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Neuer Chef der Welthandelsorganisation

Jan D. Walter10. September 2013

Roberto Azevêdo löst Pascal Lamy als Generaldirektor der Welthandelsorganisation ab. Der Brasilianer gilt als gewiefter Diplomat. Sein Ziel: die Freihandelsverhandlungen wieder in Gang zu bringen.

Portrait des neuen WTO-Chefs Roberto Azevedo (Foto: Reuters)
Neuer WTO-Chef: Roberto AzevedoBild: Reuters

Für seine Amtszeit als Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO) hat sich Roberto Azevêdo einiges vorgenommen. Schon seine Kandidatur für den WTO-Chef-Posten hatte der Brasilianer klar unter das Motto gestellt, den Freihandel zu stärken und die Doha-Runde wiederzubeleben, also die Gespräche über die Bedürfnisse der Entwicklungsländer: "Die Verhandlungen sind vollkommen festgefahren. Mein Fokus wird darauf liegen, sie wieder in Gang zu bringen, um Antworten auf die wirtschaftliche Entwicklung der Welt zu finden", sagte Azevêdo in einem DW-Interview Anfang des Jahres, als er noch Kandidat war.

Offenbar wusste der Findungsausschuss der WTO dieses Vorhaben zu schätzen und wählte ihn zum Nachfolger des Franzosen Pascal Lamy. Und auch viele Beobachter zählen es zu den wichtigsten Herausforderungen der WTO, die Doha-Runde wieder in Gang zu bringen. Diese war 2001 ins Leben gerufen worden, nach heftigen Protesten gegen die negativen Folgen der Globalisierung. Die Teilnehmer der Gespräche sollten einen Weg finden, die Interessen von Entwicklungs- und Schwellenländern im Welthandel stärker zu berücksichtigen. Doch seit 2003 stehen die Verhandlungen still – einer der Hauptstreitpunkte: die Agrarsubventionen der Industrieländer.

Einer der Hauptstreitpunkte: Subventionen für US-BaumwolleBild: AP

Genau das ist Azevêdos Spezialgebiet. Als brasilianischer Chefunterhändler bewirkte er 2005, dass die WTO die Europäische Union verpflichtete, ihre Zuckersubventionen zu senken; 2008 erreichte der Karrierediplomat einen Schiedsspruch, der den USA eine Kürzung ihrer Baumwollhilfen auferlegte.

Auch EU-Hilfen für Zuckerrübenbauern sind umstrittenBild: picture-alliance/dpa

Diplomat mit viel Erfahrung

Überhaupt hat der 55-Jährige für das brasilianische Außenministerium bereits viele wichtige Posten besetzt, unter anderem von 1997 bis 2001 bei den Vereinten Nationen. Von 2006 bis 2008 war er Chefunterhändler Brasiliens bei der Doha-Runde, seit 2008 arbeitete er als Ständiger Botschafter seines Landes bei der WTO in Genf. Diese Laufbahn könnte ihm nun bei der Wahl zugute gekommen sein: Er kennt das System und seine Akteure.

Zudem gilt der neue WTO-Chef als konsensorientierter und geschickter Verhandlungsleiter. "Ich habe Roberto Azevêdo als zugänglichen, dynamischen Gesprächspartner erlebt", sagt der deutsche Ministerialdirektor Karl-Ernst Brauner über seinen künftigen Chef, "ich schätze er ist das, was man als 'moderne Führungskraft' bezeichnet."

Der deutsche Ministerialdirektor Karl-Ernst Brauner wird Mitglied in Azevêdos DirektoriumBild: picture-alliance/dpa

Der langjährige Abteilungsleiter Außenwirtschaftspolitik im Bundeswirtschaftsministerium wird ab Oktober als europäischer Vertreter in der WTO-Direktion sitzen. Neben ihm hat Azevêdo den Chinesen Yi Xiaozhun, den US-Amerikaner David Shark und den Nigerianer Yonov Frederick Agah zu seinen Vizedirektoren berufen.

Multilateralismus - die Kunst, alle ins Boot zu holen

Die bekannte brasilianische Wirtschaftskolumnistin Miriam Leitão bezeichnete Azevêdos Wahlsieg im Mai dieses Jahres als "Sieg für den Multilateralismus", also für das Vorhaben, möglichst viele Länder unter einem großen Freihandelsabkommen zu vereinen. Auch Brauner steht fest zu dem Ziel, durch internationale Verhandlungen die weltweite Handelsliberalisierung voranzubringen: "Teilweise werden wir Deutschen ja sogar als Idealisten des Multilateralismus belächelt", sagt Brauner im DW-Interview.

In jedem Fall ist er zuversichtlich, auch mit Hinblick auf den neuen WTO-Chef: "Brasilien hat in den letzten Jahren die intellektuelle Führerschaft unter den Nicht-Industriestaaten übernommen. Und zwar ohne extreme Positionen zu vertreten." Letztlich, meint Brauner, werde ein Gelingen davon abhängen, wie gut jedes der fünf Mitglieder des WTO-Direktoriums die Interessen der WTO und die seiner jeweiligen Weltregion zusammenbringen kann.

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