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Gesellschaft

Brüssel zeigt Farbe und Flagge

Maria Christoph
20. Mai 2017

Homophobie bleibt ein Problem, auch innerhalb der EU. In Brüssel gehen Menschen dagegen auf die Straße und verwandeln Belgiens Hauptstadt in ein Farbenmeer. Maria Christoph berichtet.

Belgien - The Pride Belgium in Brüssel
Bild: DW/ M. Christoph

Wenn Zebrastreifen in Regenbogenfarben leuchten, bunte Fahnen aus jedem Fenster hängen, Türme aus Musikboxen die Stadt mit Popmusik beschallten und weiter entfernt Technorhythmen stampfen, ist die Gay-Pride-Saison eröffnet. Männer in Militäruniformen mit pinkfarbenen High Heels an den Füße feiern neben Drag-Queens in kurzen Lederröcken, lassen sich mit Touristen aus aller Welt fotografieren.

Belächelt, gedemütigt, verprügelt

Es ist Samstag, der 20. Mai 2017, erst vor drei Tagen feierte Brüssel den Internationalen Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie. Gebäude der Europäischen Kommission strahlten nachts in Regenbogenfarben und Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, verschickte am Dienstag ein Selfie über Twitter mit den Worten "es wird Zeit, der weit verbreiteten Diskriminierung von LGBTI Menschen ein Ende zu setzen."

Bunt, auffällig und laut - die Belgian Pride eröffnet die Saison in Zentrum EuropasBild: DW/ M. Christoph

Es sind Zeichen der Solidarität, doch Homophobie ist noch immer ein Problem innerhalb der Gesellschaft. Auch in Europa, findet Cyrille Prestianni. Der 34-Jährige ist Präsident von "The Belgian Pride", ein elegant gekleideter Mann in beigen Leinenanzug, pastellfarbenem Schal und Dreitagebart. Prestianni weiß was Homophobie bedeutet, erzählt der DW wie er selbst als Jugendlicher belächelt, gedemütigt, verprügelt worden ist.

"Homophobie hat wieder zugenommen"

Jetzt steht er als Präsident des Verbands auf der Bühne und spricht zur feiernden LGBTI-Community. LTGBI steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen. Aber Prestianni spricht auch zu denen, die sich mit ihnen solidarisieren: Familien mit Kleinkindern, Großeltern, heterosexuellen Paaren. "Sind wir Aktivisten?",  ruft Prestianni in die Menge, die Menschen im Publikum skandieren lautstark "Ja!" und schwenken ihre Fahnen durch die Luft: "Heute gehört uns die Stadt!"

Als europäische Hauptstadt und Sitz der Europäischen Institutionen startet Brüssel die "Pride"-Saison, bevor Festivals und Märsche in vielen Städten Europas stattfinden. Flucht und Vertreibung aufgrund sexueller Orientierung ist Hauptthema der diesjährigen Veranstaltungen. "Auch in Belgien sind die Menschen nicht immer willkommen", sagt Prestianni. "Du spürst die Diskriminierung nicht im Stadtzentrum, wo wir die Menschen mit unseren Aktionen erreichen können. Du findest sie am Stadtrand, in der Peripherie, in sozialen Brennpunkten. Auch in der Industrie und im Sport. Es ist ein gesellschaftlicher Trend und ich denke Homophobie hat in den letzten fünf Jahren wieder stark zugenommen", so der 34-Jährige.

Schwule zu Tode gefoltert

Gesetze zur Gleichstellung, wie durch die gleichgeschlechtliche Ehe, spalten die Meinungen regierender Politiker, auch die der deutschen Bundesregierung. In Polen und Ungarn werden Schwule regelmäßig Opfer von Gewalt. Erst vor ein paar Wochen erschütterte ein Skandal im östlichen Nachbarland Europas die Welt: Mehr als hundert Männer wurden in Tschetschenien, Russland, von der Polizei wegen ihrer Sexualität festgenommen, gefoltert, drei von ihnen starben. Menschen aus der LGBTI-Community, aber auch Aktivisten, die sich für diese einsetzen, leben in Angst vor dem Staat, halten sich im Untergrund auf oder verlassen ihre Heimat.

Folterzentren für Schwule in Tschetschenien

02:24

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Der 27-jährige Alexai zog von Moskau nach BrüsselBild: DW/ M. Christoph

Alexai floh im März 2016 von Russland nach Belgien. Brüssel sei jetzt sein Zuhause, er lebt seit Oktober 2016 mit seinem Partner dort. "Ich bin verliebt, ich bin glücklich", sagt der 27-Jährige. Nachdem er seiner Familie von seiner Homosexualität erzählt habe, sei er verstoßen worden. "Ich wurde nicht persönlich verfolgt, aber ich durfte nicht der sein, der ich bin. Die russische Gesellschaft lässt dich allein wenn du homosexuell bist. Ich stand vor dem Selbstmord."

Protest im Zentrum der EU

Alexai trägt ein Plakat mit den Worten "Crossing Borders" durch die Stadt. Er ist mit russischen Freunden unterwegs, auf ihren Schilder steht: "Stoppt Homophobie in Russland!" und "Das Leben von LGBTI-Flüchtlingen zählt!" Sie schwenken dazu die russische Nationalflagge, singen und feiern. 

Brüssel soll Vorbild sein für Aktionen gegen Homophobie weltweit. Vor allem in den osteuropäischen Ländern werden Protestmärsche abgesagt oder zum Ziel von Anschlägen. Belgien spiele daher eine wichtige Rolle im Kampf gegen Diskriminierung, aber der öffentliche Aufstand sei nur eine der Möglichkeiten, sagt Prestianni. "Belgien ist eines der Länder, in denen LGBTI-Rechte am weitesten entwickelt sind", erklärt der 34-Jährige. "Die Politiker stehen hinter uns, sie lassen uns sprechen, sind bereit, Kompromisse zu schließen."

Regenbogenfahnen auch beim Trump-Besuch

Einige Unternehmen, wie der Konzertsaal "Ancienne Belgique" am prunkvollen Boulevard Anspach, haben bereits angekündigt, die Regenbogenfahnen und Banner für den Besuch des US-Präsidenten Donald Trump nächste Woche hängen lassen zu wollen.  Brüssel zeigt Farbe und Flagge.

"Stop Homophobia in Russia“ fordern diese Aktivisten, unter ihnen auch Alexai aus MoskauBild: DW/ M. Christoph

Nach der Parade durch die Stadt trinken, torkeln und tanzen die Menschen zwischen den Bars L'Homo Erectus, Chez Maman, La Belgica und Le Boys Boudoir entlang der Rue du Marché au Charbon bis tief in die Nacht hinein. Der politische Charakter des Festes hat sich dann schon lange im Wummern der elektronischen Bässe verloren. Man feiert die Freiheit, die dieser Ort gibt, die Gleichberechtigung und den Ausnahmezustand, in den Brüssel einmal im Jahr versetzt wird.

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