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Politik

"Keine großen Auswirkungen auf Friedensprozess"

Arnd Riekmann
24. Oktober 2020

Der Sudan wird von der US-Terrorliste gestrichen und will sein Verhältnis zu Israel normalisieren. Eine Annäherung, die nur mit Druck zustandegekommen ist, sagt Nahost-Experte Kristian Brakel von der DGAP.

Fahnen Israel - Sudan NAH
Bild: Jack Guez/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Israel und der Sudan haben nach Angaben der US-Regierung eine Normalisierung ihrer Beziehungen vereinbart. Herr Brakel, was bedeutet das?

Kristian Brakel: Vor allen Dingen bedeutet es, dass der auch sehr symbolische Beschluss aufgehoben wird, gar keinen Kontakt mit Israel zu pflegen, weder diplomatisch noch wirtschaftlich. Es bleibt dahingestellt, ob das extreme Bedeutung für die nähere Zukunft haben wird. Es werden sicherlich diplomatische Beziehungen aufgenommen, vielleicht auch vorsichtige wirtschaftliche Beziehungen. Aber der Sudan hat aktuell ganz andere Probleme. Israel steht da nicht ganz oben auf der Prioritätenliste.

Israel und der Sudan sind ja auch keine direkten Nachbarn. Wo liegt da überhaupt der Konflikt?

Der Nicht-Kontakt-Beschluss geht zurück auf eine Deklaration der Arabischen Liga nach dem Sechstagekrieg von 1967. Damals wurde beschlossen, dass man keine diplomatischen Beziehungen mit Israel pflegen wird, solange sich Israel nicht an die UN-Resolutionen hält: Das bedeutet, einen Rückzug aus den damals besetzen Gebieten, eben auch der palästinensischen.

Dann gab es in den vergangenen Jahren auch noch andere Probleme: Die Israelis haben dem Sudan vorgeworfen, dass die Hamas dort Waffen kauft und ins Land schmuggelt. Dazu liegt der Sudan auf einer Route, über die sehr viele Geflüchtete nach Israel kommen. Das sind Probleme, die in letzter Zeit anstanden und die wahrscheinlich auch noch die diplomatischen Beziehungen prägen werden.

Die beiden Länder sind nicht aus eigenem Antrieb aufeinander zugegangen, sondern aufgrund von Vermittlung der Vereinigten Staaten. Bereits am Montag hatte US-Präsident Donald Trump angekündigt, den Sudan von der Liste der Terrorismus-Unterstützer-Staaten zu streichen. Das war offenbar eine Vorbedingung dafür, dass der Sudan auf Israel zugeht. Welche Folgen hat es, dass das Land nicht mehr auf dieser Liste steht?

Kristian BrakelBild: picture-alliance/dpa/M. Redeligx

Für den Sudan ist das sehr wichtig. Es gibt seit vielen Jahren amerikanische Sanktionen. Es gab auch bestimmte EU-Beschränkungen, die allerdings nicht ganz so weitreichend waren. Die Sanktionen wurden nach den Anschlägen auf die Botschaften in Nairobi und Daressalam verhängt, an denen Osama bin Laden beteiligt war. Der Al-Kaida-Chef hatte auch eine Zeit lang im Sudan Unterschlupf gefunden. Das ist eigentlich eine Sache, die die Sudanesen auch schon unter Diktator Omar al-Baschir versucht haben, aus der Welt zu räumen. Sie haben nach dem 11. September 2001 sehr intensiv mit dem US-Geheimdienst CIA kooperiert. Sie haben es aber nie geschafft, von der Sanktionsliste zu kommen.

Die Sanktionen waren sehr hart, weil sie vorsahen, dass amerikanische Banken mit dem Sudan keine Geschäfte machen dürfen - ähnlich wie aktuell die Iran-Sanktionen. Für sudanesische Firmen bedeutet das, dass sie im Prinzip keine Investitionen von außen bekommen haben oder nur sehr wenig und es nicht für sie möglich war, an der Weltwirtschaft teilzunehmen.

Der Sudan muss jetzt für seine mutmaßliche Verstrickung in die Anschläge auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia eine Entschädigung zahlen. 335 Millionen US-Dollar hat die sudanesische Übergangsregierung zugesagt. Das Land steckt aber gerade - auch wegen der Sanktionen - in einer Wirtschaftskrise. Wie kann der Sudan diese doch sehr große Summe überhaupt aufbringen?

Der Sudan verfügt nicht über riesige Ressourcen. Aber es gibt immer noch die Vereinbarung mit dem Südsudan über Transitgebühren für das Öl, das aus den Quellen im Süden kommt. Da kassiert der Sudan ein bisschen Geld, zumindest noch. Es gibt ein sehr unreguliertes, aber doch einigermaßen lukratives Geschäft mit Gold in Darfur. Also da sind schon noch Gelder vorhanden. Aber die Summe von 335 Millionen US-Dollar ist als Preis für den Anschluss an die Weltwirtschaft relativ klein.

Wurde der Deal erkauft, wie der Iran behauptet?

Ja, natürlich wurde er erkauft. Das Erkaufte ist aber, dass man die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen akzeptiert hat. Israel ist relativ weit weg und das ist jetzt auch nicht das drängendste Thema im Land. Klar ist das nur mit Druck zustande gekommen. Und das führt auch zu innenpolitischen Verwerfungen, unter anderem für die Übergangsregierung, die ohnehin schon unter starkem Druck steht.

Nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain ist der Sudan das dritte arabische Land, das jetzt seine Beziehungen zu Israel normalisieren will. Was bedeutet das für den Nahost-Friedensprozess?

Eine große Auswirkung auf den Nahost-Friedensprozess - der ja ohnehin diesen Namen eigentlich seit vielen Jahren nicht mehr verdient, der auch tot ist - sehe ich nicht. Der Sudan hat da ohnehin nie eine zentrale Rolle gespielt. Ich denke, das Thema, das die Israelis vor allen Dingen bei der Zusammenarbeit interessiert, ist die Eindämmung von möglichem Waffenschmuggel aus dem Sudan zur Unterstützung der Hamas sowie von Gruppierungen, die der Muslimbruderschaft nahestehen.

Kristian Brakel ist politischer Analyst mit Schwerpunkt Nordafrika und Naher Osten bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Das Interview führte Arnd Riekmann.

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