Bosnien: Milorad Dodik verliert Amt nach Urteil
5. August 2025
Für Milorad Dodik wird es eng. Der Präsident der Republika Srpska darf sein Amt nicht mehr ausüben. Denn die Berufungskammer des Obersten Gerichts von Bosnien und Herzegowina hat am vergangenen Freitag (1.08.2025) das Urteil der Ersten Instanz gegen ihn bestätigt.
Am 26.02.2025 war der Politiker, ein bosnischer Serbe, nach einem zwei Jahre dauernden Prozess zu einem Jahr Haft und einem sechsjährigen Verbot politischer Betätigung verurteilt worden. Das Gericht befand ihn für schuldig, die Entscheidungen des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien (HR) nicht respektiert zu haben.
Aufgabe des HR ist es, die Einhaltung des Friedensvertrages von Dayton zu überwachen, der Ende 1995 nach dreieinhalb Jahren den Bosnienkrieg beendete. Teil der Friedenslösung war, dass das Westbalkanland administrativ in zwei "Entitäten" genannte Hälften geteilt wurde: Die vor allem von bosnischen Muslimen ("Bosniaken") und Kroaten bewohnte Föderation Bosnien und Herzegowina (FBiH) und die serbisch dominierte Republika Srpska (RS).
Seit 2021 bekleidet der deutsche Ex-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) das Amt des Hohen Repräsentanten. Vor zwei Jahren annullierte er ein RS-Gesetz, demzufolge seine Entscheidungen in der serbischen Entität nicht gelten. Gleichzeitig stellte Schmidt die Nichteinhaltung seiner Beschlüsse unter Strafe. Dodik unterzeichnete das umstrittene Gesetz dennoch - und beging damit eine Straftat.
Verbot der politischen Betätigung rechtskräftig
Dem Gefängnis wird Dodik dank Zahlung einer Kaution von 18.000 Euro entgehen. Der zweite Teil der Strafe dagegen - ein Verbot der politischen Betätigung - ist nun aber rechtskräftig: "Das Mandat der ernannten Person endet, wenn der gewählte Amtsträger zu einer Gefängnisstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wird", erklärt Vehid Sehic, langjähriges Mitglied der Zentralen Wahlkommission Bosniens. Diese Institution entscheidet von Amts wegen über Beendigungen von Politiker-Mandaten. Ihre Entscheidung im Fall Dodik wird für Mittwoch (6.08.2025) erwartet.
Rechtlich ist Milorad Dodik also nicht länger Präsident der RS. Die Frage ist nun, wer dieses Amt übernehmen wird - und wer Vorsitzender der größten politischen Partei der RS wird: dem von Dodik gegründeten Bund unabhängiger Sozialdemokraten (SNSD), der seit 20 Jahren in der RS an der Macht ist. "Ich denke, dass Dodik das Urteil akzeptieren wird", meint die Politologin Tanja Topic aus der westbosnischen Stadt Banja Luka, wo Regierung und Präsident der RS ihren Sitz haben.
30 Jahre ohne stabile Zentralregierung
Im März 2025 hatte das Gericht in einem anderen Verfahren Haftbefehl wegen versuchtem Staatsstreich gegen Dodik erlassen - aber dann wieder zurückgezogen. Gerüchten zufolge hatte der RS-Präsident mit Vertretern der internationalen Gemeinschaft eine Aussetzung vereinbart. Im Gegenzug sollten politische Spannungen abgebaut werden, die seit einem Jahr ihren Höhepunkt erreicht hatten, da alle staatlichen Institutionen nach dem erstinstanzlichen Urteil im Februar von den bosnischen Serben blockiert wurden.
Die in Dayton beschlossene administrative Aufteilung Bosniens in zwei Entitäten hat dazu geführt, dass das Land in den 30 Jahren seit Kriegsende keine starken zentralen Institutionen aufbauen konnte. Stattdessen entwickelte sich die Republika Srpska zu einem Staat im Staate. Das könnte mit dem jetzigen Urteil gegen Dodik zu Ende sein.
Die Politik, die die RS-Führung bisher verfolgte, war in jeder Hinsicht egoistisch: Die serbische Entität scherte sich nicht um die Wünsche und Bedürfnisse des Gesamtstaats, und Einzelpersonen aus Dodiks engerem Machtzirkel bereicherten sich schamlos. Auf Kritik antwortete die RS-Führung immer wieder mit nationalistischen Kampagnen. Auch jetzt hat die vom SNSD geführte Regierung der Entität die Serben bereits dazu aufgerufen, "zusammenzukommen, denn das Urteil gegen Dodik ist ein Urteil gegen das gesamte serbische Volk".
Serbien und Ungarn stehen hinter Dodik
Verbündeter Dodiks ist Aleksandar Vucic, Präsident von Bosniens Nachbarstaat Serbien. Der braucht angesichts seit Monaten anhaltender Proteste in seinem Land dringend politische Erfolge. Das Thema "Verteidigung der nationalen Einheit der Serben" bietet sich an, entsprechend lehnt Serbien das Urteil gegen Dodik ab: "Sollte ein Haftbefehl gegen Milorad Dodik erlassen werden, während er sich in Serbien aufhält, wird Serbien ihn nicht verhaften", erklärte Vucic ganz offiziell, "er ist hier jederzeit willkommen".
Auch zum ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban hat Dodik in den letzten Jahren enge politische Beziehungen aufgebaut. Nach dem Urteil gegen Dodik warf Orban der Europäischen Union vor, sich in die inneren Angelegenheiten Bosniens einzumischen. "Ungarn erkennt das Urteil gegen Präsident Milorad Dodik nicht an", so Orban auf X, "Versuche von der EU ernannter Personen, ihn wegen seines Widerstands gegen ihre globalistische Agenda abzusetzen, sind inakzeptabel".
Dodik selbst kündigte an, beim bosnischen Verfassungsgericht Berufung gegen das Urteil gegen ihn einzulegen. "Ich akzeptiere die Entscheidung nicht. Das Gericht von Bosnien und Herzegowina ist politisch", sagte er und kündigte bereits seine Kandidatur für die 2026 anstehenden Wahlen zum Präsidenten der RS an. Aber auch für den Fall, dass das nichts wird, hat der 66-Jährige bereits eine Wunschlösung: Sein Sohn Igor (36) soll an seine Stelle treten.