Gut zwei Monate nach dem Großbrand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame sieht Chefermittler Heitz keinen kriminellen Hintergrund. Doch auch nach hundert Zeugenbefragungen bleiben viele Fragen offen.
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Eine weggeworfene Zigarette oder ein Kurzschluss gehören zu den möglichen Ursachen für den Großbrand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame vor zweieinhalb Monaten. Das teilte die Staatsanwaltschaft der französischen Hauptstadt zum Abschluss der vorläufigen Ermittlungen mit. Auf Brandstiftung gebe es "keine Hinweise", betonte sie.
Nun sollen sich drei Untersuchungsrichter mit dem Fall befassen. Ermittelt wird wegen "mutwilliger Sachbeschädigung" und Verletzung der Sicherheitsvorschriften gegen Unbekannt. Alle möglichen Ursachen seien bisher aber nur "Hypothesen", betonte Staatsanwalt Rémy Heitz nach rund hundert Zeugen-Anhörungen. Eine klare Brandursache gebe es bisher nicht, weitere Ermittlungen seien nötig. Wie lange diese dauern werden, blieb offen.
Rauchverbot missachtet
Die französische Gerüstbaufirma Le Bras Frères hatte bereits kurz nach dem Brand vom 15. April eingeräumt, dass Arbeiter auf dem Dach der Kathedrale das strikte Rauchverbot missachtet hätten. Das Unternehmen bestritt aber einen Zusammenhang mit dem verheerenden Feuer, das den hölzernen Dachstuhl zerstört und den Spitzturm der Kathedrale zum Einsturz gebracht hatte.
Zudem gehen die Ermittler der Hypothese eines Kurzschlusses nach. Laut Medienberichten könnte er sich bei den Elektromotoren der Aufzüge zu den Gerüsten ereignet haben.
Der Brand in dem Gotteshaus hatte Mitte April das Dach zerstört, der Vierungsturm auf dem Mittelschiff fiel in sich zusammen. Der Brand löste weltweit Bestürzung aus. Präsident Emmanuel Macron gab das Ziel vor, den Wiederaufbau innerhalb von fünf Jahren zu schaffen. Experten sind skeptisch, ob das machbar ist.
Liebling der Künste: Kathedrale Notre-Dame
Die eindrucksvolle gotische Fassade und die weithin sichtbare Silhouette der weltberühmten Pariser Kathedrale sind in Gemälden, Zeichnungen und Fotos verewigt. Notre-Dame diente auch als spektakuläre Filmkulisse.
Bild: Getty Images/AFP/L. Marin
Schauplatz für "Der Glöckner von Notre-Dame"
Die deutsche Übersetzung ist irreführend. Eigentlich nannte der französische Schriftsteller Victor Hugo seinen historischen Roman (1831) "Notre-Dame de Paris". Er stellte die Kathedrale selbst in den Mittelpunkt. Quasimodo, buckliger Glöckner von Notre-Dame, verliebt sich in die Zigeunerin Esmeralda. Die Angebetete hat aber ein Faible für einen anderen Mann. Die Geschichte geht nicht gut aus.
Bild: Getty Images/General Photographic Agency
Sittengemälde von Paris
Die Romanvorlage von Hugo und die Verfilmungen später (hier die Version von 1939) zeichnen auf sehr unterschiedliche Weise ein Sittengemälde von Paris im Spätmittelalter. Der missgebildete Glöckner von Notre-Dame wurde als Findelkind vom Domprobst der Kathedrale aufgezogen. Obwohl er allen Furcht einflößt, ist er Spielball von Hänseleien. Und dann verliebt sich Quasimodo in die schöne Esmeralda.
Bild: picture-alliance/United Archives/IFTN
Quasimodo von Notre-Dame
Die tragische Geschichte ist wie geschaffen für Hollywood; seit den Zeiten des Stummfilms kam der Stoff immer wieder auf die Leinwand. 1939 verfilmte Regisseur William Dieterle den Roman mit Charles Laughton in der Hauptrolle des Quasimodo, der hoch oben über der Stadt Paris im verwinkelten Glockenturm der Kathedrale haust.
