Bosnien: Milorad Dodik wird nicht kampflos abtreten
21. August 2025
Jetzt ist es offiziell: Milorad Dodik ist nicht mehr Präsident der Republika Srpska (RS), einer der beiden Entitäten Bosnien und Herzegowinas. Das oberste Gericht des Westbalkanlandes hat am 18.08.2025 seine Berufung gegen die Entscheidung der staatlichen Wahlkommission, ihm sein Mandat zu entziehen und ihn für die nächsten sechs Jahre von politischer Betätigung auszuschließen, zurückgewiesen.
Damit ist ein Prozess, der sich über zwei Jahre zog, endlich abgeschlossen - aber die Umsetzung des Urteils wird nicht einfach, denn Dodik wird nicht kampflos abtreten. "Ich werde das nicht respektieren. Ich werde den Willen des serbischen Volkes respektieren. Sie waren frech und arrogant und sie erwarten von mir, dass ich mich unterwerfe. Das werde ich nicht tun", so Dodik in einer ersten Reaktion.
Dodik betonte zudem, dass er weiter Präsident des serbisch dominierten Teils Bosniens sei. "Das Volk hat mich gewählt, ich werde nicht durch eine ausländische Regierung ersetzt! Sie machen ihr Ding, wir machen unseres. Ich hoffe, unsere Wege werden sich nicht mehr kreuzen", so Dodik kategorisch. Damit steht Bosnien vor einer Verfassungskrise.
In den kommenden Tagen wird die Zentrale Wahlkommission in der Hauptstadt Sarajevo vorgezogene Wahlen für das Amt des RS-Präsidenten anberaumen - und die RS-Führung in Banja Luka hat bereits angekündigt, dass sie diese Abstimmung verhindern wird, "notfalls mit dem Einsatz von Polizei". Das würde die Beziehungen zwischen den politischen Repräsentanten der drei staatsbildenden Völker Bosniens - Bosniaken (bosnische Muslime), Kroaten und Serben - belasten. Von 1992 an tobte in Bosnien ein blutiger Krieg, der erst Ende 1995 durch den Frieden von Dayton beendet werden konnte.
Bosniens Außenminister will Dodiks Diplomatenpass
Die Regierung des bosnischen Gesamtstaats kündigte bereits an, dass eine Nicht-Befolgung der Entscheidungen der Zentralen Wahlkommission nicht toleriert werde. Außenminister Elmedin Konakovic - ein Bosniake - leitete ein Verfahren zur Entziehung von Dodiks Diplomatenpass ein, da dieser nicht mehr im Amt sei.
In der RS steht eine Sitzung der Nationalversammlung auf der Tagesordnung. Es wird erwartet, dass dort die Abhaltung eines Referendums beschlossen wird. Themen: Zunächst die Aberkennung von Dodiks Mandat; und dann die Abspaltung der RS von Bosnien und Herzegowina.
Ein weiteres in Referendum über die Unabhängigkeit der RS?
Inzwischen hat Dodik - der rechtlich nicht mehr Präsident der Republika Srpska ist - den Rücktritt des Premierministers der serbisch dominierten Entität Bosniens angenommen und die Ernennung eines neuen Regierungschef angekündigt. Da der Präsident die einzige Institution in der RS ist, die den Regierungschef ernennen darf, könnte nach einem derartigen Schritt die gesamte RS-Regierung vor dem gesamt-bosnischen Verfassungsgericht landen, da sie nicht ordnungsgemäß ernannt wurde.
Referenden über die Unabhängigkeit der RS hat Dodik in den vergangenen zwanzig Jahren dutzende angekündigt - doch nur eines fand statt, und dessen Ergebnis wurde annulliert. Dieses Mal ist die Situation jedoch anders, da der bosnische Serbenpolitiker sich noch nie in einer so aussichtslosen Situation befand wie jetzt nach Absetzung und Verbot der politischen Aktivität. Viele Beobachter meinen, dass Dodik nichts mehr zu verlieren habe - und seinen Plan deshalb diesmal durchziehen werde.
RS-Opposition gespalten
Die Opposition in der RS versucht derweil, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten für die anstehenden Präsidentschaftswahlen zu einigen. Doch das wird schwierig: Der derzeitige Bürgermeister von Banja Luka und Vorsitzende der oppositionellen Partei des Demokratischen Fortschritts (PDP), Drasko Stanivukovic, ist wie Dodik gegen Neuwahlen. Dem wichtigsten internationalen Diplomaten in Bosnien, dem Hohen Repräsentanten, der die Einhaltung des Dayton-Friedensvertrages überwacht, warf Stanivukovic vor, für die Krise im Lande verantwortlich zu sein, da er das Gesetz erlassen habe, auf dessen Grundlage Dodik verurteilt wurde. Seit August 2021 ist der deutsche Ex-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) Hoher Repräsentant.
Für andere RS-Oppositionsparteien ist dies ein klares Zeichen dafür, dass Stanivukovic auf Dodiks Seite steht. "Die Masken sind gefallen. Stanivukovic muss so agieren, wie [Aleksandar] Vucic [der Präsident des benachbarten Serbiens] und Dodik es sagen, und er erhält von ihnen Signale, wie er sich verhalten soll, um der Opposition so viel Schaden wie möglich zuzufügen. Um die Einheit zu verhindern", kommentierte der Vorsitzende der oppositionellen Liste für Recht und Ordnung (LPR), Nebojsa Vukanovic.
Serbien hatte 1995 den Dayton-Friedensvertrag für die bosnischen Serben unterschrieben. Zur Zeit hält sich Bosniens östlicher Nachbarstaat zurück, wenn es um bosnische Innenpolitik geht: Die Regierung in der serbischen Hauptstadt Belgrad leistet bisher zumindest nur lauwarme verbale Unterstützung: Das Urteil gegen Dodik sei "der schwerste politische Schlag für das serbische Volk seit der Unterzeichnung des Dayton-Friedensabkommens", das serbische Volk werde dazu "nicht schweigen".
Ungarn und Russland unterstützen Dodik
Unterstützung für Dodik kam aus Ungarn. Ministerpräsident Viktor Orban hatte bereits vor dem endgültigen Urteil erklärt, Dodik stünde vor Gericht, weil er sich "weigert, das Spiel Brüssels mitzuspielen". Ungarn, so Orban weiter, werde die Entscheidung gegen Dodik nicht akzeptieren. Auch die Botschaft Russlands in Bosnien lehnte das Urteil ab.
Eine kalte Dusche kam dagegen aus Bosniens westlichem Nachbarland, dem EU-Mitgliedsstaat Kroatien, wohin Dodik ansonsten gute Verbindungen hat. Nun aber forderte ihn der kroatische Premierminister Andrej Plenkovic auf, das Urteil und die Entscheidung bezüglich seines Mandats zu respektieren, um eine Destabilisierung Bosniens zu vermeiden. Kroatien hatte den Dayton-Friedensvertrag 1995 für die bosnischen Kroaten unterschrieben.
Dodik ist übrigens nicht der erste Präsident der Republik Srpska, dem die politische Betätigung untersagt wurde. 1999 entließ der damalige Hohe Repräsentant Carlos Westendorp den RS-PräsidentenNikola Poplasen. Der damalige Premierminister unterstützte die Entlassung. Es war Milorad Dodik, der seitdem über die RS herrscht.