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Politik

Bouteflika geht, der Protest geht weiter

1. April 2019

Der algerische Präsident Bouteflika hat erklärt, in Kürze zurücktreten zu wollen. Am Sonntag bildete sich ein neues Kabinett. Das sollte die Protestbewegung besänftigen. Doch die Algerier gehen weiter auf die Straße.

Algerien, Algier: Proteste gegen Algeriens Staatschef
Bild: picture-alliance/dpa/F. Batiche

Zuerst hatte er eine neue Regierung ernannt, jetzt erklärte der algerische Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika, noch vor Ende seiner regulären Amtszeit am 28. April zurücktreten zu wollen. Bis dahin werde der 82-Jährige "Maßnahmen" ergreifen, um den Betrieb der staatlichen Behörden während einer Übergangsphase sicherzustellen, hieß es in einer am Montag von der staatlichen Nachrichtenagentur APS veröffentlichten Erklärung des Präsidialbüros. Zuvor hatte Bouteflika erklärt, für eine weitere, fünfte, Amtszeit nicht mehr kandidieren zu wollen; er herrscht seit 1999 über das Land.

Bereits am Sonntag hatte sich ein Übergangskabinett gebildet, das Algerien in eine neue Ära, die Zeit nach Bouteflika führen soll. Damit wollte der alte Präsident offenbar den Forderungen der Bevölkerung nach einer politischen Erneuerung entgegenkommen.

Bislang aber zeigen sich die vielen Algerier, die seit Wochen auf die Straße gehen, von der Entscheidung nicht beeindruckt. "Die Demonstrationen werden nicht aufhören", lautete ihre Botschaft, hinter der sie sich unmittelbar nach der Bekanntgabe des neuen Kabinetts versammelten.

"Neue Regierung verlängert die Krise nur"

Deutlich gaben die Demonstranten zu verstehen, dass die neue Regierung nicht nach ihrem Geschmack ist. Sie stört, dass sechs der insgesamt 27 Mitglieder des neuen Kabinetts bereits der alten Regierung angehört hatten. Auch die anderen, frisch ernannten Minister gelten ihnen überwiegend als Mitglieder einer Nomenklatura, deren Herrschaft sie grundsätzlich überwinden wollen. Der neue Regierungschef Noureddine Bedoui hatte das Kabinett innerhalb von knapp drei Wochen gebildet - eine für algerische Verhältnisse enorm kurze Zeitspanne. Dennoch steht er in den Augen vieler Algerier nicht für einen überzeugenden Wandel.

Symbol des Wandels? Der neue Premierminister Noureddine BedouiBild: picture alliance/AP/A. Belghoul

"Wir trauen der neuen Regierung nicht zu, dass sie das Land grundlegend zu erneuern vermag. Vielmehr fürchten wir, sie könnte die derzeitige Krise nur verlängern", sagt Mustapha Bouchachi, einer der Anführer der Proteste und ehemaliger Präsident der "Algerischen Liga für die Verteidigung der Menschenrechte", gegenüber dem arabischen Programm der DW: "Dabei sind wir auf die Straße gegangen, weil wir es nicht hinnehmen wollen, dass Vertreter dieses korrupten Regimes auch künftig politisch präsent sind."

Den Demonstranten fehle der Glaube, dass das neue Kabinett die Übergangszeit gestalten könne, erklärt er. "Wir bezweifeln, dass eine Regierung, die in so enger Verbindung zum alten Regime steht, Wahlen zu organisieren vermag. Darum wird sie die Bevölkerung nicht davon überzeugen können, dass das Regime auf die Forderungen der Demonstranten ernsthaft eingeht."

Ministerposten? Nein, danke

Bedoui hatte versprochen, ein junges, aus Männern und Frauen bestehendes Kabinett zu bilden. Dieses Vorhaben ist aus Sicht der Protestierenden nur ansatzweise umgesetzt. Der neuen Regierung gehören fünf Frauen an, die übrigen Ministerposten werden von Männern besetzt. Auch das Ansinnen, die Regierung zu verjüngen, gilt den Kritikern nur als bedingt erfüllt. Dabei ist das Alter eine wichtige Größe angesichts einer Bevölkerung, die zur Hälfte jünger als 30 Jahre ist.

Für den Wandel: Demonstration in Algier, 29. März 2019Bild: Reuters/R. Boudina

Im Umfeld des Präsidenten habe man durchaus eine gewisse politische Flexibilität demonstrieren wollen, vermutet die Algerien-Expertin Isabelle Werenfels von der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik". Der Versuch sei aber schon darum misslungen, weil viele von denen, die in die Regierung eingeladen wurden, abgelehnt hätten. "In Algier erzählt man sich, für das Kulturministerium seien Dutzende Personen angefragt worden. Niemand habe den Posten annehmen wollen. Sollte dieses Gerücht zutreffen, dann erklärt das, wie es zur Besetzung der  Kabinettsposten gekommen ist."

Politischer Machtkampf

Wie angespannt die Situation im politischen Algerien derzeit ist, deutet auch der Umstand an, dass am Sonntag der Geschäftsmann Ali Haddad, ein Vertrauter Bouteflikas, verhaftet wurde. Zwölf ebenfalls der Korruption verdächtigten Unternehmern wurden die Pässe entzogen. Die algerische Öffentlichkeit spekuliert nun darüber, ob es einen Zusammenhang mit der Neubildung des Kabinetts gibt.

Viele Algerier bezweifeln, dass Bouteflika noch Einfluss auf die Kabinettsbildung hat. "Auffällig ist, dass gegen weite Teile der dem Präsidenten und seinem Bruder Said verbundenen Wirtschaftselite Haftbefehle erlassen worden", sagt Isabelle Werenfels. Dies könne man so deuten, dass rund um den Präsidenten ein Machtkampf entbrannt sei. "Es scheint, als wolle hier eine Gruppe eine andere politisch ausschalten. Es besteht wohl wenig Zweifel daran, dass diese Leute korrupt waren. Aber es sind eben nicht die einzigen. Es ist ganz gezielt ein Lager ins Visier genommen worden."

Letzte Amtstage: Präsident Abdelaziz Bouteflika, hier ein Bild vom April 2014Bild: picture alliance/dpa

Abschied von der Hinterzimmerpolitik

Zweifel am neuen Kabinett ließ auch Generalstabschef Ahmed Salah aufkommen. Er hatte vor wenigen Tagen vorgeschlagen, den 82 Jahre alten Staatspräsidenten Bouteflika für amtsunfähig zu erklären. Die Algerier schätzen es zwar, dass sich die Armee mit weiteren Forderungen zurückhielt und keine Anzeichen erkennen ließ, sich weiter in den politischen Prozess einzumischen. Sie sind nun aber erstaunt, dass Salah diesem Kabinett beitrat. "Viele Algerier finden es absurd, dass sich jemand vom Präsidenten berufen lässt, der zuvor dafür plädiert hatte, eben diesen Präsidenten für arbeitsunfähig zu erklären", so Werenfels gegenüber der DW.

Immerhin, der Generalstabschef hat Bewegung in das algerische Machtzentrum gebracht. Bislang wurden Veränderungen dort eher diskret verhandelt. Jetzt deutet die algerische Öffentlichkeit an, dass sie diese Verhandlungen künftig auf offener Bühne verhandelt sehen will.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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