Bild: picture-alliance/United Archives/IFTN
Literaturverfilmung mit Sexsymbol (1956)
Die wohl berühmteste Leinwandfassung des Romans ist immer noch die italienisch-französische Kinoproduktion von 1956, mit Gina Lollobrigida als verführerische Esmeralda und Anthony Quinn in der Hauptrolle. Regie führte Jean Delannoy, der sich streng an die Romanvorlage hielt.
Bild: picture-alliance/United Archives/Roba
Disney-Verfilmung
Auch die Disney-Studios ließen sich diesen Stoff natürlich nicht entgehen. 1996 kam eine Zeichentrick-Version des "Glöckner von Notre-Dame" in die Kinos - frei nach Motiven von Victor Hugo. In den USA war der Kinderfilm ein großer Erfolg, mehr als 100 Millionen US-Dollar spielte er dort ein. 1997 bekam der Zeichentrickfilm eine Oscar-Nominierung für die Beste Filmmusik.
Bild: picture-alliance/dpa
Motiv für Künstler
Die formenreiche Fassade der gotischen Kathedrale von Notre-Dame ist auch millionenfach fotografiert, gezeichnet und von berühmten Künstlern gemalt worden. Als Landmarke in der Stadt ebenso wie als Wahrzeichen der französischen Metropole Paris.
Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Ena
Notre-Dame im Winter
Notre-Dame war ein Lieblingsmotiv von Albert Marquet. Der Mitbegründer des Fauvismus malte die Kathedrale immer wieder. Er verwendete oft die Farben Blau, Grau und Weiß in seinen Gemälden. 1905 verewigte er "Notre-Dame im Schnee". Der Bau wirkt verblüffend schlicht, beinahe bodenständig und nicht so elegant, wie wir ihn kannten vor dem Brand.
Bild: picture-alliance/akg-images
Notre-Dame im Sommer
Der Impressionist Paul Signac wählte 1913 einen distanzierten Blick auf die Île de la Cité, auf der sich die Kathedrale Notre-Dame befindet. Das Sommerlicht scheint zu flirren und inmitten dieser luftig-leichten Idylle erheben sich im Hintergrund unverkennbar die Zwillingstürme sowie der nun beim Brand eingestürzte Vierungsturm der Kathedrale. Das Gemälde hängt im Folkwang Museum in Essen.
Bild: picture alliance / akg-images
Notre-Dame à la Picasso
Auch der Spanier Pablo Picasso malte mehrere Ansichten der berühmten Kathedrale. Diese hier entstand 1954 und gehört damit zu seinem späteren Werk. Das Gemälde „Notre-Dame de Paris" zeigt die Brücke Pont Saint-Michel, die das Bild in zwei Bereiche unterteilt.
Bild: picture-alliance/EPA/Bonhams
Erinnerungsfoto
Diese Aufnahme des Fotografen Ludovic Marin von der französischen Nachrichtenagentur AFP ist eines der letzten Fotos der noch unbeschädigten Kathedrale. Aufgenommen wurde es am 27. März 2019, als die Bäume gerade zu blühen begannen. So wird die altehrwürdige "Notre-Dame de Paris" vermutlich nie wieder aussehen.
Bild: Getty Images/AFP/L. Marin
Historischer Roman auf Bestsellerlisten
Kleine Randnotiz: Durch die weltweite Berichterstattung über den Brand der Pariser Kathedrale ist auch das Interesse an dem historischen Roman "Der Glöckner von Notre-Dame" wieder gestiegen. Der Klassiker der Weltliteratur kletterte am Dienstag (16.4.2019) an die Spitze der Verkaufscharts bei Amazon. Die französische Originalfassung wurde zum meistverkauften Buch in Frankreich.