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Brasilien bekommt ein Jüdisches Museum

Fernando Caulyt, kk2. Dezember 2013

Seit 500 Jahren haben Juden in Brasilien eine Heimat gefunden. Ihre ebenso vielfältige wie dramatische Geschichte dokumentiert ab 2014 ein neues Museum in Sao Paulo.

Das neue Jüdische Museum in Sao Paulo. (Rechte: Aleks Braz / Museu Judaico de São Paulo)
Bild: Aleks Braz / Museu Judaico de São Paulo

Sie kamen aus Europa und dem nördlichen Afrika und hielten Einzug in den großen brasilianischen Vielvölkerstaat: Rund 107.000 Menschen jüdischen Glaubens leben heute in Brasilien. Das ist angesichts der derzeit rund 200 Millionen zählenden brasilianischen Bevölkerung zwar eher eine kleine Gruppe. Doch mit der Finanzierung des Zuckeranbaus hat sie die Entwicklung des Landes wesentlich geprägt.

Späte Würdigung

Die Spuren jüdischen Lebens soll vom kommenden Jahr an das neue jüdische Museum in São Paulo würdigen. Die Zeit dafür sei reif, erklärt die geschäftsführende Direktorin des Museums, Roberta Alexandr Sundfeld. "Viele Städte, die eine größere jüdische Einwanderung verzeichneten, haben bereits entsprechende Museen - so etwa Berlin und New York", erklärt Sundfeld im Gespräch mit der DW. Zwar gebe es bereits Kulturzentren und historische Archive, aber eben noch kein Museum. "Dabei ist eine solche Einrichtung wichtig, um die nicht-jüdischen Brasilianer mit Geschichte und Kultur der Juden vertraut zu machen."

Einer der thematischen Schwerpunkte, die das Museum aufgreifen will, ist die Geschichte der jüdischen Einwanderung nach Brasilien. So kamen die ersten Juden bereits 1500 an Bord der ersten Entdeckungsexpedition, geleitet von dem Seefahrer und Admiral Pedro Álvares Cabral, in das Land. Sie gehörten überwiegend zur Gruppe jener Juden, die im späten 15. Jahrhundert zu "Neuchristen" zwangsbekehrt wurden.

Mit ihm kamen die ersten Juden: Pedro Álvares Cabral, der Entdecker BrasiliensBild: gemeinfrei

Juden aus den Niederlanden

Die größte jüdische Einwanderungswelle erreichte Brasilien 200 Jahre später aus dem nördlichen Europa: Die mit dem spanischen und dem portugiesischen Kolonialreichen wetteifernden Niederlande stießen im frühen 17. Jahrhundert in den brasilianischen Nordosten vor und gründeten dort eine eigene Kolonie. Bereits zuvor, seit Beginn des 16. Jahrhunderts, hatten jüdische Bankiers aus Amsterdam den Zuckerrohranbau in Lateinamerika finanziert.

Die nächste jüdische Einwanderungswelle erlebte Brasilien im 19. Jahrhundert. In jener Zeit wanderten nordafrikanische Juden vor allem aus Marokko in die Amazonas-Region ein.

Rassistische Einwanderungspolitik

Gleichzeitig kamen Juden aus Europa nach Brasilien. Wie Millionen andere Europäer auch, folgten sie dem Ruf der brasilianischen Regierung, die nach der Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1888 Menschen aus der Alten Welt einlud, in Brasilien ein neues Leben zu beginnen. Ziel dieser Anwerbepolitik war es zum einen, die freigelassenen afrikanischen Zwangsarbeiter durch Arbeitskräfte aus Europa zu ersetzen; zum anderen sollten die Neuankömmlinge aber auch dazu beitragen, den "weißen" Charakter der Bevölkerung zu erhalten. Mit den Idealen einer multikulturellen Gesellschaft hatten die das Land auch nach der Unabhängigkeit von 1822 dominierenden Portugiesen wenig im Sinn.

Auf der Flucht vor den Nazis

Kaum war der große Einwanderungszyklus in den 1920er Jahren zu Ende, setzte eine andere Einwanderungswelle ein: die der unzähligen Juden, die auf der Flucht vor den Nazis schließlich in Brasilien ankamen. Auch ihre Geschichte wird das Museum aufgreifen - und dabei auch die wenig rühmliche Rolle des damaligen brasilianischen Staatspräsidenten Getúlio Vargas thematisieren, der sich von der Ideologie der Achsenmächte angezogen fühlte. "Viele Juden wurden deportiert, weil Vargas ihre Einreise nach Brasilien verhinderte", erläutert Sundfeld. Dennoch konnten sich insgesamt 20.000 Juden nach Brasilien retten. Auch ihren Beitrag zur kulturellen und politischen Entwicklung ihrer neuen Heimat will das geplante Museum dokumentieren.

Neue Verwendung für alte Synagoge

Platz findet das Museum in der Synagoge Beth-El. Erbaut 1932, wurde das im Zentrum von São Paulo gelegene Gotteshaus hauptsächlich von deutschen Juden genutzt. Doch mit dem Niedergang des Stadtzentrums zogen viele Juden in andere, weniger zentral gelegene Viertel. Immer weniger Menschen suchten die Synagoge auf, die mehr und mehr in Vergessenheit geriet.

Die alte Synagoge von São PauloBild: Museu Judaico de São Paulo

Als Museum soll sie nun neues Leben erhalten. Die Gesamtkosten für den Bau, der im zweiten Halbjahr 2014 seine Pforten öffnet, werden auf umgerechnet gut sieben Millionen Euro veranschlagt. Die Summe teilen sich im Wesentlichen der brasilianische Staat und private Spender. Doch auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich: Das Auswärtige Amt unterstützt das Museum mit 310.000 Euro.

Ausstellungen aus Berlin, Israel und New York

Läuft alles wie geplant, kann das Museum auch auf Exponate verwandter Institutionen zurückgreifen. "In New York verfügt man über ein riesiges Archiv, aus dem man uns gerne einige Werke entleihen wird", erklärt Sergio Daniel Simon, Präsident des Jüdischen Museums von São Paulo. Auch das Jüdische Museum in Israel zeige sich entgegenkommend. Beide Museen verfügen über Wanderausstellungen, die auch in Brasilien gezeigt werden könnten.

Zwar hat das Museum in São Paulo mittlerweile auch eigene Bestände, doch der Umfang ist bislang noch überschaubar. Derzeit finden sich rund 700 Objekte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in seinem Besitz. Dank zahlreicher Leihgaben und Schenkungen wächst die Zahl der Exponate aber stetig.

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