In einigen Wochen sollten sich die ersten Turbinen des Belo-Monte-Wasserkraftwerks drehen. Doch jetzt verweigerte eine Richterin der weltweit drittgrößten Anlage dieser Art die Erlaubnis - mit guten Gründen.
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Es ist ein gigantisches Bauvorhaben, das kurz vor seiner Vollendung in eine Warteschleife gezwungen wird. Für das Belo-Monte-Wasserkraftwerk im brasilianischen Amazonasgebiet wird durch drei Talsperren der Xingu-Fluss auf einem Gebiet von mehr als 500 Quadratkilometern aufgestaut. Das dann überflutete Areal entspricht in etwa der Größe des Bodensees. Offiziellen Angaben zufolge müssen dafür rund 20.000 Ureinwohner umgesiedelt werden, Staudammgegner und Menschenrechtler sprechen sogar von 40.000 Indigenen, die ihre Heimat verlieren.
Die Baukosten belaufen sich auf umgerechnet mehr als elf Milliarden Euro. Allein für Umsiedlung der Menschen und für Umweltauflagen will das Betreiberkonsortium, bestehend aus den beiden großen staatlichen Stromversorgern Eletronorte und Eletrobrás sowie der brasilianischen Regierung, bereits mehr als eine Milliarde Euro ausgegeben haben.
Bedrohte Lebensräume durch Belo Monte
Die Dorfbewohner am Xingu-Fluss leben seit Generationen mit dem natürlichen Wasserzyklus. Das riesige Staudamm-Projekt Bela Monte bringt schon jetzt große Veränderungen in die Region - für viele ein Grund zur Sorge.
Bild: Victor Moriyama
Das Ende eines Dorfes
Die Häuser des Dorfes "Vila da Ressaca" am Ufer des Xingu-Flusses sind wegen dem wechselnden Wasserstand auf Holzpfählen gebaut. Die Bewohner haben immer mit und von den wechselnden Wassermengen im Fluss gelebt, haben sich auf den Fluss eingestellt. Der Staudamm könnte das Ende des Dorfes bedeuten.
Bild: Victor Moriyama
Der Stolz der Nation
Mehr als 20.000 Arbeiter sind am Bau des Großstaudamms Belo Monte beschäftigt. Mit dem Mega-Projekt will Brasilien rund ein Zehntel des nationalen Strombedarfs decken. Der Widerstand der lokalen Bevölkerung führte zwar mehrfach zu kurzfristigen Baustopps, doch das schadete dem Projekt nicht dauerhaft. Die Investoren wollen 2015 die erste Turbine in Betrieb nehmen.
Bild: Victor Moriyama
Eine Stadt ist überfordert
Seit Beginn der Bauarbeiten am Staudamm hat sich die Bevölkerung der nahegelegenen Stadt Altamira im brasilianischen Bundesstaat Pará verdoppelt. Die Infrastruktur reicht seit langem nicht aus für die rund 150.000 Menschen, die heute in Altamira vielfach in Slums leben. So ist das Abwassersystem überfordert, auch der Müll häuft sich in der Stadt.
Bild: Victor Moriyama
Die Profiteure von außen
Die guten Jobs an der Mega-Baustelle Belo Monte gehen nicht an die Einheimischen, sondern an Arbeiter, die von außerhalb kommen. Bewohner in den Armenvierteln Altamiras verdingen sich zum Beispiel als Müllsammler auf der verseuchten Deponie der Stadt. Die Arbeit dieser Müllsammler ist auch riskant: Selbst Krankenhausabfälle werden hier einfach abgeladen.
Bild: Victor Moriyama
Heimatverluste
18 Kilometer von Altamira entfernt befindet sich die kleine Fischergemeinde "Ilha da Fazenda". Mit dem Staudamm werden die rund 300 Einwohner des Dorfes von der Außenwelt so gut wie abgeschnitten. Andere Gemeinden sollen ganz umgesiedelt werden: Mindestens 16.000 Menschen verlieren ihre Heimat.
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Der Fisch verschwindet
Die meisten Dorfbewohner am Fluss leben vom Fischfang. Seit Beginn der Bauarbeiten am Staudamm gibt es immer weniger Fische im Fluss: "Früher fischten wir 20 Kilo am Tag, heute kommen wir nicht einmal mehr auf fünf", sagt der 46-jährige Eliandro Silva aus "Ilha da Fazenda". Die Fischer glauben, dass die zahlreichen Explosionen und das starke Licht auf der Baustelle die Fische vertreiben.
Bild: Victor Moriyama
Leben mit dem Fluss
Für die Bewohner des Dorfes "Vila de Ressaca" geht ohne das Wasser des Xingu-Fluss nichts. Die 900 Einwohner haben kein fließendes Wasser, Geschirr und Kleidung wird im Fluss gewaschen.
Bild: Victor Moriyama
Goldabbau wird noch gefährlicher
Der Goldabbau ist der größte Wirtschaftszweig der Gemeinde "Vila da Ressaca". Die Mine "Garimpo do Galo", die in 380 Metern Tiefe liegt, verunreinigt den Fluss mit Quecksilber. Viele haben Angst, dass die Umleitung des Xingu aber die Umweltfolgen noch verschlimmern könnten.
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Machtwort einer Richterin
Doch offenbar sind noch zu viele Auflagen unerfüllt. Richterin Maria Carolina Valente do Carmo vom Bundesgericht in der Stadt Altamira im Bundesstaat Para widerrief die Betriebserlaubnis für das Projekt auf unbestimmte Zeit. Zunächst müssten das Betreiberkonsortium Norte Energia und die brasilianische Regierung die in einer vorherigen Erlaubnis geforderten Bedingungen erfüllen.
Indigenen-Behörde als Hindernis
Konkret soll es, so berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, um eine Reorganisation des Regionalbüros der Behörde zum Schutz der indigenen Bevölkerung Brasiliens, Funai, gehen.
Die dem Justizministerium unterstehende Einrichtung hatte im vorigen Jahr nach langem Zögern und langwierigen Protesten dem Staudamm-Projekt zugestimmt. Allerdings hatte die Behörde angemahnt, dass Entschädigungen, die Fischern und betroffenen Indigenen zugesagt worden waren, noch nicht ausgezahlt wurden.
Diese Auflagen hatte ein anderes Gericht verhängt. Und weil sie noch immer nicht erfüllt wurden, verurteilte Richterin Valente do Carmo das Betreiberkonsortium zusätzlich zum Aufschub der Betriebserlaubnis zu einer Geldstrafe von umgerechnet rund 200.000 Euro.
Verzögerung kann teuer werden
Ursprünglich sollte das Belo-Monte-Wasserkraftwerk bereits Anfang 2015 zumindest teilweise in Betrieb gehen. Doch massive Proteste und nicht eingehaltene Auflagen beim Bau führten zu Verzögerungen im Genehmigungsverfahren. Noch im September vergangenen Jahres hatte die Umweltbehörde Brasiliens (Ibama) die Lizenz für das Projekt verweigert. Zwei Monate später gab Ibama dann grünes Licht für den Betrieb des Wasserkraftwerks, das mit einer Leistung von 11.200 Megawatt das drittgrößte der Welt sein wird.
Sollte Belo Monte nicht bis spätestens März dieses Jahres mit der Stromerzeugung starten, drohen den Betreibern Strafzahlungen in Millionenhöhe.