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Politik

Bosnien: EU-Κandidat im Wartestand

Jannis Papadimitriou
17. Februar 2017

Das EU-Parlament in Straßburg will die europäische Perspektive Bosnien-Herzegowinas unterstützen. Aber es ruft auch die Regierenden in Sarajewo eindringlich dazu auf, die nötigen Reformen umzusetzen.

Symbolbild Bosnien und EU Fahnen Flaggen
Bild: Imago

Zuerst die guten Nachrichten: 2016 war ein besonders gutes Jahr für Bosnien und Herzegowina, erläutert Cristian Dan Preda, Berichterstatter des Europäischen Parlaments in Straßburg. Der rumänische Abgeordnete spricht von "bemerkenswerten Fortschritten" auf dem langen Weg zur Vollmitgliedschaft, begrüßt die aktuelle Reformagenda 2015 bis 2018 und hofft sogar, dass die EU-Kommission "demnächst" dem Land den offiziellen Bewerberstatus verleihen wird. Er mahnt aber auch: Es müssten noch weitere Anstrengungen unternommen werden, um Bosnien-Herzegowina zu einem gut funktionierenden, integrativen Staat zu machen.

Tanja Fajon: "Wiederbelebung nationalistischer Rhetorik"Bild: DW/Samir Huseinovic

Ganz oben auf der Agenda stünden die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität sowie die Reform der Justiz. Das Parlament kritisiert, dass der in Sarajewo erklärte politische Wille, die Korruption zu bekämpfen, "nicht in greifbare Ergebnisse gemündet ist". Mit breiter Mehrheit (496 Stimmen dafür, 132 dagegen, 67 Enthaltungen) geben die EU-Abgeordneten ein Signal für weitere Reformen in Bosnien und Herzegowina.

"Ein funktionsuntüchtiger Staat"

Wichtige Reformansätze würden durch ethnische und politische Widersprüche unterminiert, gibt Berichterstatter Preda zu bedenken. Andere formulieren das Problem noch viel direkter: Bosnien und Herzegowina sei ein funktionsuntüchtiger Staat, erklärt die slowenische Abgeordnete und Vizechefin der sozialistischen Fraktion, Tanja Fajon, im Gespräch mit der DW. Gerade deshalb sei die EU gut beraten, beim Reformprozess die nötige Unterstützung zu leisten.

Die Wiederbelebung nationalistischer Rhetorik schade jedenfalls der Bevölkerung und insbesondere der jüngeren Generation im Land. Fajon kritisiert zudem, dass aus ihrer Sicht sämtliche EU-Abgeordnete aus Kroatien das Straßburger Parlament während der Bosnien-Debatte für innenpolitische Zwecke missbrauchen. 

Unmut über das Referendum der bosnischen Serben

Als "besonders besorgniserregend" bezeichnet Berichterstatter Cristian Dan Preda das von der EU nicht anerkannte Referendum im serbischen Teil des Landes (Republika Srpska). Bei der Volksabstimmung im September 2016 ging es vordergründig darum, einen künftigen Staatsfeiertag verbindlich festzulegen. Doch im Ausland wurde der Wahlgang in erster Linie als Vorbote einer künftigen Abspaltung der bosnischen Serben interpretiert. Das Referendum sei inakzeptabel gewesen, moniert Eduard Kukan, Vorsitzender der Delegation für den parlamentarischen Stabilitäts- und Assoziationsausschuss EU-Serbien. "Wir alle haben das Geschehen von Brüssel aus verfolgt und das Referendum verurteilt. Aber wir wollten unsere Kritik zu diesem Zeitpunkt nicht an die große Glocke hängen", sagt der slowakische Politiker im Gespräch mit der DW.

Gegen eine Veränderung des föderalen Systems

Der Vertrag von Dayton bescherte den Bosniern vor über 20 Jahren Frieden, aber auch eine komplizierte Staatsstruktur. Die politische Gemengelage bleibt bis heute schwierig. Konflikte zwischen Kroaten, Serben und Muslimen blockieren immer wieder die Entscheidungsfindung im jungen Staat. Dennoch betrachtet EU-Parlamentarier Kukan mit großer Skepsis jeden Versuch, das föderalistische System Bosniens neu zu regeln oder einzelnen ethnischen Gruppen mehr Mitspracherechte einzuräumen. "Schon heute ist das System kompliziert genug. Föderal ist es auch. Da sollten wir uns lieber auf die Alltagssorgen der Menschen und die sozialen Probleme konzentrieren", mahnt der Konservative.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn fordert die Regierung in Sarajewo auf, "kohärente Antworten" auf den jüngsten Fragebogen der Kommission zu liefern. Dieser sei immerhin entscheidend bei der Vorbereitung der Brüsseler Stellungnahme zum bosnischen Antrag auf EU-Mitgliedschaft.

Lange Wartezeit nach dem Beitrittsantrag

Eduard Kukan: "Blockierte Entscheidungsfindung"Bild: Reuters/J. Akena

Erst im Februar 2016 klopfte der junge Bundesstaat an die Tür Europas. Bis dahin war Bosnien und Herzegowina der einzige Nachfolgestaat Ex-Jugoslawiens, neben dem Kosovo, der nicht offiziell die EU-Mitgliedschaft beantragt hatte. Erweiterungskommissar Hahn sprach damals von einem großen Tag für Bosnien und Herzegowina. Er mahnte aber auch: Der Antrag sei erst der Beginnt einer langen Reise.

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Nach Auffassung von Eduard Kukan sei es "eher unverantwortlich, derzeit einen konkreten Zeitpunkt für den Beginn von Beitrittsverhandlungen" mit Sarajewo zu nennen. Die EU ist daran interessiert, die Reformdynamik aufrechtzuerhalten, aber sie scheut sich offenbar davor, zu sehr in die Niederungen bosnischer Innenpolitik zu verirren. In seiner Straßburger Rede bringt es Hahn diplomatisch auf den Punkt: "Die EU hat keine Kompetenz, die interne Organisation eines Landes vorzugeben."

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