzeilen raus.
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Nicht mehr gebraucht
Das Duo Djokovic/Becker feiert zahlreiche Erfolge. Der Serbe sammelt unter Beckers Anleitung insgesamt sechs Grand-Slam-Titel. Aber im Dezember 2016 folgt die überraschende Trennung. Djokovic schiebt Becker ab. Dahinter steckt offenbar auch der spanische Mentaltrainer Djokovics, Pepe Imaz, der auf ein Konzept von "Liebe und Frieden", Spiritualität und Meditation setzt.
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Finanzieller Bankrott
Ein Londoner Konkursgericht erklärt Becker im Juni 2017 für zahlungsunfähig. Ein Gläubiger macht Forderungen im zweistelligen Millionenbereich geltend. "Es ist irrsinnig zu glauben, ich sei pleite", sagt Becker. Das Insolvenzverfahren zieht sich über Jahre hin. Trophäen und andere Erinnerungsstücke des einstigen Tennis-Superstars kommen unter den Hammer. Die Auktion bringt über 750.000 Euro ein.
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Möchtegern-Diplomat
Um der Zwangsvollstreckung zu entgehen, behauptet Becker, er sei Sonderattaché der Zentralafrikanischen Republik und genieße deshalb Immunität. Von einer offiziellen Ernennung zum Diplomaten könne keine Rede sein, widerspricht Präsident Faustin Archange Touadera (l.). Man habe sich lediglich getroffen. Der von Becker vorgelegte Diplomatenpass sei eine Fälschung, teilt die Regierung mit.
Mitte 2017 wird Becker als starker Mann im deutschen Tennis vorgestellt: Er bekleidet den neuen Posten des "Männer-Chefs" im Deutschen Tennis Bund (DTB). "Ich liebe diesen Sport und ich liebe dieses Land. Es freut mich, wieder eine wichtige Aufgabe im deutschen Tennis übernehmen zu dürfen", verkündet Becker. 2020 gibt er den Posten ab - aus Zeitmangel, wie er zu Protokoll gibt.
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Acht Monate im Gefängnis
Im Frühjahr 2022 wird Becker in Großbritannien wegen Insolvenzvergehen zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach acht Monaten kommt er frei und wird nach Deutschland ausgeliefert. In seinem ersten Interview gibt sich Becker geläutert. Im Gefängnis sei er nur eine Nummer gewesen, sagt der Ex-Tennisstar. "Ich glaube, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war."