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Politik

Brüsseler EU-Gipfel nimmt Hürden

21. Juli 2020

Können künftig bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit EU-Gelder gekürzt werden? In dieser Streitfrage hat der EU-Gipfel wohl eine Kompromissformel gefunden. Einen Konsens soll es auch in Sachen Corona-Fonds geben.

Belgien I EU-Sondergipfel zur Bewältigung der Corona-Wirtschaftskrise
Ungarns Regierungschef Viktor Orban: Er soll nun auch einem Kompromiss zugestimmt habenBild: picture-alliance/dpa/AFP Pool/J. Thys

Die 27 EU-Staaten haben eine weitere Hürde auf dem Weg zum milliardenschweren Finanzpaket gegen die Corona-Krise genommen - und kommen damit einer Gesamteinigung näher. Sie verständigten sich nach Angaben von Diplomaten auf eine Kompromissformel, wie die Auszahlung von EU-Geldern künftig an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit gekoppelt werden soll. Alle Staats- und Regierungschefs hätten zugestimmt, hieß es aus EU-Kreisen in Brüssel.

Die Koppelung von EU-Geldern an die Einhaltung von Grundwerten wie Rechtsstaatlichkeit war eines der umstrittensten Themen in der Debatte um einen Corona-Fonds und den siebenjährigen EU-Finanzrahmen. Staaten wie Ungarn und Polen, gegen die Verfahren wegen Verletzung der Rechtsstaatlichkeit laufen, versuchten die Koppelung zu verhindern. Einige andere Staaten pochten jedoch darauf. 

Mit qualifizierter Mehrheit

In der neuen Formel heißt es, der Europäische Rat unterstreiche die Bedeutung des Schutzes der finanziellen Interessen der EU und des Respekts der Rechtsstaatlichkeit. Vor diesem Hintergrund werde nun ein System der Konditionalität zum Schutz des Budgets und des Corona-Plans eingeführt - das Geld soll also gegen Bedingungen vergeben werden. In diesem Kontext werde die Europäische Kommission bei Verstößen Maßnahmen vorschlagen, die dann vom Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden müssten.

Als Grundlage dienen soll offenbar ein Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel. Demnach müssten Kürzungen von Geldern mindestens 55 Prozent der EU-Länder mit mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung zustimmen - was als schwer zu erreichen gilt.

EU-Ratspräsident Charles Michel: "Die letzten Schritte sind immer die schwierigsten"Bild: picture-alliance/dpa/AP/Reuters Pool/F. Lenoir

Viktor Orbans "großer Sieg"?

In regierungsnahen ungarischen Medien wurde bereits von einem "großen Sieg" von Ministerpräsident Viktor Orban gesprochen. Er habe in den EU-Haushaltsverhandlungen nicht nur "drei Milliarden Euro mehr" bekommen, berichtete die Website origo.hu. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel habe ihm auch die Zusage gegeben, dass das gegen Ungarn laufende EU-Strafverfahren während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft bis Jahresende eingestellt werde. 

Dazu erklärte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert: "Ungarn hat sich bereit erklärt, im Artikel-7-Verfahren alle notwendigen Schritte zu tun, damit es im Rat zu einer Entscheidung kommen kann. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat zugesagt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten diesen Prozess voranzubringen." Das Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gilt als scharfes Schwert, weil damit in letzter Konsequenz bei Rechtsstaatsverstößen einem Land Stimmrechte auf EU-Ebene entzogen werden können.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Wir haben einen Rahmen für eine mögliche Einigung erarbeitet"Bild: picture-alliance/AA/D. Aydemir

750.000.000.000 Euro!

Am Montag hatte Ratspräsident Michel den EU-Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen, dass die besonders von der Corona-Krise betroffenen Staaten 390 Milliarden Euro an Zuschüssen aus den geplanten Aufbaufonds erhalten sollen - statt der ursprünglich geplanten 500 Milliarden. Zuschüsse müssen nicht zurückgezahlt werden. Weitere 360 Milliarden Euro werden demnach als Kredite zur Verfügung gestellt. 

Somit hätte der Aufbaufonds ein Gesamtvolumen von 750 Milliarden Euro - wie anfangs vorgesehen. Ursprünglich waren jedoch 500 Milliarden Euro Zuschüsse und 250 Milliarden Euro Kredite vorgesehen, was auf Druck einer Gruppe von "sparsamen Ländern" um Österreich und die Niederlade abgeändert wurde.

Eigentlich waren für den am Freitag gestarteten Gipfel lediglich zwei Tage angesetzt, doch der Streit über Details zog sich immer weiter in die Länge und brachte das Treffen zeitweise an den Rand des Scheiterns. 

wa/cw (dpa, afp, rtr)

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