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Politik

Boris Johnson wird neuer britischer Premierminister

23. Juli 2019

Das Vereinigte Königreich bekommt einen neuen Regierungschef. Die Parteimitglieder der regierenden Tories entschieden sich, wie erwartet, mit großer Mehrheit für den Brexit-Hardliner Johnson.

Großbritannien London | Boris Johnson wird neuer Premierminister
Bild: Reuters/T. Melville

Nach einem wochenlangen Auswahlverfahren mit mehreren Regionalkonferenzen und Vorstellungsrunden der Kandidaten steht fest: Boris Johnson wird neuer Tory-Chef und damit automatisch auch Premierminister des Vereinigten Königreichs. In einer Urabstimmung konnten die rund 160.000 Mitglieder der Konservativen Partei per Briefwahl über ihren neuen Vorsitzenden abstimmen. In dem Mitgliederentscheid setzte sich der Ex-Außenminister gegen den amtierenden Ressortchef Jeremy Hunt durch.

Haushoher Sieg für den Favoriten

Für Boris Johnson stimmten laut Wahlleiterin Cheryl Gillan 92.153 Parteimitglieder. Für Mitbewerber Jeremy Hunt sprachen sich 46.656 Konservative aus. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Partei bei 87,4 Prozent, es wurden 509 ungültige Stimmen abgegeben. Der neue Premier soll bereits am Mittwoch die Amtsgeschäfte übernehmen. Queen Elizabeth II. wird ihn offiziell zum Regierungschef ernennen.

Eine "außerordentliche Ehre"

In einem ersten Statement nach seiner Wahl kündigte Johnson an, das Chaos um den EU-Austritt Großbritanniens zu beenden und die Spaltung im Land zu überwinden. Die Ziele seien nun, den Brexit zu vollziehen, das Land zu vereinen und Oppositionschef Jeremy Corbyn zu besiegen. Es sei für ihn eine "außerordentliche Ehre und ein Privileg", dass er gewählt worden sei, sagte Johnson.

Der unkonventionelle und exzentrische Johnson, Galionsfigur des rechten Tory-Flügels, galt schon lange als haushoher Favorit für die Nachfolge von Regierungschefin Theresa May. Der 55-jährige erklärte Brexit-Befürworter ist nach eigenem Bekunden bereit, die Briten auch ohne Austrittsvertrag bis zum 31. Oktober aus der EU zu führen, sollte Brüssel keine Zugeständnisse machen. Zuletzt hatten mehrere Minister der britischen Regierung aus Protest gegen Johnsons Brexit-Politik ihren Rücktritt angekündigt, sollte er das Rennen machen. 

Jeremy Hunt bleibt beim Votum der Tories weit hinter Boris Johnson zurückBild: Reuters/H. McKay

Ein solcher No-Deal-Brexit würde vermutlich vor allem für die Wirtschaft unangenehme Konsequenzen haben, da es zu einer Wiedereinführung von Zöllen kommen könnte. May war mit ihrem mit Brüssel ausgehandelten Abkommen für einen geregelten Austritt aus der Europäischen Union drei Mal im Parlament krachend durchgefallen.

Labour-Chef will Neuwahlen

Oppositionschef Corbyn hat nach der Wahl Johnsons eine Neuwahl gefordert. Der Konservative sei von weniger als 100.000 Parteimitgliedern unterstützt worden und habe nicht das Land hinter sich gebracht, schrieb der Labour-Politiker auf Twitter. "Die Bevölkerung unseres Landes sollte in einer Parlamentswahl entscheiden, wer Premierminister wird", forderte Corbyn. 

Die ersten Gratulanten ...

Noch-Premierministerin May gratulierte ihrem Nachfolger. Sie rief dazu auf, eine Brexit-Vereinbarung zu liefern, die für das gesamte Vereinigte Königreich funktioniere. 

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte seine Bereitschaft, mit dem künftigen Premier Johnson "auf bestmögliche Weise" zusammenzuarbeiten. Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier erklärte, er freue sich darauf, "konstruktiv" mit Johnson zusammenzuarbeiten, "um die Ratifizierung des Austrittsabkommens zu erleichtern und einen geordneten Brexit zu erreichen". 

Und auch Donald Trump reagierte umgehend: "Glückwunsch an Boris Johnson." Er werde ein großartiger Premierminister, twitterte der US-Präsident. Trump hatte schon mehrfach seine Sympathien für Johnson und dessen populistischen Politikstil publik gemacht und zugleich dessen Vorgängerin May scharf kritisiert. Die öffentlichen Einmischungen Trumps in die britischen Regierungsgeschäfte sorgten in Großbritannien vielfach für Verstimmung.

Zurückhaltende Reaktionen kommen aus Deutschland. Die zukünftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hofft auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Boris Johnson. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sieht die Gefahr, dass sich unter Johnson die deutsch-britischen Beziehungen verschlechtern könnten und verweist auf das amerikanische Beispiel. "Es ist zwar falsch, die amerikanische Regierung und das amerikanische Volk gleichzusetzen, trotzdem: Die Beziehungen haben sich seit Donald Trump schon verschlechtert und das könnte bei Johnson mutmaßlich auch passieren", so Stegner gegenüber der DW.

Deutsche Wirtschaft befürchtet nun harten Brexit

Nach der Kür von Boris Johnson zum nächsten britischen Premierminister warnen deutsche Wirtschaftsvertreter vor einem EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen. "Ein Brexit ohne ein Freihandelsabkommen wäre eine Katastrophe für Großbritannien und auch nicht wünschenswert für Europa", erklärte der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Holger Bingmann.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, erklärte, Johnson müsse sich als Premierminister "für einen geordneten Übergang einsetzen". Drohungen aus London, ungeordnet aus der EU auszuscheiden, "sind schädlich und kommen wie ein Bumerang zurück. Sie verstärken die bereits eingetretenen Schäden in der Wirtschaft."

Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) heißt es, die Unternehmen bräuchten endlich einen "klaren Fahrplan" zum Brexit. Eine Nachverhandlung des mühsam ausgehandelten Ausstiegsabkommens lehnt DIHK-Präsident Eric Schweitzer ab. "Sehr wohl kann aber an der Erklärung zu den künftigen Beziehungen hier und da nachgearbeitet werden, um einen geordneten Brexit im Interesse auch der Unternehmen doch noch zu ermöglichen."

qu/hb/sti (dpa, afp, rtr, phoenix)

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